Energiehungrige Sprachmodelle: Ruf nach Leitplanken für grüne KI

KI hat Potenziale für den Umwelt- und Klimaschutz, sind sich Experten einig. Beim Ressourcenverbrauch müssten Betreiber großer Modelle aber die Kurve kriegen.

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Strommasten

(Bild: chuyuss/Shutterstock.com)

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Wie viele digitale Technologien gilt Künstliche Intelligenz (KI) als zweischneidiges Schwert, was den Umwelt- und Klimaschutz angeht. Sie wird als hilfreich etwa für Präzisionslandwirtschaft gesehen. Ein schlaues System kann dabei zwischen Unkraut oder Setzlingen unterscheiden und Herbizide punktgenau, kostensparend aufbringen. KI wird ferner beispielsweise genutzt, um Wettervorhersagen und Modelle zum Klimawandel zu verbessern oder effizientere Batterietechnologien zu entwickeln. Forscher monieren aber auch, dass der immense Ressourcen- und Energieverbrauch vor allem großer Sprachmodelle wie Gemini, GPT, LaMDA oder LLaMA größtenteils vernachlässigt werde. Lukas Wuttke, Chef der KI-Entwicklerplattform Tracebloc, fordert daher Leitplanken für das Training und den Einsatz nachhaltiger intelligenter Systeme.

Marco-Alexander Breit und Lukas Wuttke

(Bild: heise online/Stefan Krempl)

Alle großen Modelle hätten sich binnen sechs Monaten verdoppelt, monierte Wuttke am Mittwoch auf einem Panel über "Grüne Intelligenz: KI als Schlüssel zur ökologischen Revolution?" beim Digital Sustainability Summit des Branchenverbands Bitkom in Berlin. Das sei der falsche Weg. Es gelte, einschlägige Architekturen bei gleicher Performance wieder kleiner zu machen und Expertenmodelle zugeschnitten auf einzelne Anwendungen zu entwickeln. Sonst sei es auch nicht länger möglich, die globale KI-Community abzuholen und über sie Innovationen voranzutreiben. Bisher sei Nachhaltigkeit "nice to have". Doch Werkzeuge für die Leistungsmessung seien unerlässlich: "Wir müssen verstehen, wie gut diese Modelle sind" – auch in Bezug auf ihren "ökologischen Score". Nur so werde es Firmen möglich, "grünere Modelle einzusetzen".

Wuttke schätzt an KI prinzipiell vor allem die Fähigkeit, eine Masse an Daten auszuwerten. Die Deutsche Bahn schaue mit einer solchen Big-Data-Lösung gezielt, wo Glyphosat gesprüht werden müsse. So sei es nicht nötig, das Pflanzengift flächendeckend im 11.000 Kilometer langen Netz zu verteilen. Zugleich stieß dem Gründer die bewusste Entscheidung etwa von OpenAI übel auf, Verbrauchsparameter seit dem Wechsel auf GPT 4 nicht mehr zu publizieren. Hier brauche es einen "Push hin zu Transparenz". Die ökologische Gesamtbilanz gerade von sehr rechenintensiven neuronalen Netzen für Deep Learning "kennen wir nicht", konstatierte Lynn Kaack, Informatikprofessorin an der Hertie School. Doch der Energieverbrauch auch durch tägliche Anfragen etwa an ChatGPT "summiert sich relativ schnell auf".

Lynn Kaack, Barbara Heigl, Marco-Alexander Breit und Lukas Wuttke

(Bild: heise online/Stefan Krempl)

Die Politik sollte Kaack zufolge handeln, um Nachhaltigkeitskosten wie den CO2- oder den Strompreis einbeziehen und gegenüber Nutzern transparent machen zu können. Lobenswert seien einschlägige Pilotprojekte und das neue KI-Lab im Bundesumweltamt, das einen Fokus auf Lösungen zur ressourcenschonenden Nutzung der Technik legen soll. "Der Druck muss erhöht werden auf Entwickler und Betreiber", verlangte Barbara Heigl von der digitalen Strategieberatung The Nunatak Group. Google habe mit der eigenen KI DeepMind zwar bereits die Serverkühlungsenergie um 40 Prozent reduzieren können. Es bräuchte aber mehr themenspezifische Förderprojekte für grüne KI und neue Nutzungsszenarien wie das F13-Projekt für einen Landesassistenten von Aleph Alpha in Baden-Württemberg. In der KI-Verordnung sei der ökologische Aspekt dagegen "noch nicht so prominent".

Individuen änderten ihr Verhalten aus Umweltschutzgründen kaum, gab Marco-Alexander Breit, Leiter der Unterabteilung Künstliche Intelligenz im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, zu bedenken. Er persönlich halte es auch für wenig sinnhaft zu messen, wie viel Wasser-, Land- und Energieverbrauch mit einer Chatbot-Anfrage verknüpft seien und welches Ergebnis dem gegenüberstehe. Breit plädierte vielmehr für Nachhaltigkeit by Design, also den Einbau ökologischer Komponenten direkt und von Anfang an in die Technik. Schon jetzt wollten Firmen Chips bauen, "die energieeffizienter sind", sodass auch die Marktwirtschaft helfe. Die Politik dünge dieses Ökosystem etwa mit dem GreenTech-Innovationswettbewerb noch. Grundsätzlich wäre schon viel gewonnen, wenn etwa der Verkehr dank KI effizienter werde.

(mho)