Werbeverband hält Kampagne gegen Raubkopierer für äußerst fragwürdig

Der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft hat starke Bedenken gegen die Machart der Aufklärungsinitiative der Filmindustrie.

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Der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) hat starke Bedenken gegen die Machart der umstrittenen Aufklärungsinitiative der Filmindustrie "zum Schutz des Originals". "Ich halte die Art und Weise der Kampagne in höchstem Maße für fragwürdig", erklärte ZAW-Geschäftsführer Volker Nickel gegenüber heise online. "Muss man dem Medienrezipienten tatsächlich so die Sporen geben?" Es gebe doch für Kreative auch intelligentere Wege, Aufmerksamkeit bei der Zielgruppe zu erregen, kritisiert Nickel die Idee und ihre Umsetzung durch die auch die Grünen betreuende Agentur Zum goldenen Hirschen. Eine andere Form der Ansprache hätte sicher auch gegenüber den anvisierten Nutzern von Online-Tauschbörsen und DVD-Brennern mehr Erfolg versprochen, meinte Nickel.

Empörung hat vor allem ein Spot der unter dem Motto "Raubkopierer sind Verbrecher" stehenden bundesweiten Kampagne ausgelöst, in dem heranwachsenden Urheberrechtsverletzern das Schicksal einer drohenden Vergewaltigung im Zuchthaus vor Augen gestellt wird. "Wir haben mehrere Beschwerden dazu bekommen", gab Nickel bekannt. Der Virtuelle Ortsverein der SPD hatte beispielsweise der Filmwirtschaft auf Grund des Streifens die Darstellung eines "menschenverachtenden Weltbilds" vorgeworfen. Der Spot sei ein Beispiel für eine gravierende Werbeentgleisung.

Auf Grund der Eingaben hat der Deutsche Werberat -- das ist die beim ZAW angesiedelte Selbstkontrollinstanz der Werbewirtschaft hierzulande -- die hinter der Aktion stehende Firma Zukunft Kino Marketing (ZKM) um eine Stellungnahme gebeten. "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass auf diesem Weg Kampagnen, die über Grenzen hinausgehen, schnell wieder verschwinden", erläutert Nickel die Folgen der Aufforderung. Der Werberat hat im vergangenen Jahr gegen 75 Marketingmaßnahmen offiziell Einspruch erhoben. Dem gaben die betroffenen Firmen im Regelfall nach und zogen beanstandete Plakate und Spots zurück. Nur in sechs Fällen sah sich die Institution gezwungen, eine öffentliche Rüge auszusprechen. Die kommt einem "Bann" der Kampagne gleich, da über die Maßnahme auch die Massenmedien breit informiert werden.

Ironie am Rande: Die ZKM kommuniziert mit der Werbeaktion vor allem die Tatsache, dass Urheberrechtsverletzungen nach der umstrittenen Reform des Urheberrechtsgesetzes mit Haftstrafen "bis zu fünf Jahren" bestraft werden können. An dem Höchststrafmaß hat sich mit der Gesetzesnovelle jedoch nichts geändert. Es bezieht sich nach wie vor auf die "gewerbsmäßig unerlaubte Verwertung" urheberrechtlich geschützter Werke. Diese organisierten Profi-Raubkopierer (alias Verbrecher) will die Filmwirtschaft mit der Kampagne jedoch gar nicht erreichen. Ganz abgesehen von der Jugendverträglichkeit des in die Kritik geratenen Spots stellt sich damit auch die Frage, ob die Werbung nicht irreführend ist. In diesem Fall könnte eventuell auch das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) greifen -- falls sich überhaupt ein Kläger finden würde. Im UWG wird die wissentliche Verbreitung "unwahrer und zur Irreführung geeigneter Angaben" mit bis zu zwei Jahren Gefängnis bestraft. (Stefan Krempl) / (jk)