Prozessorgeflüster

Während RISC-, Itanium- und Unix-Server weiterhin kräftig auf dem Rückzug sind, erholt sich der x86-Servermarkt, den IBM und andere jetzt neu aufmischen wollen. Intel hat derweil aber andere Sorgen.

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Von
  • Andreas Stiller

Ein Schlaganfall hat Intels Kronprinzen, den 53-jährigen Briten Sean M. Maloney zu Hause überrascht, wir wünschen ihm von dieser Stelle gute Besserung. Doch selbst wenn er sich, was zu hoffen ist, in einigen Monaten voll erholen kann, dürfte dem arbeitswütigen Manager dieser Schuss vor den Bug zu denken geben. Ob er dann noch den stressigen Job des Firmenchefs anstreben will? Seine aktuellen Aufgaben übernimmt erst einmal sein Managerkollege aus der Architecture Group, der Israeli David (Dadi) Perlmutter. Und der äußerte sich auf einer Investorenkonferenz auch gleich mit markigen Sprüchen unter anderem zum Grafikmarkt: „Die wenigsten Leute benötigen High-Performance-Grafik“. Das sagt sich natürlich leicht, wenn man das hauseigene Hochleistungsprodukt namens Larrabee gerade erst einmal begraben hat. Und nun setzt Intel verstärkt auf weniger leistungsfähige aber kostengünstige integrierte Grafik, ein Markt, bei dem man nun mit den ins Prozessorgehäuse eingebauten Grafikchips die beste Lösung anzubieten habe. Perlmutter räumte aber ein, dass bis dahin AMD/ATI bessere integrierte Lösungen offeriert habe. Der Konkurrent wuchert jetzt zudem verstärkt mit dem DirectX-11-Pfund – da hat Intel noch nichts zu bieten.

Apple, so verlautete auf der CeBIT, wolle auch bald auf Direct-X11-Karten bei den iMacs setzen, oder besser gesagt auf ATI Radeon 5750, denn Windows-DirectX-11-Features dürften für Mac OS eher weniger interessant sein. Aber dafür gibt es ja OpenCL, das von Apple maßgeblich mit auf den Weg gebracht wurde. Ansonsten hielt sich Apple diesmal zurück und überraschte zum Messeauftakt nicht wie im Vorjahr aus kalifornischer Ferne mit neuen Mac-Pro-Workstations, bestückt mit noch nicht offiziell erschienenen Intel-Xeon-Prozessoren. Wie Dell, HP und andere wird Apple diesmal termintreu und brav mit dem Upgrade auf den Sechskerner Westmere-EP aufwarten. Dieses Upgrade gestaltet sich recht einfach, denn es erfordert keine neuen Systeme: die neuen Westmere-EP-Prozessoren sind sockelkompatibel zum Vorgänger Nehalem-EP mit vier Kernen. Die Besonderheit des integrierten Speichers (NUMA) dürfte vermutlich Apples Betriebssystem Schneeleopard weiterhin ignorieren und so zwanzig und mehr Prozent an Speicherperformance verschenken. Dementsprechend schlecht sehen bislang Benchmarkergebnisse mit SPEC CPU2006 aus.

AMDs Sechskerner Phenom II X6 mit Codenamen Thuban (hier in der Leo-Plattform) ist fürs zweite Quartal vorgesehen.

Engpässe mit dem Speicher lassen sich zuweilen auch beim Desktop-Bruder Gulftown (Core i7-980X) trotz seiner drei Speicherkanäle ausmachen (S. 136 in c't 7/2010). Einige Benchmarks der CPU2006-Suite laufen nämlich mit sechs Kernen zuweilen langsamer als mit vieren, dann nämlich, wenn sich die nunmehr insgesamt zwölf Threads beim Speicherzugriff unglücklich in die Quere kommen.

So etwas dürfte bei AMDs Sechskerner für Desktops (Codename Thuban), den AMD als Prototyp auf der CeBIT vorführte, noch öfter vorkommen, verfügt dieser doch über nur zwei Speicherkanäle.

Statt Apple durfte diesmal IBM vorab mit neuen Intel-Prozessoren glänzen. Allerdings schaltete Big Blue vorsichtshalber auf der Pressekonferenz gegenüber dem Vorab-Briefing noch ein, zwei Gänge zurück, um ja nicht mit Intels „Non Disclosure“ in Konflikt zu geraten. Und so benannten sie von ihrer neuen eX5-Series weder den Prozessor (Xeon 65/75xx, mit Codenamen Nehalem-EX) noch den Interconnect (QPI). Und dabei hat sich IBM für diese Serie etwas ganz Besonderes ausgedacht. Die eX5-Rack- und Blade-Systeme besitzen nämlich externe QuickPath-Anschlüsse, über die man eine Speichereinheit (MAX5) oder ein zweites eX5-System anschließen kann. In der MAX5-Einheit sitzt der hauseigene eX5-Chipsatz, der den zusätzlichen Speicher betreibt und der über eigene externe Links weitere Verknüpfungsmöglichkeiten offeriert.

Mit der auf der CeBIT vorgestellten eX5-Familie will IBM die x86-Serverlandschaft neu definieren.

Hauptproblem, so IBM, sei bei vielen Kunden gar nicht so sehr eine mangelnde Rechenleistung, sondern zu wenig Speicherkapazität. Außerdem sind die teilweise recht beträchtlichen Lizenzkosten zu berücksichtigen, die manche Softwarehersteller pro Sockel oder Kern erheben. Ein Zweisockel-System mit großer Speicherkapazität ist dann oft die weitaus bessere Wahl. Mit MAX5 lässt sich die ohnehin ordentliche Speicherkapazität des x3850-X5-Racks von 256 GByte (32 DIMMs à 8 GByte) auf 512 GByte verdoppeln. Und bei Bedarf koppelt man hieran noch eine zweite MAX5/x3690-X5-Kombination an und erhält so ein Vierwege-SMP-System mit bis zu 1 TByte. Das wiederum lässt sich physisch in zwei Zweiwege-Systeme partitionieren (FlexNode-Technik), etwa um es tagsüber in der einen und nachts in der anderen Konstellation zu fahren. Außerdem bekommt man einen „Fallback“, falls eine der Hälften des Vierwegesystems ausfällt.

Die gleiche Verknüpfungsvielfalt bietet auch das doppelt so große x3950-X5-Rack mit vier Sockeln und 64 DIMMs Basisgröße, das im Vollausbau mit 8 Sockeln, 128 logischen Kernen und 192 DIMMs (für 1,5 TByte) aufwartet. Und ähnlich flexibel verhalten sich auch die neuen HX5-Blades. Ein weitere neue Komponente, die Performance bietet sowie Energie und viel Geld sparen soll, ist das ExFlash: ein Paket aus acht 1,8"-SSDs zu je 200 GByte mit zwei RAID5-Controllern.

Eine Speicherkomprimierung bietet der eX5-Chipsatz in der MAX5-Einheit allerdings nicht; so ein Feature bleibt den Power-Systemen vorbehalten. Bei den neuen Power7-Servern kann man eine SoftRAM-Technik einrichten, die im Unterschied zu den früheren Fake-Produkten für Windows auch wirklich funktioniert. Man muss hier allerdings ein paar Kerne für die Komprimierung abordnen – aber Kerne hat man ja meist genug. Dumm nur, dass die speicherkomprimierenden Kerne in der gleichen logischen Partition mitlaufen und so lizenzrechtlich als Rechenkerne mitzählen. Da muss man wohl noch mal mit den Softwareherstellern nachverhandeln. (as)