Gesundheitsgefahren für Menschen durch Radioaktivität von Manganknollen

Manganknollen vom Meeresboden gefährden die Gesundheit. Forscher untersuchten die Auswirkungen der Radioaktivität. Doch wie baut man die Knollen sicher ab?

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Manganknolle auf dem Meeresboden.

(Bild: Abramax / Wikipedia / cc-by-sa-3.0)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Hanns-J. Neubert
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Meeresbergbau-Unternehmen stehen in den Startlöchern, um den immensen Schatz an Buntmetallen zu heben, der in 4000 bis 6000 Metern Tiefe in Form von Manganknollen auf den Böden der Ozeane lagert. Die kartoffel- bis kohlgroßen Gebilde reicherten über Jahrmillionen Metalle an, wie Kupfer, Kobalt, Mangan, Nickel und Molybdän. Sie wachsen mit nur wenigen Millimeter pro Jahrmillion.

Noch ist die Ernte der Manganknollen nicht erlaubt. Aber die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) der UN in Jamaika will im kommenden Juli verbindliche Regeln erstellt haben, unter denen eine Förderung erlaubt sein soll. Darauf wartet sehnsüchtig die kanadische Metals Company, die zusammen mit dem pazifischen Inselstaat Nauru in der so genannten Clarion-Clipperton-Zone im zentralen Pazifik östlich von Hawaii mit der Förderung beginnen will.

Doch Experten warnen. Die derzeit möglichen Abbaumethoden für die Manganknollen drohen, das in Jahrmillionen entstandene Tiefsee-Ökosystem dann für weitere Millionen Jahre zu zerstören.

Nicht nur das: Auch die Gesundheit der Menschen könnte bedroht sein. Denn Manganknollen sind radioaktiv. Ihre Förderung, ihr Transport, selbst die Verarbeitung und Aufreinigung an Land, ja, sogar die Produkte, die aus den Knollenmetallen hergestellt werden, könnten zu Strahlenschäden führen.

Dass die polymetallischen Knollen, wie sie auch genannt werden, mehrere natürlich vorkommende Radioisotope der Uranreihe effizient abfangen und speichern, die beim Zerfall vorwiegend Alphastrahlung abgeben, ist nicht neu.

Manganknolle aus dem Nordwest-Pazifik.

(Bild: Jan Steffen / GEOMAR)

Nur hat sich bisher niemand darum gekümmert, was das für den gesundheitlichen Strahlenschutz bedeutet. Zwar durchdringen Alphateilchen nicht die Haut; sie sind also nicht direkt gefährlich. Jedoch sind Alphastrahler sehr energiereich und besonders dann schädlich, wenn sie durch Einatmen oder Verschlucken in den Körper gelangen. Dann werden Körperzellen selbst zu Dauerstrahlern, die das Gewebe schädigen.

Dieser Wissenslücke haben sich jetzt Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven angenommen.

Seit 2015 untersuchen Tiefseeforscher des Instituts zusammen mit über 30 anderen Instituten aus aller Welt in einem Projekt namens MiningImpact2, welche Auswirkungen der industrielle Tiefseebergbau auf die Lebensräume und Ökosysteme der Sedimente und der Wassersäule im Pazifik haben würde.

"Unsere neue Studie zur Radioaktivität von Manganknollen zeigt nun, dass sich neben den Folgen für die Meeresökosysteme auch Gesundheitsgefahren für Menschen im Zusammenhang mit der Förderung und Verarbeitung von Manganknollen, aber auch der Nutzung der daraus hergestellten Produkte ergeben können", erklärt Sabine Kasten, Professorin für Sedimentdiagenese und Projektleiterin der MiningImpact-Vorhaben am Institut.

"Wir sagen mit unserer Studie nicht wirklich etwas darüber aus, inwieweit das gefährlich ist. Wir setzen unsere gemessenen Werte einfach nur in Bezug zu den momentan geltenden Freigrenzen für Radioaktivität. Was das für die Gesundheit wirklich bedeutet, liegt außerhalb unserer Expertise", schränkt Erstautorin und Biogeochemikerin Jessica Volz die Ergebnisse ein.

Die gemessene Höhe der Radioaktivität hat die Forscher aber dann doch überrascht. So überschreitet beispielsweise die Aktivität von Radium-226 in den Knollen den in der deutschen Strahlenschutzverordnung festgelegten Grenzwert von 0,01 Becquerel pro Gramm teilweise um das Hundert- bis Tausendfache. Mitunter strahlte die Außenseite von Manganknollen sogar mit über fünf Becquerel pro Gramm.

"Das liegt daran, dass die Knollen hauptsächlich aus Manganoxid bestehen. Manganoxid ist aber einfach ein extrem starker Absorber für Radioisotope", erklärt Volz.

Dass die Außenseite besonders stark strahlt, ist nicht verwunderlich. "Dadurch, dass die Knollen extrem alt sind, überschreitet das natürlich die Halbwertszeiten der Isotope. Wir schauten uns zwar Isotope an, die relativ lange Halbwertszeiten haben, aber auch von denen war im Zentrum einer Knolle schon sehr viel zerfallen", so Volz.

Das hat auch Konsequenzen für die damit Arbeitenden, heißt es in der Untersuchung. Denn nachdem die Knollen vom Meeresboden geborgen sind, werden sie zerkleinert und oben auf dem Schiff getrocknet. Ihre Festigkeit nimmt ab und Staub vom Abrieb verteilt sich in der Luft, die die Menschen während des Betriebes einatmen. Dieser Feinstaub dürfte vor allem von der Oberfläche der Knollenfragmente stammen, wo die Aktivitäten von Thorium-230, Radium-226 und Protactinium-231 am höchsten sind.

Darüber hinaus gelangen Rückstände aus dem Schlamm des Bergbaus – eine Mischung aus Meerwasser, Sediment und feinen Knollen – als Abflussfahne in den Ozean zurück.

Eigentlich sollten die Verarbeitungsschiffe diese Spülwolke, die bis zu sieben Prozent an abgeschliffenen Knollenfragmente enthält, in größere Tiefen einleiten. Dennoch können Meeresorganismen die radioaktiven Partikel aufnehmen, die so in die Nahrungskette gelangen und schließlich vom Menschen verzehrt werden.

Im Resümee ihrer Analysen drücken sich die Autoren sehr vorsichtig aus: "Wir zeigen, dass der zu erwartende Knollenabbau die Gesundheit von Arbeitnehmern und Bevölkerung durch das wahrscheinliche Einatmen oder Verschlucken von radioaktivem Knollenstaub und von austretendem Radon-222-Gas, möglicherweise durch die Aufnahme von Alphastrahlern über die marine Nahrungskette, und möglicherweise durch deren Anreicherung bei der Metallgewinnung an Land gefährdet."

Wenn die Tiefseebergbau-Unternehmen und Verarbeitungsfirmen jetzt also zusätzlich in Schutzmaßnahmen für die radioaktiven Risiken investieren müssen, dürften die Kosten für den Tiefseebergbau weiter steigen – und damit die Rentabilität weiter sinken.

(jle)