Wenn das Gehirn in der Wolke steckt

Immer mehr wichtige Daten lagern wir ins Netz oder auf einzelne elektronische Geräte aus. Da wundert es kaum, dass wir uns im Notfall schwer am Kopf kratzen müssen.

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Der selbst ernannte Internet-Süchtige und Web-Entwickler Dave Pell schrieb in seinem lesenswerten Blog "Tweetage Wasteland" kürzlich eine interessante Geschichte auf: Der Babysitter der Familie hatte kurz vor der Haustür einen bedauernswerten Zusammenstoß mit einem Auto. Dabei kam es zum Glück nicht zu schweren Verletzungen, doch das Handy der jungen Dame wurde völlig zerstört.

Vor dem Aufbruch ins Krankenhaus wollte Pell noch wissen, ob er denn den Freund der Frau anrufen solle. Das sei nett, sagte sie, doch sie kenne seine Telefonnummer nicht. Der Grund: Sie habe sie sich nie gemerkt, sondern sie nur im nun zerlegten Handy gespeichert. Pell wunderte sich zunächst darüber und dachte, dass ein derartiger Gedächtnisverlust wohl allein mit dem Unfall zu tun haben könne. Schließlich fiel ihm auf, dass auch er selbst die Nummer des Babysitters ohne sein iPhone nicht kannte.

Pells Beispiel zeigt anschaulich, wie sich die Nutzung unseres Denkapparats in den letzten Jahren verändert hat. Dank Netzdiensten wie dem Cloud Computing, dank Laptops und Smartphones ist es immer öfter unnötig, sich triviale Informationen wie Nummern, Adressen oder sogar Namen zu merken – jedenfalls scheint uns das so. All das, so glauben wir, haben wir feinsäuberlich in der Elektronik abgelegt, jederzeit abrufbar. "Das Gehirn ist dann wieder für andere Dinge frei!"

Unsere Kinder lernen unterdessen im Rahmen der Medienerziehung nicht, wie sie sich Dinge merken und sie später einsetzen können, sondern hauptsächlich den Weg, an sie heranzukommen. Googeln oder die Nutzung von Online-Lexika ersetzt jederzeit im eigenen Kopf abrufbares Basiswissen. Dass wir das eigentlich brauchen, um unsere Netzentdeckungen einzuordnen, steht auf einem anderen Blatt.

Blöd wird's immer nur dann, wenn Server oder Internet ausfallen, das Backup versagt oder gar keines (wie in Pells Beispiel) existiert. Ich will hier nicht dem wilden Faktenpauken das Wort reden, mit dem man z.B. in Japan oder China die Kinder immer noch quält. Doch die Forderung, dass man bestimmte Dinge, die unter Umständen lebensnotwendig sind, behalten sollte, ist doch eigentlich nicht zu viel verlangt, oder? Und nein, das bloße Aufschreiben auf ein analoges Blatt Papier meine ich damit nicht... (bsc)