The future is fab

In Bremen iat am Wochenende der Startschuss für eine deutsche Fab-Lab-Bewegung gefallen – mit wichtigem Input aus den Niederlanden, die da schon viel weiter sind.

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Von
  • Niels Boeing

Die Dynamik der digitalen Kultur runds um Internet verleitet gegenwärtig so manchen dazu, die Produktion von Daten für die wichtigste Zukunftsoption zu halten. Die Produktion von Dingen wirkt dagegen altbacken: Fabriken sind nicht sexy. Kommt nicht ohnehin das meiste aus China? Ist der Zug für die alten Industrieländer nicht längst abgefahren, von einzelnen Monolithen wie Autoproduktion und Maschinenbau abgesehen?

Nein! Am vergangenen Samstag hatte ich das Vergnügen, beim ersten deutschen Fab Lab Camp in Bremen dabei zu sein. Etwa 35 Enthusiasten hatten sich versammelt, und ich hatte schnell den Eindruck: Da kommt etwas ins Rollen. Gleich in mehreren deutschen Städten schicken sich Gruppen an, eine immer noch als exotisch geltende Idee des MIT-Physikers Neil Gershenfeld umzusetzen: das "Fab Lab". Das erste öffnete bereits im vergangenen Dezember in Aachen.

Ein Fab Lab ist eine offene Hightech-Werkstatt für Stadtteile oder Communities, die Dinge produzieren wollen, die zuerst lokale Bedürfnisse erfüllen, oder die Unikate sind. Und die Träume blieben, weil es für sie keinen Markt gibt und eine herkömmliche industrielle Fertigung unbezahlbar wäre. Zugleich wird in einem Fab Lab Knowhow erarbeitet – mittels Laserschneider, CNC-Fräse, Platinen-Fräse und manchmal auch Rapid-Prototyping-Maschine – und mit allen Interessierten geteilt.

Gershenfeld will mit den Fab Labs die Produktion von Dingen demokratisieren und eine historische Fehlentwicklung korrigieren: die Teilung in wenige Produzenten und viele Konsumenten sowie die Teilung in wenige produzierende Länder und viele konsumierende Länder. Das Fab-Lab-Konzept ist also auch ein Entwicklungskonzept.

Unter dem Dach der von Gershenfeld angestoßenen Fab Foundation (mit Hauptquartier in Norwegen) haben sich inzwischen Werkstätten in mehreren Ländern gegründet, darunter Indien, Südafrika und Ghana. In Europa ist das Konzept ausgerechnet in den Niederlanden abgegangen: Seit 2007 sind dort vier Fab Labs entstanden (Amsterdam, Utrecht, Den Haag, Groningen) und zwei neue im Aufbau.

Wenn Norwegen für die Bewegung das Kloster ist, dann sind die Niederlande das Virus, flachste Ton Zijlstra, Spiritus Rector der dortigen Fab-Lab-Szene. Vernetzt ist sie in der Stiftung fablab.nl, die darauf achtet, dass die Fab Charter eingehalten wird, also die Werkstätten wirklich für jedermann nutzbar sind und ein gewisser Gerätestandard realisiert ist.

Die Fab Labs dort sind als niederländische Stiftungen konzipiert, was für deutsche Verhältnisse einem "Verein ohne Mitglieder" (Zijlstra) entspricht. Während Den Haag von Privatleuten finanziert wird, bekommen die anderen ihr Geld teilweise von der EU, teilweise von der jeweiligen Provinz.

Und Geld ist für diese großartige Idee auch nötig: Ungefähr 1000 Euro pro Tag bei 200 Betriebstagen im Jahr könne man für ein gut ausgestattetes Fab Lab veranschlagen, schätzte Bart Kempinga aus Groningen. Eine Hälfte gehe in Betriebskosten und die Investitionen für die Geräte, die andere in die Bezahlung der Lab Manager. Die kümmern sich um die Einweisung und Betreuung der Selbstwerkenden und um Schulungen. Nur ehrenamtlich ist das wohl kaum zu leisten.

Gershenfeld hat mir zwar einmal gesagt, das Fab Lab habe "kein Geschäftsmodell", es solle auch gar keins haben. Aber der Aufbau einer selbstverwalteten Produktionsinfrastruktur – und genau die entsteht in den Niederlanden schon – kostet trotzdem Geld. 2011 läuft für die holländischen Fab Labs die Förderung aus, und deshalb wurde in Bremen auch kräftig über mögliche Eigenfinanzierungsmodelle nachgedacht. Die eine goldene Idee gibt es aber bisher nicht, und wahrscheinlich werden sich viele Finanzierungsmodelle, je nach lokalen Umständen, entwickeln.

Warum hat die Idee ausgerechnet in den Niederlanden so eingeschlagen, kann man sich fragen? Vielleicht, weil dort die klassische Industrie nicht so dominant ist. Amsterdam war früh eine europäische Hochburg der digitalen Kultur (man denke etwa an "de digitale stad", ein 1994 gestartetes virtuelles Amsterdam), und es gibt in den Niederlanden eine innovationsfreudige Design-Szene. Gute Voraussetzungen für das Konzept, das nämlich nicht nur Heimwerken auf gehobenem Niveau ist, sondern auf einer modernen computergestützten Produktion aufbaut: Bits und Atome werden miteinander verknüpft.

Ich frage mich, was man mit den fünf Milliarden Euro, die die schwarz-rote Bundesregierung für die Abwrackprämie verschleuderte, für den Aufbau eines deutschen Fab-Lab-Netzwerks hätte auf den Weg bringen können. Eine neue bundesweite Infrastruktur könnte schon jetzt im Aufbau sein, die technische Bildungsarbeit leisten und eine ganz neue industrielle Kreativität freisetzen kann. Sei's drum: Die Fab-Lab-Bewegung wird in den nächsten Jahren auch hierzulande abheben, da bin ich mir sicher. Und 2020 werden wir uns vielleicht wundern, dass sie zehn Jahre zuvor niemand hat kommen sehen. The future is fab. (nbo)