Jetzt. Sofort. Alles.

Das Echtzeit-Internet ändert die Verhältnisse – und es ändert die Menschen, die es täglich, stündlich, minütlich benutzen. Sie treten ein in ein Medium, das die Ungebundenheit lockerer Freundeskreise mit einem halböffentlichen Leben verbindet. Den Umgang mit den Auswirkungen dieses Echtzeit-Internet müssen die Nutzer jedoch erst lernen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 16 Min.
Von
  • Peter Glaser
Inhaltsverzeichnis

Der Schauspieler Curt Bois, der in den zwanziger Jahren in Berlin auch als Sänger auftrat („Guck doch nicht immer nach dem Tangogeiger hin“), erzählte mir einmal von sogenannten Schnelldichtern, die es zu dieser Zeit gab. Jemand saß am Klavier auf der Bühne und ließ sich aus dem Publikum Worte zurufen, formte aus dem Stand Reime und gab dann damit sofort ein Lied zum Besten. In Echtzeit, würden wir heute sagen.

Sämtliche Medien, allen voran das Netz, sind inzwischen auf einen Zustand der Ständigkeit ausgerichtet: Permanenz. Online gibt es keinen Ladenschluss mehr, keine Sperrstunde, kein Programmende. Der digitale Medienfluss ist dabei, sich in eine Umweltbedingung zu verwandeln – etwas, das überall und immer da ist – und etwas, das uns an immer mehr Stellen verlockt, ihm unsere Zeit zu widmen. Früher öffnete sich einmal pro Abend mit der Tagesschau das Nachrichtenfenster in die Welt. Heute fließen die Ströme an Meldungen, Informationen und Unterhaltung unausgesetzt und vielarmig (siehe dazu den Artikel „Netz-Sozialisierung“ von Sascha Lobo).

Das erste Medium, das rund um die Uhr, also 24 Stunden jeden Tag, lief, war das Radio. In den neunziger Jahren hatten dann die TV-Sender ihre verbliebenen Nachtlücken im Programm geschlossen und wurden gleichfalls 24-stündig. Auch die Zeit der Dial-up-Verbindungen ins Netz geht zu Ende. Wer heute seinen Rechner einschaltet, ist online. Sonderbare Dinge wie „Testbild“ oder „Sendeschluss“ kennen junge Mediennutzer nicht mehr. Das Netz ist zum Inbegriff der Permanenz geworden. Ständig geht es vor sich, aktualisiert sich, vibriert vor Mitteilsamkeit. Früher gab es einen Zustand, dann kam eine Veränderung, dann ein neuer Zustand. Jetzt ist Veränderung der Zustand. Früher hat der Große den Kleinen gefressen, dann fraß der Schnelle den Langsamen. Nun wird das Manchmal vom Immer verschluckt.

Google integriert mittlerweile auch Mitteilungen aus Social Networks in seine Suchergebnisse.

Die Vorreiter dieser planetaren Jetzt-sofort-alles-Maschine sind Facebook und Twitter; jüngst ist Google mit der Echtzeitsuche nach Twitter- und Facebook-Partikeln und mit dem E-Mail-Quasselkasten Buzz dazugestoßen. Seit 2002 mit dem Netzwerk Friendster eine ganz neue Gattung von Internet-Anwendungen in Betrieb ging, hat sich die Erkenntnis herauskristallisiert, dass wir nicht im Informationszeitalter leben, sondern im Kommunikationszeitalter. Und, dass sich Menschen nicht für Maschinen interessieren – Menschen interessieren sich für Menschen.

Da war – und ist – ein ungewohntes Lebensgefühl online auszuprobieren. In ihrem Buch „Where Wizards Stay Up Late“ über die Ursprünge des Internet schreibt die New-York-Times-Journalistin Katie Hafner: „Amerikas Romanze mit den Highways hat auch nicht damit begonnen, dass jemand Straßen begradigt, asphaltiert und mit weißen Streifen in der Mitte bemalt hat, sondern damit, dass einer auf den Trichter kam, seine Karre wie James Dean die Route 66 runterzufahren und das Radio laut aufzudrehen und eine gute Zeit zu haben.“ Am 14. Juli 2003 ersteigerte ein User namens „bibrone“ für 12 Dollar und zwei Cent bei eBay einen Platz im „Friendster“-Freundeskreis eines gewissen „Xxxdtox“ – so etwas war komplett neu. Friendster war zum Prototyp eines Sozialen Netzwerks geworden. Der Begriff bezeichnet seither alles, was im Internet dem Summen und Brummen menschlichen Austauschs dient.

