Prozessorgeflüster

Na bitte, geht doch: With a little help from a friend fuhr AMD nach zwölf verlustreichen Quartalen endlich wieder einen Gewinn in Höhe von 1,18 Milliarden US-Dollar ein. Auch sonst sieht es in der Szene etwas rosiger aus, wiewohl der ein oder andere noch mit Problemen ringt.

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Von
  • Andreas Stiller

Vor lauter Freude über die guten Zahlen brachte AMD kurz nach deren Bekanntgabe gleich fünf neue Desktop-CPUs heraus (s. S. 20). Schade für AMD, dass die in dieses Quartal eingeflossenen 1,25 Milliarden von Intel nur eine Einmalzahlung waren und nicht regelmäßig das Budget aufbessern. In Intels Bilanz fällt die kleine, freiwillige Ausgleichszahlung offenbar kaum ins Gewicht, verblieb doch nichtsdestotrotz ein Traumabschluss von 2,3 Giga-Dollar bei 10,6 Giga-Dollar Umsatz.

Damit macht Intel als Signalgeber der ganzen Branche deutlich, dass die Krise wohl überwunden zu sein scheint. Apple, IBM, Google, Texas Instruments und andere Protagonisten der Szene untermauern mit ihren kräftigen Gewinnen diesen Aufwärtstrend.

Das Microprocessor Technology Research Center entwickelt den Loongson-3.

Und nach oben weisen auch die Zahlen, die das Marktforschungsinstitut IDC vorlegte: Nie zuvor wurden demnach so viele Mikroprozessoren verkauft wie im vierten Quartal letzten Jahres. Um 31,3 Prozent schnellte die Stückzahl gegenüber 2008 hoch. Intel hat dabei im vierten Quartal wieder etwas Marktanteil von 81,1 auf 80,5 Prozent an den Konkurrenten AMD verloren, der von 18,7 auf 19,4 Prozent zulegte. Fast keine Rolle mehr spielen VIA-Prozessoren, die auf 0,2 Prozent zurückgefallen sind.

Unter den Gewinnern ist auch der koreanische DRAM-Hersteller Hynix, der seinen Umsatz um 32 Prozent steigern und über 400 Millionen US-Dollar Gewinn erwirtschaften konnte. Offenbar geht wieder was im DRAM-Geschäft – vielleicht sollte man sogar das Qimonda-Werk in Dresden wiederbeleben, statt die restlichen Anlagen zu verhökern: Drei Viertel der Maschinen sind noch da. Nachbar Globalfoundries rüstet jedenfalls auf, CEO Grose will 900 Millionen Euro – just so viel wie AMD von Intel bekommen hat – in diesem Jahr in seine Dresdener Werke investieren. Zudem hat Hauptinvestor Mubadala aus Abu Dhabi die zugekauften Werke von Chartered in Singapur mit Globalfoundries verschmolzen. Mubadalas Tochterfirma ATIC, die bislang rund 65 Prozent an Globalfoundries hält, will die Dresdener Werke nach der Einigung mit Intel ganz übernehmen – der Antrag liegt schon beim Bundeskartellamt.

Die Amtskollegen von der europäischen Wettbewerbsbehörde haben unterdessen die Übernahme von Sun durch Oracle gebilligt. „So long, old friend“ – mit diesen Worten unter dem Bild eines Sun-Grabsteins kommentierte Java-Schöpfer James Gosling den endgültigen Abschied.

Was Oracle mit der Serversparte weiter vorhat, war bis Redaktionsschluss noch unklar, ebenso wie der Verbleib von Jonathan Schwartz auf dem Thron des Sonnenkönigs. Auf dem Markt hält Sun laut IDC mit 9,5 Prozent Marktanteil noch die vierte Position hinter IBM und HP (beide mit je rund 30 Prozent) sowie nach Dell mit 13,5 Prozent.

