Prozessorgeflüster

Unscharf deutete sie sich auf dem Supercomputer-Forum SC09 schon an, nun hat Intel Schrödingers Katze aus dem Sack gelassen: Der vorgesehene Grafikprozessor Larrabee ist tot und lebendig zugleich.

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Von
  • Andreas Stiller

Nick Knupffer, der für High Performance Computing (HPC) zuständige PR-Manager, bestätigte offiziell, dass Larrabee nicht, wie ursprünglich geplant, im ersten Halbjahr 2010 als Stand-alone-Produkt für Grafikanwendungen herauskommen soll – also als GPU auf einer PCI-Express-Karte, so wie Radeon oder Geforce –, sondern irgendwann später und zunächst nicht für den Konsumentenmarkt, sondern für HPC.

Die jetzt schon fertig entwickelten Karten werden allerdings nicht eingestampft, sondern sollen als Entwicklungsplattform für die nachfolgenden Larrabee-Generationen dienen.

Das Speicherkonzept von Larrabee 2 heißt M-Y-O: mine, yours, ours. Mit einer direkten Ankopplung an die CPU sowie mit getrennten und gemeinsamen Speicherbereichen soll es den problematischen Flaschenhals Datentransfer umgehen.

In seiner Eröffnungsrede zur SC09 hatte Chief Technology Officer Justin Rattner einen übertakteten Larrabee-Prototyp nicht nur auf über 1 TFlops geheizt (SGEMM, wenn auch nur mit kleinen 40x40-Matrizen), sondern auch demonstrativ den Finger auf den wunden Punkt aktueller GPGPU-Designs gelegt: den Datentransport zwischen CPU- und GPU-Speicher. Da können die Dinger so schnell rechnen, wie sie wollen, dieser Flaschenhals macht im praktischen Betrieb zumeist alle Performance-Anstrengungen zunichte. Intel hätte hingegen, so Rattner, für Larrabee etwas weit Besseres in petto, nämlich ein gemeinsames virtuelles Speichermodell: „M-Y-O“. Das steht für „meins, deins, unseres“ und umfasst sowohl getrennte als auch gemeinsame Adressräume für CPU und GPU. Beide können dann auf die gleichen Datenstrukturen zugreifen, was die Programmierung erheblich vereinfacht und den Datentransport-Flaschenhals weitgehend vermeidet. Rattner hatte dabei aber offensichtlich bereits die übernächste, vermutlich über QuickPath Interface (QPI) direkt angekoppelte Larrabee-Generation für HPC im Sinn, denn bei den ursprünglich geplanten Larrabee-Grafikkarten der ersten Generation wirkt der PCI-Express-Bus ungeachtet aller Mein-Dein-Unser-Modelle weiterhin als Straßensperre.

Eine weitere Bremse für Intels Grafikambitionen dürfte gewesen sein, dass es weit schwerer ist als gedacht, die Spieleentwickler zu überzeugen, ihre angestammten Programmiermodelle über Bord zu werfen und sich auf das neue Larrabee-Konzept einzulassen. Auch von den großen Spielkonsolenherstellern hatte man bislang offenbar keinen ins Boot holen können. Von Sony und PS4 dampfte mal was Diffuses dazu aus der Gerüchteküche herüber, in deren Töpfen brodelt jetzt aber eher ein Power7 als potenzieller Nachfolger für Cell.

Vielleicht hat Intel nun nach der Einigung mit AMD – die 1,25 Milliarden Dollar Versöhnungsgebühr wurden gerade überwiesen – und dem damit verbundenen Zugriff auf alle ATI-Patente neue Optionen für verbesserte Grafikkonzepte, die jetzt in Ruhe eingebaut werden könnten. Und AMD hat ein bisschen mehr Luft, sich zu gesunden, kann man doch als bislang Einziger Direct-X11-taugliche Grafikkarten liefern.

Ebenso wie Intel arbeitet man auch hier mit Volldampf an der Integration von CPU und GPU auf einem Chip (Fusion) und im Rahmen der „Accelerated Computing Initiative“ an einer möglichst effizienten Ankopplung von leistungsstarken diskreten GPUs. Die nächste GPU-Generation „Northern Islands“ soll dann als Partner des Zambesi-Prozessors (mit Bulldozer-Kern) im Jahre 2011 ebenso wie die CPUs von GlobalFoundries im 32-nm-Prozess gefertigt werden.

