Tunnelblick in die Zukunft

Die Consumer Electronics Association schöpft nach den wirtschaftlichen Turbulenzen des vergangenen Jahres aus der CES neue Hoffnung: "Das Licht am Ende des Tunnels sind Innovationen". Wie diese aussehen, hat die Industrie klar vor Augen: 2009 war das Jahr, in dem 3D ins Kino kam. Jetzt sollen TV und PC nachziehen - oder am besten gleich vorbei. Doch 3D ist zum Glück nicht die einzige Hoffnung.

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Nico Jurran
Inhaltsverzeichnis

Auf der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas Anfang Januar genügte ein Blick in die Central Hall, um den Megatrend der weltgrößten Fachmesse für Unterhaltungselektronik auszumachen: Während die im vergangenen Jahr noch bejubelten superflachen Flat-TVs mit LED-Backlight zusammen mit Blu-ray-Playern nur noch verschämt in den hintersten Ecken herumstanden, stürzten sich alle TV-Hersteller mit voller Wucht auf das Thema 3D-Fernsehen (siehe S. 28).

Und die Aussicht auf stereoskopische Bilder beflügelt nicht nur die Fantasie der Unterhaltungselektronikindustrie: CyberLink ist überzeugt, dass der PC mit der kommenden Fassung seines Software-Players PowerDVD für die Wiedergabe von 3D-Blu-rays am Fernseher vorbeiziehen wird. Schließlich, so das Argument, würden PC-Installationen in wesentlich kürzeren Abständen erneuert als TV-Geräte. Selbst der von Pessimisten längst begrabene Traum des PC als Multimedia-Zuspieler im Wohnzimmer lebte bei CyberLink in diesem Zusammenhang noch einmal auf.

Auf der Jagd nach stereoskopischen Inhalten: Sony (rechts CEO Howard Stringer) lässt die Country-Sängerin Taylor Swift auf deren anstehenden Tour von einem 3D-Kamerateam begleiten.

Bei allem zu erwartenden Hardware-Überangebot bleibt natürlich die Frage, woher die 3D-Inhalte kommen sollen. Lassen sich hochaufgelöste Videos in 2D leicht durch Abtastung analoger Filmkopien erstellen, ist die Zahl der 3D-Titel bislang noch überschaubar. Große Hersteller wie Panasonic, Samsung und Sony bewarben daher in den Las Vegas heftig 3D-Eigenproduktionen sowie stereoskopische TV-Ausstrahlungen und strickten exklusive Promoaktionen rund um die ersten 3D-Blu-rays (siehe S. 28). Bei Letzteren herrscht ein deutliches Übergewicht an Animationsfilmen, was aber kaum verwundert: Die Streifen werden meist von vornherein in stereoskopischem 3D produziert beziehungsweise können nachträglich für eine stereoskopische Fassung neu gerendert werden.

Doch auch gewöhnliches 2D-Material soll mittels Bildanalyse und künstlicher Trennung der Bildebenen „3D-isiert“ werden: Sony zeigte auf seiner Pressekonferenz als Vorgeschmack einen entsprechend bearbeiteten Ausschnitt aus einem Jimi-Hendrix-Konzert. Einige Hersteller wollen diese Wandlung in Echtzeit gleich in ihren TV-Geräten für jegliches Quellmaterial anbieten, darunter Samsung und Toshiba mit seinem Edelmodell Cell-TV (siehe S. 28).

Mit dem IF-2D3D1 zeigte JVC einen Konverter, der für Sender in Echtzeit 2D-Material in 3D umwandelt. Das Ergebnis war allerdings recht durchwachsen.