Wer mit einem Computer arbeitet, will alles, und zwar sofort. Die digitale Maschine erzeugt eine aufreizende Art von Ungeduld, oft in winzigen Häppchen. Konsequenterweise begann das Netz sich zu Beginn des neuen Jahrtausends langsam von der Anmutung der längsten Schaufensterreihe der Welt wegzuentwickeln – statischen Webseiten stehen nun zunehmend mehr Veränderlichkeiten wie Blogs gegenüber, in denen (den besseren jedenfalls) sich fortwährend Neues abspielt, oder Plattformen, auf denen man mit Tags seine höchstpersönlichen Vorstellungen von Ordnung umsetzen kann, oder Kommentarfächer und Foren, in denen man so munter vor sich hinmeinen kann wie noch nie zuvor. Das Netz ist nicht einfach ein großer Automat, aus dem man Texte und Bilder zieht oder in den man welche einfüllt. Das Netz lebt, wir sind es selbst. Und was seine Individuen von diesem bewegten Zustand zu berichten haben, fließt in den Nachrichtenstrom der Twitter-Telegramme und Facebook-Statusmeldungen. Und zwar jetzt.

Jeder kann nun eintreten in das Medium und sitzt nicht mehr vor dem Bildschirm wie vor einer zwar transparenten, aber unzugänglichen Schneekugel. Computer haben die bis in die siebziger Jahre nur den Sendeanstalten vorbehaltenen Fernseh-Bildschirme für jedermann zugänglich gemacht. Das Netz macht die Leute nun sesshaft. Ähnlich wie vor 7000 Jahren im Anbeginn der geschriebenen Geschichte lässt die Echtzeit-Ethnie sich heute am Ufer eines großen Flusses nieder, des Livestreams.

Die Verhältnisse in der digitalen Welt können sich schnell ändern. So wie Google innerhalb weniger Jahre das Suchen aus einem nützlichen, aber beiläufigen Dienst in den Hauptzugang zum Internet verwandelt hat, kann die Situation sich rasch wieder woandershin entwickeln. Welche der neuen Dienste sich langfristig durchsetzen und halten werden, lässt sich nicht vorhersagen.

Als am 19. April 1995 in Oklahoma City ein verheerender Bombenanschlag verübt wurde, stand schon einmal der Journalismus der Zukunft auf der Agenda: Das Ereignis wurde nicht von den herkömmlichen Nachrichtenmedien zuerst gemeldet, sondern von Augenzeugen, die, was sie vor ihren Fenstern sahen, sofort in ihre Computer tippten – in den Internet Relay Chat (IRC). In einem umgehend eingerichteten IRC-Kanal #oklahoma sammelten sich Beobachtungen, Informationen und Kommentare. Und als CNN und die anderen zu berichten begannen, war dieser bemerkenswerte Chat bereits selbst Teil der spektakulären Nachricht. Hier, so hieß es in der Zeit nach dem Ereignis immer wieder, beginne der Weg des Journalismus ins 21. Jahrhundert. Heute interessiert sich kaum noch jemand fürs IRC – dafür aber für eine verkürzte, ähnliche Form des Austauschs namens Twitter.

Echtzeit – dieses Maximum an Aktualität werden alle schon sehr bald als Minimum empfinden. Dass alles sofort vonstatten geht, wird als Selbstverständlichkeit gelten. Alles, was zuvor nur verzögert stattfand, wird man ähnlich kurios ansehen wie ein Auto, das mithilfe einer Kurbel gestartet werden muss. Ich erinnere mich an eines der exotischen Probleme beim Aufbau des Satellitennetzes Iridium in den neunziger Jahren, das darin bestand, dass Multiplayer-Onlinespiele unter den Signallaufzeiten in den Orbit und zurück zu leiden haben würden. Spieler, deren Verbindung über Land verlief, würden möglicherweise um entscheidende Sekundenbruchteile schneller reagieren können als Mitspieler, deren Signal erst über einen der Satelliten unterwegs wäre.

