Kernel-Log: Langzeit-Pflege für 2.6.32, util-linux-ng erweitert

Der aktuelle Kernel 2.6.32 soll im Rahmen der Stable-Series zwei bis drei Jahre gewartet werden – die Pflege von 2.6.27 wird aber wohl bald eingestellt oder deutlich zurückgefahren. Die Werkzeug-Sammlung util-linux-ng richtet jetzt Partitionen optimal aus und enthält drei zusätzliche Programme. Der X-Server lässt sich in Zukunft flexibler konfigurieren und kommt ohne HAL aus.

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Von
  • Thorsten Leemhuis
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Kurz nach der Veröffentlichung der drei neuen Stable-Kernel 2.6.27.44, 2.6.31.12 und 2.6.32.4 hat Greg Kroah-Hartman die weiteren Planungen für die von ihm mitbetreuten Kernel der Stable-Series in einer Mail an die LKML dargelegt.

Die 2.6.27er-Serie als derzeitiges "long-term stable release" will er auch in naher Zukunft weiter warten. Er warnt die Anwender von 27er-Kerneln jedoch, dass diese Versionsreihe ihre Daseinsberechtigung mit zunehmenden Alter verliere ("But, I do have to warn users of this tree, the older it gets, the less viable it becomes."). In den zwei Jahren seit der Veröffentlichung von 2.6.27 hätte sich Linux zudem stark verändert, was die Portierung von Korrekturen für neuere Kernel auf 2.6.27 mehr und mehr erschwere.

Kroah-Hartman will die 27er-Reihe zwar noch mindestens sechs bis acht Monate weiter pflegen, weiß aber nicht, ob er sie auch danach noch am Leben erhalten mag ("I'll probably keep maintaining it for at least 6-8 more months, but after that, I can not guarantee it's viability."). Allerdings erwägt Willy Tarreau, der derzeitige Betreuer der 2.4er-Serie, die Betreuung von Linux 2.6.27 an diesem Punkt zu übernehmen; er will dann aber nur noch kritische Fehler korrigieren.

Nachdem 2.6.28, 2.6.29 und 2.6.30 schon länger nicht mehr gepflegt werden, soll die jetzt veröffentlichte Version 2.6.31.12 das Ende von Linux 2.6.31 markieren – Greg Kroah-Hartman rät allen Anwendern dieser Serie daher nachdrücklich zum Umstieg auf den aktuellen Kernel 2.6.32.

Linux 2.6.32 soll die 2.6.27er-Kernel als "long-term stable release" beerben, denn mindestens zwei Distributoren würden nach Information von Kroah-Hartman bei länger gepflegten "Enterprise-"Distributionen auf Linux 2.6.32 setzen. Kroah-Hartman hofft, den Kernel 2.6.32 zwei bis drei Jahre pflegen zu können, merkt aber an, dass er dabei auf Unterstützung durch die Distributoren angewiesen sei: Wenn die fehle, habe er auch kein Problem damit, die Pflege dieser Serie einzustellen.

Wie so häufig rieten die Betreuer der Stable-Series in den Freigabe-Mails zu den neuen, oben bereits genannten Stable-Kerneln nachdrücklich zum Wechsel auf die aktuelle Version, ohne zu erwähnen, ob sich unter den Fehlerkorrekturen und Detailverbesserungen auch solche finden, die Sicherheitslücken beseitigen. Die neuen 31er- und 32er-Versionen korrigieren aber mindestens das als CVE-2010-0006 geführte Problem, das einigen Distributionen die Veröffentlichung eines Kernel-Updates wert ist.

Die Entwicklung von Linux 2.6.33 schreitet derweil voran. Die neuste Vorabversion ist 2.6.33-rc4 – dem grob wöchentlichen Erscheinungsrhythmus folgend dürfte Torvalds in Kürze den RC5 veröffentlichen. Geht es im üblichen Tempo weiter, dürfte 2.6.33 Ende Februar oder Anfang März erscheinen. Auch bei der Stable-Series steht nicht still, denn 2.6.32.5 befindet sich bereits in Vorbereitung und dürfte am Wochenende erscheinen.

Karel Zak hat kürzlich die Version 2.17 der bei allen größeren Linux-Distributionen eingesetzten Werkzeug-Sammlung util-linux-ng freigegeben. Zu ihre gehört unter anderem das Programm fdisk, das nun versucht, neue Partitionen an Sektor- oder Chunk-Size-Grenzen auszurichten – das ist insbesondere für optimale Performance bei RAIDs-Arrays und den in Kürze erwarteten Festplatten mit einer physischen Sektorgröße von 4 Kbyte wichtig, damit nicht mehr Daten gelesen oder geschrieben werden müssen als nötig. Die Entwickler diskutieren allerdings bereits weitere Änderungen in diesem Bereich und erwägen, Partitionen ähnlich wie Windows Vista oder 7 Standardmäßig an Megabyte-Grenzen auszurichten.

