Blutige Verjüngungskur

Forscher an der Harvard University haben herausgefunden, dass ein bislang noch nicht genau bestimmter Faktor im Blut junger Mäuse Alterungserscheinungen bei betagteren Artgenossen rückgängig macht.

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Von
  • Emily Singer

Forscher an der Harvard University haben herausgefunden, dass ein bislang noch nicht genau bestimmter Faktor im Blut junger Mäuse Alterungserscheinungen bei betagteren Artgenossen rückgängig macht.

Mythen und Märchen sind voll von Elixieren, die ewige Jugend versprechen. In manchen Vampir-Geschichten soll Blut diese Wirkung haben. Wenn Forscher der Harvard University Recht behalten, könnte zumindest an Letzerem etwas dran sein. Sie fanden heraus, dass ein bislang noch nicht genau bestimmter Faktor im Blut junger Mäuse Alterungserscheinungen bei betagteren Artgenossen rückgängig macht.

„Einige Defekte des Altern sind reversibel, und der Schlüssel dazu liegt im Blut“, versichert Amy Wagers, die am Harvard Stem Cell Institute forscht. Gelänge es, die Faktoren zu identifizieren, könnten daraus neue Strategien entwickelt werden, um die Infektionsgefahr im Alter zu verringern und vielleicht sogar einige Krebsarten anzugehen, so Wagers.

Das ist das vorläufige Ergebnis eines Experiments, das ihre Gruppe gemacht hat. Die Wissenschaftler verbanden chirurgisch die Blutkreisläufe von zwei Mäusen miteinander. Auf diese Weise gelangte Blut – und alle darin enthaltenen Zellen und Moleküle – des jüngeren Tieres in den Kreislauf des älteren. Dessen Blutstammzellen verhielten sich daraufhin wieder wie bei einer jungen Maus. Während ihre Gesamtzahl abnahm, produzierten sie Blutkörperchen und Thrombozyten in einem besseren Verhältnis als vorher.

Einen ähnlichen Befund hatten bereits Experimente mit Muskelstammzellen gebracht. Das würde bedeuten, dass die Regenerationsfähigkeit von Stammzellen in hohem Maße von der Umgebung abhängt, in der sie sich befinden.

Wenn wir altern, verliert unser Körper die Fähigkeit, verschiedene Gewebearten nachzubilden. Dies kann man zum Beispiel im Blutkreislauf feststellen: Zwar nimmt mit dem Alter die Zahl der Blutstammzellen, die im Knochenmark gebildet werden, zu. Aber sie verlieren gleichzeitig ihre Fähigkeit, den Zellbestand im Blut ausreichend zu erneuern. So werden zu wenig weiße Blutkörperchen, die für das Immunsystem arbeiten, gebildet und zu viele, die Entzündungen auslösen können.

Eine Erklärung dafür ist, dass Stammzellen aufgrund von Veränderungen in ihrem Inneren gewissermaßen verschleißen. Die Arbeit von Wagers und ihrer Gruppe legt nun nahe, dass auch äußere Faktoren an diesem Verschleiß beteiligt sind. Setzt man etwa bei Mäusen Muskelzellen dem Blut von jüngeren Tieren aus, erfüllen die Blutstammzellen ihre Aufgabe wieder besser als vorher.

Ein Mittler in diesem Prozess könnten so genannte Osteoblasten sein. Das sind Stammzellen für die Knochenbildung. Von ihnen weiß man, dass sie auch bei der Bildung von Blutstammzellen eine Rolle spielen. Wissenschaftler hatten bereits vor Wagers’ Studie entdeckt, dass Blutstammzellen von älteren Tieren bei Jungtieren dazu führen, dass deren Blutstammzellen „altern“. Wagers’ Team förderte nun die umgekehrte Wirkung zutage.

Ein Kandidat für den Faktor, der diese Veränderung auslöst, könnte der Insulinähnliche Wachstumsfaktor 1 (IGF 1) sein. Das Hormon beeinflusst in einigen Organismen deren Lebensdauer. In Versuchen fand man heraus, dass die Alterungserscheinungen in Osteoblasten teilweise verschwinden, wenn die Bildung von IGF 1 unterdrückt wird. In Muskelzellen hingegen hatte ein reduziertes IGF1 den gegenteiligen Effekt. Die Sache ist also etwas verzwickter.

Um hier mehr Klarheit zu gewinnen, müssten die Forscher nun untersuchen, ob ältere Mäuse, deren Kreislauf mit dem von jüngeren „kurzgeschlossen“ wird, dann auch weniger anfällig für Infektionen sind. „Es gibt aber viele Gründe, die Veränderungen im Kreislauf mit Veränderungen im Immunsystem in Verbindung zu bringen“, sagt Wagers. Ältere Mäuse produzieren nicht nur weniger Abwehrzellen im Blut, sondern auch mehr myeloide, also aus dem Knochenmark oder dem Rückgrat stammende Zellen, die Entzündungen Vorschub leisten. „In vielen Gewebearten können Sie im Alter eine Zunahme von Entzündungen feststellen“, sagt Wagers.

All diese Befunde sind wichtig für die Regenerative Medizin, zu der auch Stammzelltransplantationen gehören. „Bisher hat man sich auf die Frage konzentriert, wie sich Ersatzzellen produzieren lassen“, sagt Linheng Li vom Stowers Institute for Medical Research in Kansas City, die an Wagers’ Studie nicht beteiligt war. „Aber offenbar geht es auch darum, Zellen zu produzieren, die richtig arbeiten.“ Im Alter werden zum Beispiel mehr Blutstammzellen gebildet, die aber nicht mehr so gut funktionieren wie die aus jüngeren Organismen. Also sei es wichtig, sich die Umgebung genauer anzuschauen, in die man Stammzellen transplantieren will, betont Amy Wagers. „Wenn man junge gesunde Zellen in eine gealterte Umgebung bringt, könnten sie ihr Potenzial voll ausspielen.“ (nbo)