Andererseits gibt es in den Medien auch gewollte Anti-Echtzeit: Das Fernsehen, auch wenn es angeblich „live“ sendet, verzögert Ausstrahlungen oft künstlich. Nach einem Skandal-Auftritt von Janet Jackson etwa (die beim Super-Bowl eine Brust entblößt hatte) wurde im Februar 2004 die Grammy-Verleihung in Los Angeles mit fünf Minuten Verzögerung übertragen, sodass die Zensoren im Ernstfall die Möglichkeit zum Eingreifen gehabt hätten. Solche Formen von TV-Delay sind keineswegs Einzelfälle.

Echtzeit klingt nach einer Art von Lichtgeschwindigkeit des Kommunizierens. Alles passiert sofort. Die digitale Welt, ohnehin schon voller Wunder, wird nun magisch: Zauberei bedeutet nichts anderes, als dass alle Wünsche unverzüglich verwirklicht werden. Es gehört aber mit zu den dramatischen Effekten, die das digitale Verbreitungsmedium Internet nach sich zieht, dass es erst einmal etliche der herkömmlichen Bündel aus kulturellen Bestandteilen wieder in ihre Elemente zerlegt – diese Schnipsel und Partikel sind der Stoff, aus dem das Echtzeit-Web gemacht ist.

Musiker gehörten zu den ersten, die das Phänomen am eigenen Leib zu spüren bekamen. Ihre klassische Bündelungsform, das Album, hat im Internet praktisch aufgehört zu existieren, die User sind zu Rosinenpickern geworden und holen sich nur noch einzelne Tracks. Film- und Fernsehleute sehen es an langen Lichtspielen, die zu visuellem Kleinholz verarbeitet als zwei, drei Minuten lange YouTube-Clips netztaugliche Form annehmen. Auch die Struktur, in der die verschiedenen Nachrichten über die Welt bisher in einer gedruckten Zeitung vor uns ausgebreitet wurden, löst sich im Netz auf. Schon auf den Online-Ablegern der altgedienten Blätter werden Texte ersichtlich heftiger zerteilt als in der Print-Erscheinungsform – um geldwerte Klicks einzusammeln und Kleinanzeigen oder Teaser-Kästen dazwischenschieben zu können.

Vollends quantenphysikalisch, also voller Unbestimmtheiten, geht es mit journalistischer Arbeit in den sozialen Netzen zu. Hier wird deutlich, was sich mit dem Echtzeitstrom gerade verändert: Aus Massenmedien werden Medienmassen. Es wird Kleinteiliger und komplizierter. Und die Verbreitung hängt nicht mehr vom Sender ab, sondern von den Empfängern – wie viele von ihnen werden die Nachricht weiterreichen in die nächste Ausbreitungskaskade? Man liest nicht mehr eine Tageszeitung und zwei, drei Wochenzeitungen, sondern steht via Facebook und Twitter mit Freunden und Bekannten in Kontakt, von denen jeder andere Publikationen und Blogs zu sich nimmt und, wenn er etwas interessant findet, einen Hinweis plus Link auf den Artikel von sich gibt.

Die Summe dieser Empfehlungen, denen man so zu folgen bereit ist, ergibt ein neues Gewebe aus Nachrichten und Unterhaltung, das mit den konventionellen Rubriken einer Zeitung nur noch wenig zu tun hat. Es ist eine Art flüssige Zeitung. Es strömt, ist individualisiert und besitzt vor allem eine neue, übergeordnete Qualität, die eine einzelne Zeitung prinzipiell nicht haben kann – eben weil sie nur eine ist. Und es ist genau genommen überhaupt keine Zeitung, weil es beispielsweise auch Musik und Filme enthalten kann. Es ist etwas, das vermutlich in den kommenden Monaten die Bezeichnung Padcast bekommen wird. Es ist eine Aggregation, eine Verdichtung des Guten und Besten aus Vielem. Es ist eine neue Möglichkeit, Qualität zu gewinnen, die es zuvor schlichtweg nicht gab.

