Klimawandel: 2100 könnte es für zwei Milliarden Menschen zu heiß werden

Sollte die Erderwärmung die aktuell vorhergesagten Ausmaße erreichen, werden bis zum Ende des Jahrhunderts Milliarden in Gebieten mit gefährlicher Hitze leben.

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Weltkarte mit markierten Gebieten in Afrikae und Asien, in denen es 2100 zu heiß sein wird.

Vor allem um den Äquator würde es laut aktuellen Prognosen 2100 zu heiß für Menschen.

(Bild: University of Exeter)

Lesezeit: 4 Min.

Bleibt es bis zum Ende des Jahrhunderts bei der gegenwärtig angenommenen Klimaerwärmung, dürften nach Angaben von Wissenschaftlern bis dahin rund ein Fünftel der Menschheit gefährlicher Hitze ausgesetzt sein. Sie würden außerhalb der Klimanische leben, in der sich aktuell noch fast die komplette Menschheit befindet, schreibt ein Forschungsteam der Universität Exeter unter Grundlage neuer Berechnungen. Zu heiß ist es demnach, wenn die mittleren Temperaturen bei 29 Grad Celsius oder höher liegen. Gegenwärtig leben demnach etwa 60 Millionen Menschen in Gebieten mit solchen Temperaturen, 2100 wären es demnach dann zwei Milliarden – fast die Hälfte davon in Indien und Nigeria.

Wie die Forschungsgruppe um Timothy Lenton von der Universität Exeter erläutert, widmet sich die Studie der sogenannten Klimanische. Dabei handelt es sich um jene Regionen der Welt, in denen die Menschheit in der Vergangenheit und bis heute bevorzugt gelebt hat. Demnach hat die Bevölkerungsdichte historisch zuerst in Regionen Höchststände erreicht, in denen Durchschnittstemperaturen von etwa 13 Grad Celsius geherrscht haben, später sei ein zweiter Gipfel in Monsungebieten erreicht worden, wo im Schnitt 27 Grad Celsius erreicht wurden. Bei niedrigeren und höheren Temperaturen steige die Sterblichkeit, woraus das Konzept der Klimanische entstanden sei.

Habe in der Vergangenheit der Großteil der Menschheit in Regionen mit einer mittleren Temperatur von 13 Grad Celsius gelebt, habe sich dieser Wert inzwischen nach oben verschoben. Zum Vergleich, in Deutschland lag die Mitteltemperatur zuletzt bei 10,5 Grad Celsius, 2,7 Grad mehr als zwischen 1881 und 1910. Während aktuell bereits 60 Millionen Menschen in Gegenden mit im Mittel mehr als 29 Grad Celsius leben, steige die Zahl ab einer Erderwärmung um 1,2 Grad Celsius rapide an. Das ist leicht über dem bereits erreichten Wert, in den kommenden Jahren dürfte der übertroffen werden. Außerhalb der "Klimanische" leben demnach aber bereits 600 Millionen Menschen.

Die Forschungsgruppe schreibt weiter, dass bei einer Begrenzung der globalen Klimaerwärmung auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau "lediglich" 5 Prozent der Menschheit gefährlicher Hitze ausgesetzt wären. Sollte das Pariser Klimaabkommen noch eingehalten werden, könnte man dieses Schicksal also einem Sechstel der Menschheit ersparen. Denn das Team ist von einer Erwärmung um 2,7 Grad Celsius ausgegangen, die werde aktuell prognostiziert. In dem Fall würde es Staaten wie Mali und Burkina Faso geben, die vollständig zu heiß wären, besonders große Gebiete mit übermäßiger Hitze würde es in Brasilien, Australien und Indien geben.

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Expertinnen und Experten loben das in der Studie angewandte Konzept der "Klimanische" als nützlich, um die Auswirkungen des Klimawandels zu illustrieren. Die Studie zeige auch, dass "Bemühungen zur Begrenzung der Erwärmung das menschliche Leid erheblich verringern können", meint etwa Richard Klein vom Stockholm Environment Institute gegenüber dem Science Media Center. Es blieben aber auch wichtige Punkte in der im Fachmagazin Nature Sustainability erschienen Arbeit außen vor. So sei eine Anpassung an zu hohe Temperaturen technisch immer möglich, aber in den betroffenen Ländern sei das vor allem aus finanziellen Gründen zumeist keine Option.

Bei der Frage der klimawandelbedingten Migration sollte die Studie nicht zur Panikmache führen, meint Klein. Die meisten Klimaflüchtlinge würden innerhalb eines Landes oder in Nachbarländer umziehen. Es werde aber immer wichtiger, Menschen vor Ort zu unterstützen und die Erderwärmung zu begrenzen. Auch die Geographin Lisa Schipper von der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn warnt davor, die Studie dahingehend zu interpretieren, dass der Klimawandel eine Massenflucht auslösen wird. Man dürfe die finanzielle Hilfe für betroffene Gebiete nicht einstellen, müsse aber dabei helfen, wenn Menschen sich in Sicherheit bringen.

(mho)