Mit Ionenkraft gegen den großen Durst

Mit Hilfe eines ausgeklügelten Ionenaustausch-Prozesses gelingt es einem kanadischen Start-up es, Meerwasser mit einem Viertel der gewöhnlich benötigten Energie zu entsalzen.

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Von
  • Tyler Hamilton

Mit Hilfe eines ausgeklügelten Ionenaustausch-Prozesses schafft ein kanadisches Start-up es, Meerwasser mit einem Viertel der gewöhnlich benötigten Energie zu entsalzen.

Alle Szenarien für den Klimawandel in den kommenden Jahrzehnten gehen davon aus, dass in einigen Regionen Trinkwasser noch knapper wird. Die Meerwasser-Entsalzung wird deshalb an Bedeutung zunehmen. Der Haken: Bislang ist sie mit hohem Energieaufwand verbunden. Da könnte das neue Verfahren des Start-ups Saltworks Technologies wie gerufen kommen. Mit Hilfe eines ausgeklügelten Ionenaustausch-Prozesses schaffen die Kanadier es, Meerwasser mit einem Viertel der gewöhnlich benötigten Energie zu entsalzen.

„Wir haben die Technologie jetzt vom Prototyp zu einer voll funktionsfähigen Pilotanlage bekommen“, sagt Erfinder Ben Sparrow stolz, der Saltworks Technologies im vergangenen Jahr gegründet hat, um das Verfahren zur Marktreife zu bringen. „Die Anlage läuft bereits mit richtigem Meerwasser, und wir sind kurz davor, die Kapazität auf 1000 Liter am Tag auszuweiten.“

Derzeit setzen die meisten Meerwasser-Entsalzungsanlagen entweder Kreisläufe aus Verdampfung und Kondensierung ein oder eine Filtrierung mittels Umkehrosmose – beide teuer und energieintensiv. Saltworks Technologies geht ganz anders vor. Zunächst wird in einem Reservoir die Salzkonzentration von Meerwasser von 3,5 auf 18 Prozent erhöht, in dem man einen Teil des Wassers verdunsten lässt.

Das kann mit Hilfe von Sonnenlicht und trockener Umgebungsluft in einem offenen Becken geschehen (siehe Bild). Die Verdunstung kann aber auch in einem Silo erfolgen, der mit Abwärme einer benachbarten Fabrik aufgeheizt wird. Letzteres wird in der neuen kommerziellen Anlage der Fall sein. Das konzentrierte Salzwasser wird dann im zweiten Schritt in die eigentliche Entsalzungseinheit gepumpt. Bis hierhin fällt auch der größte Teil des Energieeinsatzes an.

Der Rest geschieht so gut wie von selbst. Die Entsalzungseinheit – in der Pilotanlage so groß wie ein Mikrowellenherd – besteht aus vier Reservoiren: Eines enthält das konzentrierte Salzwasser und drei noch unbehandeltes Meerwasser. Zwei der Letzteren sind mit dem konzentrierten Salzwasser über Polystyrol-Brücken verbunden. Durch die diffundieren nun positive Natrium-Ionen und negative Chlorid-Ionen aus dem Konzentrat in die Meerwasser-Kammern.

Das Polystyrol ist allerdings chemisch so verändert worden, dass es bestimmte Ionen blockiert. Die eine Brücke hält die Natrium-Ionen zurück, die andere die Chlorid-Ionen. Weitere Ionen – von Magnesium, Kalzium, Schwefel oder Brom – können hingegen beide Verbindungen passieren. „Das bedeutet also, dass aus dem Konzentrat negative Ionen in die eine Richtung abwandern, positive Ionen in die andere“, erläutert Sparrow.

Die Folge ist, dass im ersten Meerwasser-Reservoir die Konzentration der negativen, im zweiten die der positiven Ionen steigt. Verbindet man nun beide Kammern mit dem dritten Meerwasserreservoir, werden aus diesem sämtliche (positiven) Natrium- und (negativen) Chlorid-Ionen abgesaugt, um den jeweiligen Ladungsüberschuss auszugleichen. Als Ergebnis erhält man im dritten Reservoir entsalztes Wasser, dass dann nur noch mit Chlor und UV-Licht behandelt wird, bevor es ins Leitungsnetz gepumpt wird.

Weil Saltworks Technologies das Meerwasser mit Niedrigdruck-Pumpen bewegt, genügen leichte Plastikrohre statt korrosionsbeständiger Stahlrohre. Laut Mitgründer Joshua Zoshi ist die Technologie leicht skalierbar, weil die verwendeten Kunststoffe und Chemikalien billig und überall erhältlich seien. „Wir wollen in Kürze Gespräche mit der Industrie aufnehmen und mit potenziellen Kunden die Technologie marktreif machen“, sagt Zoshi.

Die Pilotanlage ist maßgeblich vom kanadischen National Research Council, den Powertech Labs von B.C. Hydro und Sustainable Development Technology Canada (SDTC) gefördert worden. Letztere ist eine Behörde, die Forschungsgelder für umwelttechnische Entwicklungen vergibt. Rick Whittaker, bei der SDTC für Technologien zuständig, attestiert dem Start-up gut Erfolgschancen, weil dahinter solide Wissenschaft stecke und im Prinzip nur bekannte Verfahren kreativ kombiniert worden seien. „Es gibt ein technisches Risiko, aber wir sind zuversichtlich, dass die das skaliert bekommen“, sagt Whittaker. (nbo)