Kleine Kameras zu großen Preisen – die Fotonews der Woche 21/2023

Fuji, Canon, Leica und Sony bringen neue Geräte auf den Markt, die unterschiedlicher nicht sein können. An allen Vieren zeigen sich die verfestigten Trends.

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Jan Keno-Janssen in einem von KI generierten Frack neben dem echten Eifelturm.

Kollege Keno hatte hier keinen Frack an, den hat ihm Adobes KI angezogen.

(Bild: Heise Online)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Nico Ernst
Inhaltsverzeichnis

Bilder machen sie alle – aber was eine "richtige" Kamera ist, darüber wird seit der Erfindung des Lichtbildes mit Leidenschaft gestritten. Natürlich kann man diese Diskussionen auch immer über den Preis führen, aktuell: Lieber eine Leica Q3, oder für den gleichen Betrag acht Canon R100 inklusive Objektiv und Speicherkarten? Und freilich ist dieser Vergleich nicht fair, die Leica ist ein Nobelgerät mit ganz bestimmten Stärken und Schwächen in feinster Verarbeitung. Die Canon hingegen stellt ein echtes Billiggerät mit viel Plastik dar.

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Das kann man ohne großes Risiko auch dem Nachwuchs geben, falls der mal die Arbeit mit Zeit und Blende lernen will, eben Fotografieren, und nicht nur Knipsen mit dem Handy. Es kommt eben auf den Einsatzzweck an, und da macht Canon eines der Dinge, die das Unternehmen lange Zeit zum Stückzahlenweltmeister gemacht haben: genau auf den Zweck zugeschnittene Modelle. Auch in der analogen Ära gab es von Canon immer schon echte Einsteigerkameras mit reduziertem Funktionsumfang, und ein solches Gerät ist auch die R100. Gerade für den fotointeressierten Nachwuchs fehlen hier aber zwei Funktionen: Das Display ist kein Touchscreen, und lässt sich auch nicht ausklappen. Selfies sind damit nicht so einfach wie mit dem Smartphone möglich.

Dafür gibt es aber einen Sucher, und das ist das Element, das andere Hersteller bei ihren Einstiegsgeräten oft zugunsten eines klappbaren Touchscreens weglassen. Die R100 ist somit nicht nur günstig, sondern sogar ein Spezialist, denn "richtiges" Fotografieren mit der Kamera direkt vor dem Auge lässt sich so erlernen. Gerade günstige Kameras werden aber immer mehr auch fürs Vlogging eingesetzt, oder allgemein die Produktion von Webvideos.

Dieses Feld beackert Sony schon seit einigen Jahren mit Kameras, die genau dafür gedacht sind. Das Selfie, auch als Video, aus der Hand wird dabei immer wichtiger, daher besitzt die neue ZV-1 II (gesprochen: Mark Two) auch ein 18-50mm-Objektiv statt 28-70mm bei der ersten Version. Wer das wirklich braucht, ist wohl bereit, den Aufpreis von 999 statt vorher 799 Euro zu bezahlen – und blickt dann vielleicht verdutzt auf den Rest der technischen Daten. Da hat sich nämlich außer beim Objektiv kaum etwas getan, und die Optik ist mit einem Blendenbereich von f/1.8 bis f/4.0 lichtschwächer als der Vorgänger mit f/1.8 bis f/2.8. Wieder einmal ist hier die neue Kamera zwar teurer, aber nicht unbedingt besser als die alte.

Von der Fujifilm X-S20 lässt sich das so eindeutig nicht behaupten, immerhin legt sie mit dem Bildprozessor X5 an Tempo und Funktion deutlich zu. Der KI-Autofokus soll fast dem der X-H2S entsprechen, und eine Bildserie von 35 unkomprimierten Raw-Aufnahmen ist in dieser Klasse auch eine Ansage.

