Wachhund gegen den Krebs

US-Forscher haben eine neue Methode entwickelt, mit der sich Tumorzellen im Blutkreislauf verfolgen lassen.

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Von
  • Alla Katsnelson

US-Forscher haben eine neue Methode entwickelt, mit der sich Tumorzellen im Blutkreislauf verfolgen lassen.

Die bei Krebsleiden so gefürchteten Metastasen entstehen unter anderem dadurch, dass sich Tumorzellen vom Ausgangsgeschwür ablösen und über die Blutbahn an andere Stellen des Körpers wandern. Wäre es möglich, Krebsanteile im Blut rechtzeitig zu ermitteln, ließe sich das vielleicht verhindern. Das Problem: Die Konzentration der Tumorzellen ist zu dieser Zeit normalerweise so klein, dass sie mit herkömmlichen klinischen Verfahren nicht ermittelbar ist.

Vor mittlerweile drei Jahren stellten der Bioingenieur Mehmet Toner und der Tumorbiologe Daniel Haber von der Harvard University ein Konzept für einen Mikrofluidik-Chip vor, der Tumorzellen kleinster Mengen aus dem Blutkreislauf ziehen kann. Inzwischen ist das Gerät zwar fertiggestellt, eignet sich aber nur für Versuche im Labor. Zwar ist die Auflösung hoch genug, doch zur Analyse müssen händisch Tausende von Bildern mit dem Mikroskop untersucht werden. Das kann pro Probe mehr als acht Stunden dauern – im Klinikalltag undenkbar.

Shannon Stott, Postdoc in Habers Labor, hat deshalb nun zusammen mit Shyamala Mashewaran vom Mass General Hospital Cancer Center in Boston die Technik verbessert und um ein automatisiertes bildgebendes Verfahren ergänzt. Es reduziert nicht nur die Analysezeit um mehr als 75 Prozent, sondern erlaubt es auch, die Krebszellen im Blut zu regelmäßig zu überprüfen – vor und nach der Entfernung eines Tumors beispielsweise oder während einer Hormontherapie. So lässt sich auch ermitteln, ob eine Medikation anschlägt.

"Das ist eine sehr schöne Forschungsstudie, die zeigt, welche Analysen man bei Patienten mit Prostatakrebs durchführen kann", meint Klaus Pantel, Direktor des Instituts für Tumorbiologie an der Universität Hamburg.

Das neue System nutzt die gleiche "Hardware" aus Habers Labor, um Tumorzellen aus einem Blutstropfen zu entnehmen – einen Mikrofluidik-Chip, der mikroskopisch kleine Stäbchen enthält, die mit Antikörpern besetzt sind. Diese reagieren auf ein Protein, das in Krebszellen steckt. Dabei kommt ein Prostata-spezifisches Antigen (PSA) zum Einsatz. Zwei Marker, einer fluoreszierend, der andere für den Zellkern, machen das Tumormaterial schließlich sichtbar.

Obwohl in diesem Fall PSA genutzt wird, sagt Stott, sei das System doch "vollständig universell verwendbar". Einige Antikörper für andere Krebsarten seien bereits untersucht worden.

Ein konkurrierendes diagnostisches Verfahren zur Messung der im Blut zirkulierenden Tumorzellen ist allerdings bereits auf dem Markt: Der Test namens "CellSearch" wurde 2004 von der US-Gesundheitsaufsicht für Brustkrebs-Metastasen genehmigt und ist inzwischen auch für Prostatakrebs und kolorektale Tumore zugelassen.

Stott und ihr Team machen sich trotzdem keine Sorgen: Die Harvard-Technik soll Tumorzellen auch schon bei Patienten erkennen können, bei denen es noch zu gar keinen Metastasen gekommen ist. Alison Allan, Onkologin an der University of Western Ontario, setzt das CellSearch-System ein, würde sich aber freuen, wenn es zwecks Früherkennung genauer wäre. "Genau diese Patientengruppe würde ja davon profitieren." Dann sei nämlich noch eine Möglichkeit für breite Therapien gegeben.

Außerdem kann der Harvard-Chip die Zellzahl quantifizieren und einige erste molekularen Eigenschaften ermitteln. "Ich denke, dass das in Zukunft auf diesem Gebiet sehr wichtig sein wird", glaubt Allan. Eine Charakterisierung ermögliche den Aufbau von Detailwissen über die jeweilige Krebsvariante.

Stott hofft, dass das Team von Harvard University und Mass General die Technik in den nächsten sechs Monaten feinabstimmen kann. Anschließen soll sie in sechs weiteren Krebszentren für eine große klinische Studie genutzt werden. "Wir arbeiten außerdem daran, die Maschine noch deutlich benutzerfreundlicher zu machen." Künftig werde es reichen, eine Blutprobe einzulegen und auf einen Knopf zu drücken. (bsc)