Die Programmsammlung wurde zudem um drei Kommandozeilen-Tools erweitert. Über "fallocate" lässt sich bei Dateisystemen mit Fallocate-Unterstützung ein zur Speicherung von Daten vorgesehener Bereich vorab reservieren, damit die Daten nach dem Schreiben möglichst zusammenhängend im Dateisystem liegen. Das neue "wipefs" entfernt Dateisystem- und RAID-Signaturen, damit die bei einer späteren Nutzung des Datenträgers nicht stören. Über "unshare" lassen sich Dateisysteme einhängen, sodass sie nur im Kontext (Namespace) der jeweiligen Shell sichtbar sind – ein Einsatzbeispiel liefert Zak in seinem Blog.

Bereits zum Jahreswechsel haben die Entwickler von X.org die Grafiktreiber xf86-video-vmware 10.16.9 und xf86-video-vesa 2.3.0 freigegeben.Wenig später veröffentlichte Intel die Version 2.10.0 des X.org-Treibers xf86-video-intel. Es ist die erste Version, die einen Kernel mit KMS-Unterstützung voraussetzt. Die Entwickler empfehlen mindestens Linux 2.6.32. Mit 2.6.33 oder einem Patch für 2.6.32 soll der Treiber nun auch Unterstützung für Video Overlays bieten; außerdem wollen die Entwickler einige Performance-Probleme ausgeräumt haben. Der neue Treiber ist auch Bestandteil des mittlerweile erschienenen "Intel 2009Q4 release", das zum Treiber passende Versionen von Mesa und Libdrm referenziert.

Dave Airlie gab diesen Monat die erste Version des im Rahmen von X.org entwickelten Grafiktreibers xf86-video-qxl (kurz: QXL) frei, der die virtuelle GPU des unter anderem in Red Hat Enterprise Linux eingesetzten Virtualisierungsprotokoll Spice unterstützt.

Kernel

Kernel-Umland ("Plumbing layer") und Userland-Treiber

  • Lennart Poettering hat das Programm udev-browse vorgestellt, das das normalerweise unter /sys eingehängte Sysfs grafisch aufbereitet darstellt und dem Anwender komplexe Aufrufe von "udevadm info" abnimmt.
  • Clark Williams hat die Version 0.6.0 der vor allem im Realtime-Umfeld genutzten Testsammlung rt-tests veröffentlicht.
  • Bereits an Weihnachten hat Stephen Hemminger die Version 2.6.32 des Netzwerktool-Sammlung iproute veröffentlicht, die Linux 2.6.32 besser unterstützt als frühere Version von iproute.

Grafik

  • Die Entwickler von Nouveau haben aus den Quellen des Treibers für X.org zahlreiche Codeabschnitte entfernt, die für den Betrieb ohne Kernel-based Mode-Setting (KMS) zuständig waren. Zukünftig ist der Treiber daher auf einen Kernel mit Nouveau-KMS-Unterstützung angewiesen.
  • Die X-Entwickler haben einige maßgeblich von Dan Nicholson und Julien Cristau entwickelte Änderungen in den Entwicklerzweig aufgenommen, die den Hot-Plug- und Konfigurationscode erheblich verändern. Dadurch greift der X-Server 1.8 nun statt über HAL direkt auf Udev zu. Wie die derzeitigen Versionen des X-Servers soll auch 1.8 ohne Konfigurationsdatei arbeiten können – wenn es aber doch etwas manuell zu konfigurieren gibt, kann sich der X-Server die Konfiguration nun aus einzelnen, in /etc/X11/xorg.conf.d/ gespeicherten Dateien zusammensetzen. Hintergründe zu diesen und weiteren Änderungen liefert Peter Hutterer in einem Blog-Eintrag.

Weitere Hintergründe und Informationen rund um Entwicklungen im Linux-Kernel und dessen Umfeld finden sich in den vorangegangenen Kernel-Logs auf heise open. Neue Ausgaben des Kernel-Logs werden auf den Identi.ca- und Twitter-Konten "@kernellog" erwähnt; die englischen, bei den Kollegen von "The H" erscheinenden Übersetzungen auf den Identi.ca- und Twitter-Konten "@kernellog2". Der Autor des Kernel-Logs zwitschert unabhängig davon über einige Kernel-Log-Themen bei Identi.ca und Twitter als "@kernellogauthor". (thl) (thl)