Bundeskanzler wegen TikTok-Auftritt in der Kritik

Der neue Account des Bundeskanzlers Olaf Scholz auf TikTok sorgt für Kritik. Der Bundesdatenschutzbeauftragte will sich nun verstärkt mit dem Thema befassen.

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Smartphone mit TikTok-App in einer Hosentasche

Auch der Bundeskanzler ist auf TikTok aktiv. Das sorgt für Kritik.

(Bild: Proxima Studio/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist seit vergangener Woche auf TikTok unterwegs und sorgt bereits für einiges Aufsehen. Der Schritt des Kanzlers, entgegen allen Bedenken doch einen Account auf der umstrittenen Videoplattform einzurichten, bringt im auch Kritik ein. Zugleich konnte sein Social-Media-Team mit einer ersten kleinen Videoreihe direkt einen Treffer landen.

Der Account solle vor allem Einblicke in Scholz' Arbeit, der Bundesregierung geben und einen Blick hinter die Kulissen ermöglichen, erklärte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in der Regierungspressekonferenz am 8. April. "Insbesondere jüngere Bürgerinnen und Bürger nutzen diese Plattform mit großer Freude. Oft sind dies Menschen, die wir über traditionelle Medien, so bitter das manchmal ist, kaum noch erreichen", so der Regierungssprecher. Besonders die große Verbreitung von Falschinformationen, die sich auch auf Bundespolitik bezögen, brachte das Bundespresseamt, das den Account betreut, letztlich dazu, den Account einzurichten – es gebe "ein Bedürfnis nach verlässlichen Informationen".

Der Bundesdatenschutzbeauftragte beäugt diesen Schritt wachsam. "Wir bleiben weiter bei unserer Position, dass TikTok nicht auf dienstlichen Geräten installiert werden sollte", erklärt Christof Stein, Pressesprecher des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) auf Nachfrage von heise online. Dem begegnet das Bundespresseamt damit, dass für die Bespielung des TikTok-Kanals ein eigenes Smartphone genutzt werde. So sei ein etwaiger Zugriff auf behördeninterne Daten nicht möglich.

Der BfDI hat allerdings noch weitere Vorwürfe gegen die Plattform auf dem Schirm. "Nachdem der Bundeskanzler nun auch mit einem offiziellen Account auf TikTok vertreten ist, werden wir uns in der Tat verstärkt mit dem Thema befassen", sagte Stein. Eine Beratung mit dem BfDI habe es zu Tiktok bisher nicht gegeben "Abgesehen von unserem Rundschreiben, gab es zur Thematik TikTok bisher noch keinen Kontakt zwischen BfDI und Bundeskanzleramt oder Bundespresseamt."

Nicht nur die Nähe des hinter Tiktok stehenden Unternehmens Bytedance zur chinesischen Regierung verursacht bei Beobachtern und Beobachterinnen mit Datenschutzexpertise ein besorgtes Stirnrunzeln. Die Liste an Vorwürfen und Vorbehalten gegenüber der Videoplattform ist lang. "Vor der Nutzung der TikTok App empfiehlt es sich (…), die Datenschutzbedingungen genau zu prüfen und zu überlegen, ob man eine derartige Nutzung und deren potenziellen Folgen für sich selbst und gegebenenfalls andere verantworten möchte", betont BfDI Ulrich Kelber in einer Veröffentlichung.

Die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung Ferda Ataman betonte im Interview mit Bericht aus Berlin, sie halte den Schritt auf die Plattform für ein falsches Signal: "Solange die Plattform TikTok und andere Plattformen sich nicht an die Regeln halten und junge Menschen vor Diskriminierung, Hassrede schützen und Desinformation nicht zurücknehmen oder bekämpfen, ist das keine Plattform für den Staat."

Der zwei Seiten der Medaille von TikTok ist sich das "TeamBundeskanzler" durchaus bewusst. "Die Bedenken und Diskussionen, die sich mit einer solchen Plattform verbinden, nehmen wir sehr ernst, und die Diskussionen führen wir auch weiterhin", sagte Hebestreit. Im Vorfeld habe es eine lange Vorbereitungszeit mit intensiver Abwägung diverser Punkte gegeben.

Ob es das richtige Signal ist, dass der Bundeskanzler nun einen Account auf TikTok hat, während in den USA debattiert wird, die Plattform zu verbieten, beantwortete die Sprecherin des Bundespresseamts nicht. Stattdessen verweist sie auf US-Präsident Joe Biden, der für den Wahlkampf ebenfalls auf TikTok einzog. "Wir haben die Entscheidung von US-Präsident Biden zum Betrieb eines TikTok-Kanals ebenso wie die angesprochene Entscheidung des US-Repräsentantenhauses zur Kenntnis genommen und werden die weitere Entwicklung, insbesondere wie sich der Senat zur Entscheidung des Repräsentantenhauses verhalten wird, aufmerksam verfolgen."

Der Datenschutz bei Auftritten von Regierungsstellen auf Social Media beschäftigt den BfDI schon länger. Nachdem er dem Bundespresseamt den Betrieb einer Facebook-Fanpage untersagen wollte, reichte das BPA Klage ein. Das Verfahren ist nach wie vor anhängig, ist auf der Seite des zuständigen Verwaltungsgerichts Köln ersichtlich. Hier wird über die Verantwortung für die Datenverarbeitung gestritten: Ist nur Facebook für den Datenschutz verantwortlich, oder auch der Anbieter der Seite?

Auch bei TikTok bemüht das Bundespresseamt die Argumentation, keine Mitverantwortung für den Datenschutz auf der Plattform zu tragen. "Wir haben, wie üblich bei solchen Vorgängen, eine datenschutzrechtliche Prüfung unter Beteiligung unseres Datenschutzbeauftragten vorgenommen", betont eine Sprecherin des Bundespresseamts. "Maßgebliche Frage dabei ist, ob Betreiber eines TikTok-Accounts für die durch TikTok vorgenommene Datenverarbeitung datenschutzrechtlich mitverantwortlich sind. Wir sind der Auffassung, dass allein TikTok für seine Datenverarbeitung datenschutzrechtlich verantwortlich ist und insoweit datenschutzrechtliche Fragen allein im Verhältnis zu TikTok zu klären sind. Zuständig dafür ist in erster Linie die irische Datenschutzbehörde."

Diese Auffassung teilen nicht alle. Der ehemalige baden-württembergische Datenschutzbeauftragte Stefan Brink (FDP) verweist in einem Beitrag für die FAZ auf eine Entscheidung des EuGH von 2018, der die Anbieter von Fanpages auf Facebook in der Mitverantwortung für die Datenverarbeitung sah, und hält diese auch für den TikTok-Account des Kanzleramts für maßgeblich.

Für den Start auf der Videoplattform entschied sich das "TeamBundeskanzler" für ein eher menschelndes Thema: Olaf Scholz und seine Aktentasche. Der "What's in my bag"-Einblick erreichte bisher rund 3,5 Millionen Views.

(are)