Fotowilderei

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Von
  • Peter König

Fotowilderei

Wer schafft es wohl, zum ersten Mal auf der CeBIT auszustellen und gleich von Journalisten umlagert zu sein? Na klar, Google, jahrelang der Deutschen liebster Internetkonzern, die lockeren Jungs aus Mountain View mit den bunten Buchstaben und dem Sack voller Geschenke. Zwar haben Bedenkenträger schon früh gewarnt, im Sack stecke in Wirklichkeit ein Krake mit unbändigem Appetit auf persönliche Daten, aber das hat kaum jemanden davon abgehalten, Google innig zu lieben und die Gaben anzunehmen.

Pünktlich zur Messe-Eröffnung kam der Internetriese allerdings als virtueller Hausfriedensbrecher ins Gerede und provozierte prominente Kritik. Google zeigte sich darüber sichtlich irritiert; schließlich habe man lediglich angekündigt, den Online-Kartendienst Google Maps noch in diesem Jahr auch in Deutschland mit "Street View" ausstatten zu wollen, mit tollen Panoramabildern ganzer Straßenzüge. Vielen ist das nicht geheuer, sie fühlen sich in ihrer Privatsphäre verletzt. Google rechtfertigte sich: Für Street View würden nur Bilder gemacht, wie sie jeder Tourist auch aufnähme. Anschließend stellt man die Bilder ins Netz. Auch das macht heute jeder.

Und genau das ist das Problem.

Als die Fotografie noch analog war, fanden private Bilder höchstens beim Dia-Abend ihre kleine Öffentlichkeit. Heute gibt es Web-Alben und es kostet nur eine Mail, die Fotos einer Party an alle weiterzugeben, die dabei waren. Und warum sollten die nicht ihrerseits jene Schnappschüsse in den weiteren Umlauf bringen, die sie schön, lustig oder sonst wie bemerkenswert finden? Warum sollte man nicht den Gesichtern auf den Fotos Namen zuordnen und den Namen Mail-Adressen, wo die Technik das heute hergibt, es das Gedächtnis entlastet und das schöne Gefühl vermittelt, fest in ein soziales Netz eingebunden zu sein? Und warum sollte man sich die Mühe machen, es den anderen mitzuteilen, wenn man Bilder, auf denen sie drauf sind, verschlagwortet, weitergibt oder veröffentlicht? Wenn man die vielleicht gar nicht richtig kennt? Oder nicht mag?

Jeder ist dafür verantwortlich, wie viel er im Netz über sich selbst ausplaudert. Was aber andere über einen preisgeben, entzieht sich der Kontrolle. Jeder dumme Spruch kann Sekunden später in einem Tweet auftauchen, jede Grimasse von einem gezückten Smartphone direkt ins Netz geschickt werden, selbst aus der fahrenden Straßenbahn heraus. Stasi 3.0 sind wir alle. Dabei gehen wir nicht systematisch und akribisch vor. Wir sind nur gedankenlos. Verstrickt zu werden droht nicht dem, der einen Feind hat, sondern dem, der im Netz viele Freunde hat.

Auch Google halten viele für einen Freund - einen, den man sogar auffordern darf, Fotos aus dem Netz zu nehmen, ohne dass er gleich schmollt. Wer freilich glaubt, die Street-View-Bilder wären unverfänglich, vergisst, dass sie mit anderen Daten verknüpft Brisanz entwickeln können: Eine Liste von Hotelbuchungen mit den Adressen der Gäste und Fotos ihrer Eigenheime kombiniert ergibt beispielsweise einen hübschen Katalog - für Einbrecher. (pek)