Wobei: Die Klasse der kompakten Kameras unter 1.000 Euro hat Fuji mit dem Nachfolger X-S10 verlassen, die S20 kostet jetzt 1.400 Euro. Das scheint aber gerechtfertigt, wenn es auch ums Filmen geht. Fujifilm reizt den 26-Megapixel-Sensor mit Auflösungen bis 6,2K voll aus und erreicht bei 4K 60 Bilder pro Sekunde im Farbformat 4:2:2 und 10 Bit Farbtiefe. Das schafft kaum eine andere, so kleine Systemkamera.

Die 6,2K sind im Übrigen für nachträgliche Zooms in der Bearbeitung recht nützlich. Dieses Stilmittel ist in Social Media heute allgegenwärtig, beispielsweise um mehr Dramatik bei einer Aussage eines Moderators zu erzeugen. Einen anderen Trend macht Fuji zum Glück nicht mit, nämlich den der immer teureren Kit-Objektive. Der Aufpreis gegenüber dem Body zum Kit mit dem Objektiv XC 15-45mm F3.5-5.6 beträgt nur 100 Euro.

Dass man an der Preisschraube nicht endlos drehen kann – nach fest kommt bekanntlich ab – hat sogar Leica jetzt bemerkt. Während viele andere Hersteller sich auf anhaltende Bauteilknappheit oder Inflation für Preissteigerungen herausreden, kann man in Wetzlar eigentlich völlig frei kalkulieren. Da ist es durchaus bemerkenswert, dass die Leica Q3 nur rund 350 Euro teurer als die Q2 ist. Wohlgemerkt, ausgehend am aktuellen Preis der Q2, denn die kam für 4.800 Euro auf den Markt. Das war allerdings vor vier Jahren, und seitdem hat sich die Welt nicht nur bei Fotografie stark verändert.

Für den höheren Preis bietet Leica alles auf, was auch seine großen Kameras beherrschen: 60-Megapixel-Sensor mit Phasendetektions-Autofokus, Akkuladen per USB-C, Cine4K und eine bessere App-Anbindung sind nur die Highlights. Als Kultmarke, die nicht nur wegen guter Technik gekauft wird, muss Leica jedoch auch nicht jeden Trend mitmachen.

So verfügt die Q3 nicht über das allgegenwärtige Klappdisplay. Das kann man als Understatement werten, oder auch ziemlich dämlich finden, denn: Gerade die Q-Serie ist für Street Photography beliebt, und da wäre ein Selbstbildnis mit der vom Smartphone oder Vlogging-Kamera gewohnten Funktionalität wirklich praktisch. Wie schon letzte Woche bemerkt: Auch Profi-Equipment wie manche filmtaugliche Kamera hat inzwischen ein Klappdisplay.

Vier neue Kameras in einer Woche waren das bisher, eine Seltenheit in der Branche. Der Zeitpunkt ist jedoch nicht verwunderlich, denn jetzt werden die Kameras für den Sommerurlaub in der westlichen Welt verkauft. Frühling ist Kamerasaison. Da muss dann auch die Software passen, doch daran dürfte es nicht liegen, dass Adobe jetzt seine KI namens Firefly für die Beta-Versionen von Photoshop und Premiere freigeschaltet hat: Der Druck durch Konkurrenz wie Midjourney und Dall-E ist schlicht enorm.

Zwar kann Firefly generierte Bilder von Menschen noch lange nicht so gut wie andere Systeme erstellen, eines ist aber klar: Insbesondere bei Photoshop wird sich der "Arbeitsalltag immens verändern", wie der YouTube-Kanal c´t 3003 aus unserem Verlag analysiert. Daher ist das Video zur Adobe-KI mit zahlreichen Praxisbeispielen auch statt einem Long Read unsere Empfehlung fürs Wochenende. Noch ein Teaser: Auch die Fragen von Urheberrecht und kommerzieller Nutzung hat Adobe berücksichtigt. Mal sehen, wie darauf der Rest der KI-Branche reagiert.

(nie)