Die Sun-Konkurrenz legt aber jetzt mächtig weiter vor: IBM wird zur International Solid-State Circuit Conference (ISSCC) im Februar den Serverprozessor Power 7 offiziell herausbringen. Intel und AMD wollen etwas später, im März, mit ihren Vielkernen Nehalem-EX hier und Magny-Cours dort auftrumpfen. Und der Tukwila-Itanium soll ja irgendwann auch noch ins Servergeschehen eingreifen – wohl aber viel zu spät, in seinem Umfeld bröckelt es immer mehr. Mittlerweile sorgen zwar Itanium-Server für ähnlich viel Umsatz wie SPARC-Maschinen, doch CERN, eine der „Leuchtturm-Instanzen“ für die Itanium-Architektur, stellt das Scientific Linux CERN ia64 mangels Interesse Ende März ein.

Vielleicht wird eine alte Architektur für große Server oder Supercomputer wiederkommen: MIPS. Zwar ist SiCortex erst im vorigen Jahr mit dieser Idee gescheitert und SGI gehört längst zu Rackable, aber das Institute of Computing Technology (ICT) der chinesischen Akademie der Wissenschaften (CAS) will den Loongson-3 alias Godson-3 mit bis zu 16 MIPS64-Kernen in den Ring werfen. Der gemeinsam mit STMicroelectronics (als Schmiede) entwickelte 65-nm-Chip soll den nächsten Dawning-6000-Supercomputer über die Petaflops-Marke hieven. Loongson-3 kann auch x86-Code verarbeiten und ein Coprozessor soll insbesondere die Leistung im Linpack-Benchmark optimieren.

Reichlich Bewegung gab es in den letzten Tagen an der Patentfront. Die Liste neuer Klagen ist schier endlos: Kodak gegen Apple, Motorola gegen Blackberry, Microsoft gegen TiVo, Infineon gegen Volterra, Richtek gegen AMD, Toshiba gegen Wistron … Zudem eskaliert der Streit zwischen Nokia und Apple weiter – Apple will jetzt ein Importverbot in die USA für Nokia-Handys bewirken.

Aus dem Patent-Gezänk stechen neue Rambus-Siege heraus. Das kleine Entwicklungshaus mit großer Rechtsabteilung hat sich mit dem weltweit zweitgrößten Halbleiterhersteller Samsung arrangiert und streicht 900 Millionen US-Dollar für eine unbefristete DRAM-Patentlizenz ein. In der Klage gegen Nvidia vor der International Trade Commission der USA hat diese zwar zwei Punkte abgewiesen, aber Verletzungen bei drei Patenten festgestellt. Nun droht Nvidia ein Einfuhrverbot für Grafikkarten in die USA. Nvidia sieht das natürlich anders, will in die Berufung gehen und verweist unter anderem auf eine noch andauernde Untersuchung des US-Patentbüros.

Nvidia steht aber zurzeit nicht nur unter juristischem Druck. Während der Termin des DirectX-11-kompatiblen GeForce-Chips alias Fermi immer weiter nach hinten rutscht und sein Strombedarf angeblich wächst, speist Konkurrent AMD gnadenlos eine neue DirectX-11-GPU nach der anderen in den Markt.

Die Lieferengpässe sind passé, wie der Chef der Chipschmiede TSMC beteuert: Der 40-nm-Prozess, in dem auch Radeons gefertigt werden, habe die Startschwierigkeiten überwunden. Auch Nvidia will diese TSMC-Technik für zukünftige Fermi-Chips nutzen. Nvidias „Lieblingsjournalist“ Charlie Demerjian von semiaccurate.com berichtet jedoch, dass das jüngste Fermi-A3-Stepping die Erwartungen nicht erfülle und mit geringeren Taktfrequenzen laufe als geplant.

Zudem können nach seinen Informationen die kleineren und erheblich kostengünstigeren Radeons Tessellation in Hardware ausführen, wogegen Nvidias GF100 diesen von DirectX 11 geforderten Fliesenlegerjob weitgehend per Software in den Shadern ausführen muss. Schwere Zeiten also für Nvidia – und eine CPU (außer Tegra) zur Integration mit dem Grafikprozessor, so wie AMD mit Fusion, hat man auch nicht, jedenfalls noch nicht. (as)