KI-Sprachmodelle in der Medizin: Über Forschung mit BioGPT, BioMedLM und mehr

KI-Sprachmodelle bringen die Gesundheitsversorgung voran. Doch die Sicherheitsdiskussion steht noch am Anfang, sagt Digital-Health-Experte Wolfgang Nejdl.

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(Bild: TippaPatt/Shutterstock.com)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti
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(Bild: Wolfgang Nejdl)

KI-Sprachmodelle können die Patientenversorgung verbessern, sagt Wolfgang Nejdl, Direktor des L3S Forschungszentrums an der Leibniz Universität Hannover und Mitglied der Plattform Lernende Systeme (PLS). Er erwartet deutliche Fortschritte in der Gesundheitsversorgung. Forschungsmodelle wie BioGPT und BioMedLM brauchen jedoch Safeguards, betont Nejdl im Gespräch mit heise online.

Sie forschen am Leibniz AI Lab an Therapien für Leukämie seit 2020. Was machen Sie genau?

Wolfgang Nejdl: Wir arbeiten an medizinischen Anwendungsfälle – Use Cases – gemeinsam mit der Medizinischen Hochschule Hannover MHH. Im Use Case "Leukämie" nutzen wir vorwiegend Genomdaten und klinische Daten von Kindern, in anderen Projekten auch Bilddaten oder Daten aus öffentlich zugänglichen Datenbanken, etwa zu Protein-Interaktionen. Wir haben auch Zugriff auf Primärdaten aus anderen Kliniken in Europa, über die Netzwerke der MHH.

Wie verbessert sich damit die Patientenversorgung?

Im Leukämie-Use-Case geht es darum, die kranken Kinder in unterschiedliche Risikogruppen einzuordnen, damit sie die richtige Therapie erhalten. Bei den einen muss man eine stärkere Therapie wählen, damit der Krebs geheilt wird. Bei manchen reicht es, wenn ich leichtere Optionen wähle. Wir konnten hier gemeinsam mit unseren medizinischen Kolleginnen ein System entwickeln, dass das besser macht, als das bisher der Fall war – insbesondere bei Krankheitsfällen, deren Verlauf bisher nicht klar vorhersagbar war.

Welche Rolle können KI-Sprachmodelle wie ChatGPT in der Gesundheitsversorgung spielen?

Sprachmodelle können Texte gut zusammenfassen oder Fragen zu Texten beantworten. Also überall dort, wo in der Medizin Texte wie Arztbriefe, Diagnose-Zusammenfassungen oder wissenschaftliche Paper genutzt werden, kann es sinnvoll sein, auf einem Sprachmodell aufzubauen.

Könnte ChatGPT zum Beispiel 40 Arztbriefe zusammenfassen und für die Patientinnen und Patienten in einfache Sprache übersetzen?

Einfache Sprache, das geht auf jeden Fall. Bei den Zusammenfassungen müsste man nochmal nachprüfen, ob wirklich alle relevanten Aspekte korrekt erfasst wurden und nichts dazu erfunden wurde, was auch bei den besten Sprachmodellen noch passieren kann.

Wie könnte sich die Patientenversorgung damit konkret verbessern?

Im Krankenhaus hat ein Arzt für die Visite nur wenige Minuten Zeit. Der Patient könnte nun ergänzend auch einen Chatbot fragen, der einen lokalen Zugriff auf die Arztbriefe oder auch auf die wissenschaftliche Literatur hat. Das System könnte auch Rückfragen beantworten und sich damit sozusagen auch noch mal mehr Zeit nehmen.

Wie zutreffend sind die Antworten?

Die Dialoge im kürzlich erschienenen Buch von "The AI Revolution in Medicine: GPT-4 and Beyond" zeigen Antworten, die oft schon vergleichbar waren mit den Antworten von guten Ärzten. Aber sie zeigen auch, dass ein alleiniges Gespräch mit einem Chatbot auf keinen Fall das Gespräch mit einem Arzt ersetzen kann.

BioGPT von Microsoft hat sich auf medizinische Texte spezialisiert. Google arbeitet an Med PaLM. Was erwartet uns hier?

Deutlich kleinere Sprachmodelle wie BioGPT oder BioMedLM von der Stanford University sind spezifisch auf medizinische Texte trainiert, wobei PuBMed mit etwa 30 Millionen Abstracts und 6 Millionen Volltext-Artikeln zu medizinischen Texten das Trainingsmaterial geliefert hat.

Das hat den Vorteil, dass BioMedLM sich in medizinischer Fachliteratur gut auskennt und sogar inzwischen den US-amerikanischen Zulassungstest für Mediziner besteht. Es ist auf jeden Fall noch verbesserungsfähig, aber es kann viele medizinische Fragen ausreichend gut beantworten.