Schlechte Karten für Nvidia, denn eine eigene x86-CPU zur direkten Ankopplung hat die Firma nicht. Da wird sie sich wohl irgendwie mit dem nur zwei Meilen entfernten Nachbarn in Santa Clara arrangieren müssen. Mit dem ist man aber weiterhin erst einmal im Clinch, vor allem bezüglich der Lizenz für per QuickPath angeschlossene Chipsätze. Zwar will Nvidia ungeachtet der Streitigkeiten mit Intel weiterhin den Chipsatz nForce MCP89 für Nehalem-CPUs ausliefern, aber traut sich nicht an das Direct Media Interface heran, wie es die demnächst erscheinenden Desktop- und Notebook-Prozessoren Arrandale und Clarkdale mitbringen. Nvidia hatte sich ebenfalls wegen unfairen Wettbewerbsverhaltens des Konkurrenten beklagt und wurde unlängst von der amerikanischen Wettbewerbsbehörde FTC dazu befragt – auch nach der Einigung mit AMD ermittelt diese weiter gegen Intel.

Nach Intels Larrabee-Neuausrichtung schossen die Spekulationen ins Kraut, Intel denke daran, nun Nvidia zu akquirieren. Passenderweise verhöhnt Nvidia den Konkurrenten auf der eigens dafür eingerichteten Website www.intelsinsides.com unter anderem mit einem Comic, in dem das traurige Intel-Kind dem Weihnachtsmann seinen sehnlichsten Wunsch offenbart: eine GPU …

Immerhin, so Charly Demerijan von semiaccurate.com, seien jetzt Wafer im A3-Step der reichlich verspäteten nächsten Nvidia-GPU-Generation Fermi „im Ofen“. Wenn alles gut verlaufe, könne Nvidia allererste A3-Prototypen Anfang Januar auf der CES präsentieren. Bis GeForce-Karten dann wirklich in Stückzahlen auf dem Markt erscheinen, wird es aber noch ein paar Wochen dauern.

Zum Frühlingsanfang sollen auch viele andere schöne Prozessoren herauskommen. Das konnte man unter anderem Intels nichtoffizieller Roadmap entnehmen, die irgendwie zu channelweb.com und PConline.com.cn durchgetunnelt ist. Danach will Intel die neuen 32-nm-Westmere-Prozessoren mit sechs Kernen im März vorstellen, für Desktop-PCs den Gulftown – der nun doch nicht unter Core i9, sondern unter Core i7-980X segelt – und für Server und Workstation den Westmere-EP (Xeon X/L/E56xx), der am 16. März mit bis zu 3,46 GHz Takt vom Stapel laufen soll. Aber vielleicht hat ja Apple wieder ein Einsehen und kommt mit den neuen Xeons im Mac Pro knapp zwei Wochen früher, also genau zum CeBIT-Anfang heraus, so wie im letzten Jahr mit den Nehalems auch. Die Messegesellschaft wäre also gut beraten, Apple mit Supersonderkonditionen zurück zur CeBIT zu locken, zumal hier Partner T-Mobile sowie in der „Anti-Microsoft-Halle“ 2 neben Open-Source-Software ein OS-X-Business-Park mit Apple-Produkten aufwartet. Und dann gibts zur Abrundung für die iTuners ja noch eine neu ins Leben gerufene Musik- und -IT-Messe namens „CeBIT Sounds“.

Vielleicht wird ja Intel den für große Server vorgesehenen Xeon MP 76xx (Nehalem-EX) mit 6 und 8 Kernen auf Basis der 45-nm-Nehalem-Architektur im CeBIT-Zeitraum offiziell vorstellen, Genaueres weiß man aber noch nicht. Konkurrent AMD plant jedenfalls, sein Gegenstück, das Formel-1-Modul Magny-Cours mit 12 Zylindern, nur wenige Tage nach dem Westmere-EP ins Rennen zu schicken, etwa zu Beginn der neuen Formel-1-Saison – wo diesmal wohl keinerlei AMD-Werbung mehr auf den Ferraris zu sehen sein wird. (as)