Linux und BSD: Weston 12 unterstützt mehrere Grafikchips​

Was das Display-Server-Protokoll Wayland (neues) kann, zeigt als API-Referenz stets der hauseigene Compositor Weston, der jetzt den Sprung auf Version 12 macht.

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(Bild: Wayland / Screenshot Heise Online)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • David Wolski
Inhaltsverzeichnis

Acht Monate nach der letzten Hauptversion haben die Entwickler von Wayland die Versionsserie 12 des Compositors Weston vorgelegt. Weston ist die Wayland-Referenz-Implementierung und demonstriert die Fähigkeiten des Protokolls für grafische Oberflächen von Linux-Systemen und BSD-Varianten. Im Gegensatz zu ausgewachsenen Arbeitsumgebungen wie Gnome, KDE Plasma, Sway und dem Windows Subsystem for Linux GUI (WSLg) liefert Weston nur ein kleines Set an Werkzeugen. Diese dienen der praktischen Veranschaulichung der wachsenden Dokumentation und der hinzugewonnenen Fähigkeiten von Weston und Wayland.

Die bemerkenswerten Neuerungen von Weston 12 und dem Protokoll Wayland, das inzwischen unter der Ägide von freedesktop.org und Collabora steht, sind zwei neue Backends für Ein- und Ausgaben. Weston unterstützt bei der Grafikausgabe per Direct Rendering Manager (hier: DRM) mehrere Grafikchips, was der simultanen Anzeige auf unterschiedlichen angeschlossenen Geräten dient. Das Protokoll beherrscht jetzt zudem die gestückelte Skalierung auf Embedded-Geräten auch über die Ausgabeschnittstelle EGL. Es gibt ein neues Screenshot-Protokoll und die Farbverwaltung, die andere Open-Source-Projekte wie Blender schon länger ersehnen, kann mit höherer Präzision bei Farbtransformierungen über das Plugin LCMS (Little Color Management System) aufwarten.

Die Version 12 liefert auch wieder zwei API-Änderungen ohne Abwärtskompatibilität: So ist die Benutzer-Authentifizierung in die allgemeinere Bibliothek libweston gewandert. Für In-Car-Entertainment-Systeme über die IVI-Shell, einst von Samsung als API über Tizen etabliert, gibt es vereinfachte API-Calls. Ein Hinweis darauf, wie die wechselnden Köpfe hinter dem Wayland-Protokoll auch 14 Jahre nach seiner ersten stabilen Fassung noch an grundlegenden Funktionen feilen, um dem breiteren Interesse aus der Industrie gerecht zu werden.

Als Referenz liefern die Wayland-Entwickler Weston als Compositors. In einer Desktop-Umgebung übernimmt jeweils dessen Compositor dessen Rolle, beispielsweise Mutter (Gnome) und Kwin (KDE Plasma).

(Bild: Shmuel Csaba Otto Traian, Creative Commons CC BY-SA 3.0)

Ein Blick auf die Release Notes von Weston Version 12 zeigt, dass die großen, dort hervorgehobenen Neuerungen in den Backends liegen, an welchen sich ein Grafik-Stack zur Anzeige auf Monitoren, Beamern oder auch Netzwerk-Protokolle anklemmen soll. So gibt es ein VNC-Backend für Remote-Desktop-Verbindungen, das ähnlich zum vorhandenen RDP-Protokoll funktioniert. Der zweite neue Output ist eine Schnittstelle zu Pipewire, das schrittweise in Linux-Distributionen als Drop-in-Ersatz für PulseAudio ankommt. Wichtig ist diese direkte Schnittstelle vor allem für die Entwickler von Pipewire und für Embedded-Systeme, wo Ressourcen knapp und Entwicklungsgeschwindigkeiten recht flott sind.

Die meisten Ergänzungen hat die eigene DRM-Schnittstelle in Wayland erhalten, die Weston 12 nun anbietet. Sie ist eine der Schnittstellen zur Grafikausgabe, die Weston selbst über das Wayland-Protokoll und mit entsprechenden System-Treibern ansteuern kann. Der Weston-Compositor kann nun mehrere Grafikchips über deren hardwarenahen Treiber ansteuern, unterstützt HDMI-Inhaltstypen und arbeitet mit einer vorgegebenen Rotation für die Grafikausgabe auf Bildschirme. Für die Identifizierung von Bildschirmen und deren Fähigkeiten liefert jetzt die Bibliothek libdisplay-info die passenden Parameter aus den ermittelten EDID-Strings.

Wer Weston 12.x mit Wayland-Bibliotheken selbst testen will, oder eine zähmbare Entwicklungsumgebung sucht, ist aktuell mit Arch Linux am besten bedient. Neben dem Compositor liefert das Arch-Linux-Paket zu Weston einige Demo-Tools für das Terminal. Für das neue Pipewire-Backend bleibt es noch den Teams hinter den größeren Desktop-Umgebungen überlassen, passende Tools bereitzustellen. Für Pipewire wird dies ein Meilenstein sein, weil das Rahmenwerk ursprünglich nicht als Sound-Server, sondern als "Pulseaudio für Videostreams" an den Start gegangen ist. Wer mit dem WSL2 und GUI (WSLg) unter Microsoft Windows Linux-Programme ausführen will, wird mit später verfügbaren Windows-Updates seitens Microsoft ebenfalls bald über Weston 12 verfügen. Die kompletten Release Notes zum Compositor, der inzwischen bereits einen kleineren Bugfix auf Version 12.0.1 erhalten hat, finden sich wie immer auf freedesktop.org. Weston 11 erschien Ende September 2022.

(jvo)