Besser mailen

Der Mozilla-Mailer Thunderbird 2 war in die Jahre gekommen. Version 3 des Clients überzeugt nun mit mehr Performance, neuen Suchfunktionen, Tab-Ordnung und vielen kleinen Verbesserungen. Der Umstieg lohnt sich.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Holger Bleich

Die neue Funktion "Content Browsing" öffnet Anwendungen wie Google Wave innerhalb Thunderbird in einem Tab.

Nach der Installation des neuen Thunderbird 3 zeigt sich die Oberfläche im Vergleich zum Vorgänger kaum verändert. Lediglich die Tab-Leiste fällt sofort auf: Der Mailer legt jetzt wie sein Browser-Bruder Firefox etwa beim Öffnen einer Mail oder für Suchergebnisse Tabs an, anstatt jeweils ein neues Fenster zu öffnen.

Der Clou dabei: In Tabs stellt er auch Web-Anwendungen dar (Content Browsing). So lässt sich Thunderbird regelrecht zur Kommunikationszentrale mit eigenen Tabs für Twitter, Facebook oder Google Wave ausbauen. Um ein sogenanntes Content Tab einzurichten, muss man in der Fehlerkonsole (Menü Extras) den folgenden Code eingeben (alles in einer Zeile):

Components.classes['@mozilla.org/
appshell/window-mediator;1'].
getService(Components.interfaces.
nsIWindowMediator).
getMostRecentWindow("mail:3pane").
document.getElementById("tabmail").
openTab("contentTab",
{contentPage: "<URL>"});

Dabei ersetzt man <URL> durch die Adresse des Dienstes, im Fall von Facebook zum Beispiel mit der URL https://www.facebook.com. Thunderbird öffnet die Content Tabs beim nächsten Programmstart wieder, wobei es sich sogar Passwörter merken kann.

Thunderbird 3 legt nach der Installation einen Index zum vorhandenen Mail-Bestand an. Eine eigene Gruppe im Mozilla-Team hatte sich lange mit der Entwicklung dieses neuen Index- und Suchsystems beschäftigt. Herausgekommen ist „Gloda“, also die „Thunderbird Global Database“. Bei zehntausenden Mails kann das erstmalige Indizieren schon mal mehrere Stunden in Anspruch nehmen. Währenddessen reagiert das Programm mitunter verzögert, aber der Aufwand macht sich spätestens bezahlt, wenn man zum ersten Mal die neuen Suchfunktionen nutzt.

Der Mailer durchforstet auf Wunsch sogar über Account-Grenzen hinweg den gesamten Mail-Bestand, und das in hohem Tempo. Die Ergebnisse präsentiert er übersichtlich in einem neuen Tab. Dort findet der Nutzer dann neben den Fundstellen auch Anrisse der Mails sowie eine Zeitleiste zur Häufigkeit der Treffer. Die Ergebnisse lassen sich weiter filtern, etwa nach Ordner, Absender oder Funden mit oder ohne Anhang. Nach wie vor kann man wie gewohnt den aktuellen Ordner inkrementell filtern.

Überhaupt ist Thunderbird jetzt besser fürs Handling großer Mail-Archive und vieler Accounts vorbereitet. Der Mailer fasst bestimmte Ordner mehrerer Accounts zu einer Ansicht zusammen. So existiert nun lediglich ein Posteingang, in den die Inbox-Inhalte aller Konten einfließen, sofern die Ansichtsoption „gruppiert“ beziehungsweise „Smart-Ordner“ aktiviert ist. In einer neuen Ordnergruppe namens „Archiv“ kann der Nutzer momentan nicht benötigte Mails langfristig unterbringen. Ein Druck auf die Taste „A“ genügt, um eine Mail dorthin zu verschieben.

Funktionen, die lediglich die Mail in der Vorschauansicht betreffen (etwa Antworten oder Weiterleiten), zeigt Thunderbird nun nicht mehr in der Symbolleiste, sondern direkt im Vorschaufenster an. Dies verwirrt zwar den Umsteiger zunächst, erscheint aber durchaus logisch. Ist ein Kontakt bereits im Adressbuch vorhanden, zeigt Thunderbird einen gelben Stern neben der Absenderadresse an. Ein weißer Stern signalisiert, dass man den Absender mit einem Klick aufnehmen kann.

Der überarbeitete Add-on-Manager enthält eine Suche und direkte Verweise zu Erweiterungen. Hinzugekommen ist auch der „Aktivitäten-Manager“. Thunderbird 3 informiert hier in einer Art aufbereitetem Logfile über seine Kommunikation mit den Gegenstellen. Misslingt etwa das Abholen vom Mails, kann ein Blick in den Aktivitäten-Manager zur Lösung des Problems beitragen.

Auch unter der Haube hat die Mozilla-Entwicklergemeinde ihren Mailer kräftig getunt. Die Rendering Engine Gecko in Version 1.9.1.5 geht flotter zu Werke als die ältere des Vorgängers. Bei IMAP-Konten lädt Thunderbird nun in Prefetching-Manier Nachrichten im Hintergrund herunter, und nicht erst, wenn sie angezeigt werden sollen. Dieses Verhalten lässt sich global oder pro Ordner wieder deaktivieren.

Bei den Sicherheitseinstellungen geht Thunderbird in der Voreinstellung zu weit. In den Konteneinstellungen aktiviert es die Sender-Authentifizierung (SMTP-Auth, „Benutzername und Passwort verwenden“). Viele Mail-Server-Administratoren, die ohnehin auf eine TLS-gesicherte Verbindung bestehen, haben diese Art der Authentifizierung aber abgestellt.

Die Folge ist, dass der Mail-Server Einlieferungsversuche von Thunderbird 3 blockt. Falls Umsteiger von Thunderbird 2 SMTP-Auth nicht genutzt haben, stehen sie nun vor kryptischen Fehlermeldungen. Es genügt aber, den Haken „sichere Authentifizierung“ in den Servereinstellungen wegzuklicken. Dasselbe gilt auch für die Authentifizierung bei POP3.

Auch bei IMAP sorgt dieselbe Ursache dafür, dass Thunderbird bei der Anmeldung scheitert, allerdings gibt der Mailer hier überhaupt keine Fehlermeldung aus, die einen Hinweis auf die Ursache liefern könnte. Erst nach dem Löschen des persönlichen Namensraums für IMAP (Menü „Extras\Konten-Einstellungen“, Punkt „Server-Einstellungen“, Knopf „Erweitert“) sowie einem Neustart lieferte Thunderbird 3 die erwartete und korrekte Fehlermeldung, dass der Server die gesicherte Authentifizierung nicht verwendet. Nach dem Abschalten der letzteren Option und einem weiteren Neustart funktionierte dann auch Thunderbird 3 wie erwartet.

Bezüglich der Plattformintegration hat sich sowohl bei Windows als auch bei Mac OS X einiges getan. So erfasst die Volltextsuche von Vista und Windows 7 auch die Mails in Thunderbird. Dasselbe gilt für Spotlight von Mac OS X. Mac-Anwender dürften sich über eine bessere Integration des lokalen Adressbuchs freuen. Apropos Betriebssysteme: Mozilla hat den Support für betagte Versionen beschnitten. Thunderbird 3 läuft demzufolge erst ab Windows 2000, die Mac-Variante ab Mac OS X 10.4 (Tiger).

www.ct.de/1001050 (hob)