Chatkontrolle: Spanien plädiert für EU-Verbot von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung

Die EU-Staaten diskutieren über die Pläne zur sogenannten Chatkontrolle. Ein geleaktes Dokument macht jetzt deutlich, wie extrem die Positionen teilweise sind.

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Frauenhände an Smartphone

(Bild: photobyphotoboy/Shutterstock.com)

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Bei den Beratungen zur geplanten Chatkontrolle in der Europäischen Union hat sich die spanische Regierung für ein Verbot von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung (E2EE) ausgesprochen. Das berichtet das US-Magazin Wired unter Berufung auf ein geleaktes Dokument aus dem Rat der Europäischen Union, in dem Argumente für und gegen den Schutz von E2EE zusammengetragen werden. Die Position Madrids ist die extremste, aber auch Polens Regierung plädiert etwa dafür, dass es Eltern und Erziehungsberechtigten ermöglicht werden sollte, geschützte Kommunikation ihrer Kinder zu entschlüsseln. Auch Gerichte sollten eine Entschlüsselung anordnen können. Deutschland dagegen bezeichnet in dem Dokument vom 12. April 2023 Versuche zur Aufweichung von Verschlüsselung als nicht akzeptabel.

Das von Wired publizierte Dokument stammt aus der Arbeitsgruppe für Strafverfolgung und enthält Eingaben von insgesamt 20 Regierungen. Verfasst wurde es am 12. April, also vor etwas mehr als einem Monat. Deutlich wird, wie weit die Positionen der EU-Mitgliedstaaten zu dem Zeitpunkt noch auseinander lagen. So heißt es etwa aus den Niederlanden, dass eine Verpflichtung zur Entschlüsselung von Informationen "weder wünschenswert noch nötig" sei, damit Provider all ihren Verpflichtungen nachkommen können. Inhalte könnten direkt auf den Geräten geprüft werden. Finnland und Estland etwa weisen auf die Gefahren für vertrauliche Kommunikation hin und äußern deutliche Zweifel an den Plänen.

Dem widerspricht aber nicht nur Spanien. Wörtlich heißt es aus Madrid, "es wäre wünschenswert, wenn Diensteanbietern aus der EU auf dem Gesetzesweg untersagt würde, Ende-zu-Ende-Verschlüsselung anzubieten". Polen versichert derweil, dass es die Schwächung von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung vermeiden wolle, aber der Schutz solle nicht absolut sein. Unter bestimmten Umständen sollte es möglich sein, derart abgesicherte Kommunikation einzusehen. Dass das eben doch eine Schwächung wäre, dazu steht in der Eingabe nichts. Aus Zypern heißt es derweil, für effektive Ermittlung bei Missbrauchsdelikten sei ein Zugriff von Strafverfolgungsbehörden auf verschlüsselte Kommunikation nötig.

Deutschland besteht derweil darauf, dass fundamentale Rechte in Bezug auf Vertraulichkeit und Privatsphäre durch die geplanten Regelungen nicht aufgegeben werden dürften. Man habe noch "ernsthafte Bedenken" angesichts der vorgelegten Pläne. Ein hohes Maß an Datenschutz und Cybersicherheit sei "grundlegend". Deshalb sei es unter anderem wichtig, festzuhalten, dass keine Technologien genutzt werden sollen, um Verschlüsselung zu stören, zu schwächen, zu umgehen oder zu modifizieren. Der vorgelegte Text müsse deshalb geändert werden, bevor die Bundesregierung ihn akzeptieren könne. Es folgen mehrere Fragen zu Unklarheiten und Hinweise auf Teile des Vorschlags, die mit deutschen Gesetzen in Konflikt stünden.

Die Eingaben der Regierungen beziehen sich auf die Pläne zur sogenannten Chatkontrolle. Unter diesem Begriff werden Pläne der EU-Kommission für den Kampf gegen sexuellen Kindesmissbrauch zusammengefasst. Diensteanbietern soll dafür eine Pflicht auferlegt werden, die private Kommunikation ihrer Nutzer nach auffälligen Mustern mit technischen Hilfsmitteln und möglicherweise über das Aushebeln von Verschlüsselung zu durchsuchen. Das dürfte auch Chats in verschlüsselten Messengern wie WhatsApp, Signal oder Threema treffen. Über Deutschlands Haltung hatte es monatelang Streit gegeben, dann hatte die Bundesinnenministerin ihre Blockade einer klaren Haltung aufgegeben. Seitdem ist die Regierung geschlossen gegen das Durchleuchten privater Kommunikation.

(mho)