Für die Wiedergabe auf dem PC entwickelt CyberLink wiederum einen Konverter, der in eine für Anfang 2011 angekündigte PowerDVD-Fassung integriert werden soll. Die Vorabversion hinterließ jedoch einen äußerst schwachen Eindruck: Je nach Einstellung war der 3D-Effekt bei den von den Entwicklern gewählten ruhigen Testszenen entweder kaum wahrnehmbar oder wurde von hässlichen Halo-Artefakten an Objektkanten begleitet. Angeblich soll die Trennung der einzelnen Ebenen bei actionreichen Filmen besser funktionieren. Auf jeden Fall wird die kommende PowerDVD-Version aber nur Inhalte von Video-DVDs 3D-isieren, da für eine Wandlung von Blu-ray-Videos die Rechenleistung aktueller PCs nicht ausreiche. Ebenfalls noch nicht ganz überzeugen konnte ein von JVC vorgestellter 2D-auf-3D-Konverter für TV-Sender: Zwar war das Bild frei von Artefakten, die Ebenen wirkten allerdings stark voneinander getrennt und in sich wiederum flach: Ein Bergpanorama sah aus, als habe man mehrere Pappaufsteller mit Wiesen-, Bergketten- und Wolken-Motiven vor einer himmelblauen Leinwand platziert.

Gemein war allen Ankündigungen rund um 3D, dass sie bei Preisen und Verfügbarkeiten vage blieben. Ersteres dürfte marktpolitische Gründe haben: Wer den ersten Preis aufruft, muss befürchten, von der Konkurrenz unterboten zu werden. Die Wischiwaschi-Aussagen bezüglich der Erscheinungstermine waren hingegen wohl eher der Tatsache geschuldet, dass die notwendigen Signalprozessoren noch gar nicht fertig sind: Sowohl Broadcom als auch Sigma Designs „hoffen“ auf eine Marktreife bis zum Sommer; Kritiker meinen daher, dass das große 3D-Geschäft erst Weihnachten 2010 startet.

Als zweites großes Feld haben die CE-Hersteller die Verbindung von Unterhaltungselektronik und Internet-Inhalten im Blick. Hier muss der Gerätehersteller wenigstens nicht für die eigentlichen Inhalte sorgen, sondern „nur“ dafür, dass der Konsument darauf zugreifen kann. Neu hinzugekommen ist in diesem Jahr die Videotelefonie über Flachbildfernseher (siehe S. 32), ansonsten traf man auf alte Bekannte wie YouTube, Facebook und Twitter. Doch eben hier liegt der Knackpunkt: Wurde bereits mit der letztjährigen Gerätegeneration gezeigt, dass die Verbindung zu Webdiensten technisch möglich ist (siehe Artikelreihe „World Wide Wohnzimmer“ in c't 19/09), befindet sich die Industrie nun laut mehrerer Hersteller in einer „Findungs-Phase“. Soll heißen: Die Hersteller mussten offenbar feststellen, dass es nicht reicht, nur einen Zugriff auf einzelne Dienste zu schaffen. Vielmehr erwarten die Kunden ein breites Angebot, auf das sie möglichst einfach zugreifen können.

Wiedergeburt des Bildtelefons: LG zeigte in Las Vegas Flachbildfernseher mit Skype-HD-Funktion.

Eine schlüsselfertige Lösung sowohl im technischen als auch im lizenzrechtlichen Sinne will hier DivX mit seinem neuen Portal „DivX TV“ liefern, über das sich verschiedene Video- und Music-on-Demand-Angebote sowie Webdienste wie Twitter und Picasa ansteuern lassen (siehe S. 34). Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Panasonic bereits seit einiger Zeit mit seinem VieraCast-Portal, das auf Fernsehern und Blu-ray-Playern des Unternehmens zu finden ist. Die DivX-Lösung ließe sich hingegen auf allen HD-Abspielern installieren, die bestimmte Prozessoren von Broadcom benutzen – darunter Blu-ray-Player von LG und Samsung. Ersterer konnte bereits als Abnehmer für DivX TV gewonnen werden und will das Firmware-Update Bestandskunden in den nächsten Monaten kostenlos zur Verfügung stellen, Samsung präsentierte hingegen ein eigenes Konzept auf Widget-Basis mit dem passenden Namen „Internet@TV“.