Was wir an Neuem entdecken können, liegt auch in bestimmten Beziehungsformen begründet. Forscher an der Michigan State University beobachteten ein interessantes Phänomen. Studenten, die mit ihrem Leben unzufrieden waren oder die unter mangelndem Selbstbewusstsein litten, zugleich aber intensiv Sites wie Facebook nutzten, konnten eine Art von sozialer Energiereserve aufbauen. Sie hat mit einer Form menschlicher Beziehungen zu tun, die Soziologen als „schwache Bindung“ bezeichnen. Schwache Bindungen hat ein Mensch beispielsweise zu Mitschülern oder Partybekanntschaften. Sie sind sehr wichtig, weil sie einen mit neuen Perspektiven und Möglichkeiten versorgen können, die man von engen Freunden oder Familienmitgliedern nicht mehr erhalten würde – weil man sich schon zu gut kennt.

Wissenschaftler der University of California konnten bereits 2005 zeigen, dass sich soziale Beziehungsgeflechte auch zur Spam-Bekämpfung nutzen lassen. Die Methode beruht darauf, dass die allermeisten Spam-Opfer sich untereinander nicht kennen. Mit dem Beziehungs-Filter lassen sich gut die Hälfte aller eingehenden Mails zuverlässig zuordnen und der Werbemüll entsprechend reduzieren.

Dienste wie Tweetmeme versuchen herauszufinden, was die meisten Twitternutzer zu einem bestimmten Zeitpunkt interessiert. Für viele Nutzer dürfte interessanter sein, was in ihrem Freundesnetzwerk als relevant erachtet wird.

Ein ähnlicher Ansatz könnte übrigens zu den Kernmotiven für Google gehören, sich – anders als beispielsweise Apple –, massiv auf dem Gebiet des Social Networking und der Echtzeit-Ereignisse zu engagieren: Suchmaschinen-Optimierer (SEOs) sind außerordentlich unglücklich mit der „sozialen“ Echtzeit-Suche, worüber man wiederum bei Google erfreut sein wird. Die Attraktivität der Suche zu verbessern, ist oberstes Ziel des Unternehmens, während SEOs ständig daran arbeiten, das Ergebnis-Reinheitsgebot zu umgehen. Statt einen Kundenlink wie bisher längerfristig in die obersten Ränge einer Ergebnisseite verschieben zu können, tauchen nun, manchmal nur ein paar Sekunden lang, die Trendbegriffe aus dem Livestream in der „sozialen Suche“ auf. „Der Kampf um die Spitzenplätze wird wesentlich härter werden“, betont Peter Young von Holistic Search, „aber die schiere Menge an Traffic, die ein solcher Trendbegriff mit sich bringt, könnte sogar 30 Sekunden Sichtbarkeit profitabel machen.“

Das Gerangel um den Livestream wird mit zunehmend härteren Bandagen geführt. Dinge wie die ungefragte Freischaltung von Nutzerprofildaten auf Facebook oder die Buzz-Zwangsteilnahme für 170 Millionen Gmail-Nutzer werden zunehmend als dreiste Menschenversuche wahrgenommen, die von Ingenieuren oder Marketingmenschen veranlasst werden, die sich nicht vorzustellen vermögen, dass jemand sich anders verhalten könnte als in ihren Nutzerszenarios vorgesehen. „Früher gab das Prüfen und Testen einer Erfindung genügend Zeit nicht nur zur Überwindung der ihr anhaftenden Fehler, sondern auch, um die Gemeinschaft darauf vorzubereiten“, schrieb Lewis Mumford 1974 in seinem Klassiker „Mythos der Maschine“. „Heute stehen wir genau der umgekehrten Situation gegenüber. Hindernisse solcher Art wurden niedergerissen; und das jüngste technische Projekt verlangt, anstatt sich bewähren zu müssen, bevor es anerkannt und akzeptiert wird, von der Gesellschaft um jeden Preis sofort übernommen zu werden; jedes Zögern gilt als sträflich, oder … als kulturelle Rückständigkeit.“

Die Sozialen Medien nur als Nachrichten-Umschlagplatz zu betrachten, greift zu kurz. Es sind nicht einfach nur hinzugefügte weitere Kanäle und Geräte im Orchester der neuen und neuesten Medien. Im Netz sind Medien nicht mehr nur Dinge, die wir benutzen – wir leben heute in unseren Medien, auf Facebook, Twitter, in Foren und Blogs. Nur Google spricht nicht mit uns und schaufelt uns stattdessen weiterhin stur und fleißig seine SERPs – die Search Engine Results Pages – auf den Bildschirm.

