DRM light soll digitaler Kontrolltechnik den Stachel ziehen

Deutsche Forscher haben ein System fürs digitale Rechtemanagement entwickelt, das bestehende Kopierfreiheiten der Nutzer berücksichtigen, aber großflächigen Urheberrechtsmissbrauch verhindern soll.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 227 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.

Forscher der Fraunhofer-Gesellschaft haben unter Federführung des Erlanger Fraunhofer-Instituts für integrierte Schaltungen (IIS) ein neuartiges System fürs digitale Rechtemanagement (DRM) entwickelt. Es soll bestehende Freiräume der Nutzer in puncto Kopieren erhalten, während es gleichzeitig eine Handhabe liefert, um zu verhindern, dass über Tauschbörsen großflächig Urheberrechte verletzt werden. Christian Neubauer vom IIS erläuterte das bereits auf der letztjährigen Popkomm in Köln vorgestellte Konzept am gestrigen Freitag auf dem Symposium "DRM und Alternativen", das der Berliner Wissenschaftler Volker Grassmuck gemeinsam mit dem Stiftungs-Verbundkolleg der Alcatel-SEL-Stiftung organisierte.

Mit ihrem so genannten Light Weight Digital Rights Management (LWDRM) wollen die Forscher zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Auf der einen Seite geht es ihnen darum, dem von Kritikern auch als "Digital Restrictions Management" bezeichneten klassischen DRM den Stachel zu ziehen und die Gängelungen der Nutzer aufzuheben. Andererseits ist es ihr Ziel, die Sümpfe der gängigen Peer-to-Peer-Netzwerke (P2P) trocken zu legen. "Bei Missbrauch werden wir die Nachverfolgbarkeit ermöglichen", so Neubauer.

LWDRM stellt viele Prinzipien herkömmlicher DRM-Konzepte auf den Kopf. Normalerweise sehe eine DRM-Kontrolltechnik "den Nutzer als Feind an", so Rüdiger Grimm, Professor am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft der TU Ilmenau, der die Idee des "freundlichen" DRM mit konzipiert hat. Klassischerweise sollen mit Lizenzschutztechnik ausgestattete Geräte "die Interessen eines anderen gegen mich durchsetzen", so Grimm, "was in der Sicherheitswelt niemals funktioniert". LWDRM wahrt dagegen Nutzerinteressen wie das Erstellen von Privatkopien oder die Weitergabe von Dateien an Freunde. Der einzige Preis, den der Anwender zu zahlen hat: Er muss die digitalen Güter elektronisch signieren. Damit akzeptiert er, dass sie leicht verfolgbar und etwa in Tauschbörsen identifizierbar sind.

Die sanfte Überwachungstechnik basiert auf dem Standard MPEG-4. Die so codierten Inhalte werden für den Transport gemäß den Vorgaben der "Intellectual Property Management and Protection"-Architektur (IPMP) verschlüsselt. Dabei kommen die Algorithmen RSA, AES und ISMACryp, das ist der Kryptomechanismus der Internet Streaming Media Alliance, zum Einsatz. Als zweiter Schutzwall gegen das Abgreifen von Inhalten über analoge Rechnerausgänge dienen digitale Wasserzeichen. Dabei gehe es "um den Schutz vor Missbrauch im großen Stil", nicht um Kopierschutz, betonte Christian Neubauer.

Das System stützt sich zudem auf zwei neue Formate. Da ist zum einen das Local Media Format (LMF), das den aus dem Netz gefischten Content zunächst an den Download-Rechner bindet. Erst wenn sich der Nutzer bei der Zertifizierungsstelle für das Verschlüsselungssystem registriert und eine heruntergeladene Datei signiert hat, wird diese "frei" geschaltet. Danach kann sie – theoretisch ohne Beschränkungen – kopiert werden. Ein so im Signed Media Format (SMF) kodierter Song, Text oder Filmstreifen ist über die Signatur an ein Pseudonym und die von der Zertifizierungsstelle aufdeckbare Person gekoppelt. Er soll sich auch auf einen externen Player übertragen lassen, der aber das LWDRM unterstützen muss.

Die LWDRM-Entwickler gehen davon aus, dass Nutzer die derart gekennzeichneten Inhalte aus Angst vor Sanktionen tunlichst nicht in Tauschbörsen anbieten. Zudem könnten Knotenbetreiber in P2P-Netzen dergleichen Dateien, die nicht für die Online-Kopiermaschinen gedacht sind, leicht herausnehmen – das meint jedenfalls Neubauer. Das System ermöglicht seiner Ansicht nach "die großflächige Einführung von gesichertem Inhalt und gewöhnt die Nutzer an DRM." Erste Gespräche über Praxistests seien etwa mit der GEMA bereits positiv verlaufen.

Mit größerem Gewöhnungsbedarf bei den Content-Anbietern rechnet man dagegen im Zusammenhang mit dem zusätzlichen Vorschlag, die Bezahlung von digitalen Gütern an ein Anreizsystem zu koppeln. Ein entsprechendes alternatives Vertriebssystem für Inhalte auf Basis des Graswurzelprinzips haben Fraunhofer-Forscher und das Ilmenauer Startup-Unternehmen For Friends Only unter dem Titel Potato-System entwickelt. Kopieren und downloaden ist damit unbeschränkt möglich. Aber nur wer ein Werk kauft, kann beim weiteren bezahlten Vertrieb des Stücks Provisionen kassieren.

Das liberale DRM-System ist indes noch keineswegs frei von offenen Fragen. So müssten Haftungsaspekte wohl dezidiert ausgeschlossen werden, sagte Grimm. Dass etwa ein Hacker sich einen privaten Schlüssel ergaunern und damit "fremd" signierte Dateien per P2P verbreiten könne, sei theoretisch nicht auszuschließen. Kein Gegenargument ist für den Techniker, dass für das Abspielen der LWDRM-Inhalte eine neue Gerätegeneration erforderlich ist: "Die Industrie arbeitet eh an einem Systemwechsel mit hartem DRM". Da sei es besser, wenn über das Signaturkonzept eine Öffnung der virtuellen Daumenschrauben vollzogen werde. (Stefan Krempl) / (psz)