Nachdem im PC-Bereich die Netbooks in den vergangenen Jahren zum großen Überraschungshit wurden, versucht die immer stärker auf der CES vertretene Branche diesen Erfolg mit einer neuen Geräteklasse zu wiederholen, die noch leichter, billiger und ausdauernder ist (siehe S. 20). Möglich machen sollen dies ARM-Prozessoren und Betriebssysteme abseits von Windows 7. Neben Linux könnte das Mobilgeräte-Betriebssystem „Android“ als Gewinner hervorgehen, dessen Hersteller Google auch schon bei den Smartphones den heimlichen Star der CES gab (siehe S. 26). Obwohl die Vorstellung von Google erstem eigenen Handy Nexus One (siehe Artikel S. 36) offiziell am Hauptsitz des Unternehmens in Mountain View stattfand, ließ es sich Auftragsproduzent HTC nicht nehmen, das Smartphone wenigstens auf einer Rahmenveranstaltung der CES vorzuführen. In den Hintergrund rückte dadurch Palm, das im vergangenen Jahr mit der Vorstellung seines Pre im Rampenlicht gestanden hatte. Der Hersteller kündigte für dieses Modell und für die Variante Pixi verbesserte Versionen an und will sein Entwicklerprogramm stärker anschieben (siehe S. 26 ).

Noch in einem frühen Stadium befinden sich die Tablet-PCs ohne Windows, von denen einige Prototypen in Las Vegas zu sehen waren (siehe S. 20). Dabei trat ein merkwürdiges Phänomen auf: Obwohl Apple selbst nicht an der CES teilnahm und die offizielle Ankündigung des erwarteten „iTablet“ sogar noch aussteht, schwebte das erwartete Wundergerät bereits wie ein Damoklesschwert über jeder Präsentation eines Konkurrenten.

Eine wahre Schwemme erlebte man auf der diesjährigen CES bei den E-Book-Readern, die in allen nur denkbaren Display-Größen und Formaten zu sehen waren (siehe S. 22 ). Allerdings sollte man Masse nicht automatisch mit Klasse gleichsetzen – zumal hier dasselbe gilt wie bei 3D: Auf die Inhalte kommt es an. Und so wirkte beispielsweise die Aussage auf der Samsung-Pressekonferenz, dass mit den eigenen Geräten auf alle Public-Domain-Werke von Google Books zugegriffen werden könne, etwas hilflos – im Hinblick auf das Amazon-Buchangebot für den Kindle und die neuesten Exklusiv-Deals von Sony mit dem Wall Street Journal und MarketWatch.

Längst nicht alle auf der CES präsentierten Entwicklungen waren wirklich innovativ. So erscheint das Surround-Spezialist DTS gezeigte „DTS Symmetry“ letztlich nur einen Abklatsch von „Dolby Volume“ zu sein: Hier wie da werden die Lautstärkepegel verschiedener Quellen auf einen Level gezogen beziehungsweise gehalten. Auf Asus’ Mainboard „P7P55 Vienna“ wird erstmals ein DTS-Symmetry-Chip verbaut, später sollen auch Fernseher mit dieser Technik auf den Markt kommen. Dolby ist da schon einen Schritt weiter: Das Unternehmen präsentierte den ersten (US-amerikanischen) Digital-TV-Empfänger mit Dolby Volume. Aber auch Dolby sucht nach neuen Einnahmequellen, nachdem sich das im vorigen Jahr vorgestellte Surround-System ProLogic IIz mit zwei zusätzlichen Frontlautsprechern erwartungsgemäß als Nischenprodukt erwies. Künftig will das Unternehmen eine Technik für Bluetooth-Headsets anbieten, die Umgebungsgeräusche eliminiert und so für eine bessere Sprachverständlichkeit sorgt.

Auf die ersten Produkte auf Grundlage der in diesem Jahr gezeigten Entwicklungen wird man hingegen noch einige Zeit warten müssen – darunter auf Digital-TV-Receiver mit dem elektronischen Programmführer TotalGuide von Rovi (vormals Macrovision), der auch den Zugriff auf die Mediatheken deutscher Sender ermöglicht. Die CES 2011 dürfte also auch wieder spannend werden – und vielleicht zeigt sich dann ja auch schon, ob die Unterhaltungselektronik- und die PC-Branche tatsächlich den richtigen Riecher bewiesen haben – oder die aktuellen Entwicklungen eher der eigenen Wunschvorstellungen denn den Kundenwünschen entsprachen. (nij)