„Elektrisch zusammengezogen ist die Welt nur mehr ein Dorf. … Es ist dies das Zeitalter der Angst, weil die elektrische Implosion uns ohne Rücksicht auf ‚Standpunkte’ zum Engagement und zur sozialen Teilnahme zwingt.“ Marshall McLuhan, Die magischen Kanäle. Understanding Media (1964)

Das eigentlich Reizvolle an der Online-Kommunikation ist für Viele gar nicht das Echtzeitige (als etwas, das einen fortwährend festhält oder atemlos macht), sondern im Gegenteil die Ungebundenheit dem ständigen Geschehen gegenüber. Man tritt online formlos in seine Gruppe aus „Friends“ oder Followern ein, hört zu oder äußert sich und kann jederzeit, wie Old Surehand, wieder grußlos in der Prärie verschwinden, ohne dass einem das jemand übelnehmen würde. Es ist ein gemeinschaftlicher Bewusstseinsstrom, an dessen Ufern man sich aufhält. Es ist eine Zeitung, mit der man sprechen kann, und sie antwortet auch oder äußert sich ihrerseits.

Das Nachrichtengeschäft der Zukunft könnte sich nach Einschätzung des „Elektrischen Reporters“ Mario Sixtus „zu einer Mischung aus menschlicher Empfehlung und maschineller Analyse“ entwickeln. Im Schnitt werden inzwischen etwa 25 Millionen Tweets täglich abgesetzt, 2,4 Millionen davon enthalten einen Link auf eine Empfehlung – einen Zeitungsartikel, ein Blogposting, ein TwitPic, ein Video. Dienste wie „Tweetmeme“ werten die Links nach Popularität aus und versuchen so in den Textwirbeln und Nachrichtenströmungen Muster auszumachen. Auch die weltweit 400 Millionen Facebook-Teilnehmer sind nicht faul: Mehr als 3,5 Milliarden Links, Fotos und Videos lassen sie sozusagen als individuelle Nebenflüsse in den großen Livestream fließen.

In den Anfangsjahren der digitalen Revolution wurden auch Computer mit denselben Argumenten beworben, mit denen von Propagandisten noch heute Karottenreiben und Schnellkochhilfen angepriesen werden: Zeitersparnis. Alles gehe schneller und verschaffe einem, so die unausgesprochene Hoffnung, mehr Zeit für Das Eigentliche Leben (DEL). Aber schon Marshall McLuhan wusste, dass uns Computer dabei helfen, Dinge schneller zu erledigen, die wir ohne Computer gar nicht hätten erledigen müssen.

Der Medienphilosoph Friedrich Kittler meint: „Das Netz ist dabei, den Begriff der Medien in der Mehrzahl einzukassieren.“

Überinformation ist der Smog des Informationszeitalters. Je kompakter und intelligenter jemand heute Information aufbereitet, desto wertvoller wird sein Beitrag. Die kurzen Facebook-Statuszeilen und die superkurzen Twitter-Lines laden dazu ein, destillierte, schlanke Formulierungen zu verwenden und die Botschaft auf den Punkt zu bringen. Nützliche Hilfsmittel wie Retweets oder #Hashtags, mit denen ein Beitrag zu einem bestimmten Thema markiert werden kann, sind von den Nutzern selbst entwickelt worden. Auch auf die Frage, wie man die richtigen Leute finden kann, von denen man sich in Echtzeit mit Empfehlungen versorgen lasse möchte, gibt es bereits eine Antwort: den „Follower Friday“ auf Twitter – immer Freitags machen Twitternutzer auf ihre Favoriten unter den Mittwitterern aufmerksam.

„Das Netz ist dabei, den Begriff der Medien in der Mehrzahl einzukassieren“, sagt der Medienphilosoph Friedrich Kittler. Und nicht wenige von uns sind gerade dabei, in dieses Allesmedium einzutreten auf eine Art, die man bisher nur aus Trickfilmen kannte, die mit einer Vorgeschichte beginnen, einem Blick auf ein Buch, in dem die Geschichte steht, bis dann die Kamera eintaucht in ein Bild auf der Seite und dieses Bild plötzlich zu leben beginnt. (jk)