EM 2024: Warum gibt es keine guten Fußball-Videospiele mehr?​

Wer die EM 2024 nachspielen möchte, hat nur eine wirkliche Option:​ "EA FC 24", ein eher mittelmäßiges Fußballspiel. Warum gibt es keine guten Alternativen?

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Werbebild zum EM-Update für "EA FC 24" zeigt EM-Pokal

"EA FC 24" wurde per Update auf den aktuellen EM-Stand gehievt.

(Bild: Electronic Arts)

Lesezeit: 7 Min.
Inhaltsverzeichnis

Für EA ist die Vorfreude auf die Europameisterschaft in Deutschland eine Steilvorlage: Ein umfangreiches EM-Update für "EA FC 24" bringt das komplett lizenzierte UEFA-Turnier inklusive aller 24 Teams, Trikots, offizieller Grafiken, Stadien und Spielball mit. Wer virtuell ins EM-Feeling abtauchen möchte, findet hier ideale Voraussetzungen. Schade nur, dass "EA FC 24" kein besonders gutes Fußballspiel ist.

Den arcadigen Fußballstil kann man mögen, von einer glaubhaften Fußballsimulation ist "EA FC 24" aber meilenweit entfernt. Realismus ist auch gar nicht der Anspruch: Coole Dribblings und Fallrückzieher begeistern die junge Zielgruppe mehr als Positionsspiel und bedachter Spielaufbau.

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Das ist legitim – ärgerlich für Fans ist aber, dass EA jegliche Alternativen vom Markt verdrängt. Das spielerisch überlegene "Pro Evolution Soccer" hat vor einigen Jahren das Handtuch geworfen: Gegen EAs Exklusivlizenzen hatte Konamis Fußballsimulation "PES" keine Chance.

Spätestens seit dem Aus von "PES" läuft EAs Fußballsimulation, die bis vor Kurzem noch "FIFA" hieß, praktisch außer Konkurrenz. Einen Grund, das Spiel bedeutend weiterzuentwickeln, gibt es also gar nicht. Doch zeichnen sich nun neue Mitbewerber für "EA FC" ab? Das Indie-Studio Strikez Inc. bereitet den Start seines Fußballspiels "UFL" vor, Konami baut seinen auf Sparflamme gekochten "PES"-Nachfolger "eFootball" immer mal wieder aus. Und der Weltverband FIFA sucht nach einem neuen Partner, der nach der Trennung von EA künftig Fußballspiele unter dem "FIFA"-Namen entwickelt. Gleich mehrere Hoffnungsschimmer für Fußballfans also, dass die EA-Dominanz zumindest angekratzt werden könnte. Doch so einfach ist es leider nicht.

Um den Markt für Sport-Videospiele zu verstehen, muss man EAs "Ultimate Team"-Modus verstehen. Für diesen Online-Modus baut man sich Teams aus möglichst starken Spielern zusammen, die zufällig aus Kartenpacks gezogen werden. Diese Packs kauft man für echtes Geld – sie sind klassische Lootboxen. Pro Jahr nimmt EA mit dem Verkauf von Lootboxen in seinen Sportspielen über anderthalb Milliarden US-Dollar ein, zusätzlich zum Verkaufspreis des eigentlichen Spiels. Kein Wunder also, dass Ultimate Team den Vorrang gegenüber allen anderen Spielmodi bekommt. Hier steckt das große Geld.

Mehrspieler-Titel mit Mikrotransaktionen dominieren den Gaming-Markt – nicht nur bei Sportsimulationen. Laut den Marktforschern von Newzoo haben Spieler im vergangenen Jahr vor allem mit schon lange verfügbaren Spielen wie "Fortnite", "League of Legends", "GTA Online" und Co. Zeit verbracht. Nur 23 Prozent der Spielzeit entfiel derweil auf aktuelle Spiele – davon ging die Hälfte an Sportspiele wie "EA FC", die sich von Jahr zu Jahr nur geringfügig weiterentwickeln und damit genauso gut zur anderen Kategorie zählen könnten. Langlebige Titel mit Mehrspieler-Modi dominieren den Markt und scheffeln Geld. Ein einzelner erfolgloser Einzelspieler-Titel kann dagegen schon reichen, um das Aus eines Studios zu besiegeln.

Dieser wirtschaftlichen Realität kann sich auch die aufstrebende Konkurrenz nicht entziehen. Es ist kein Wunder, dass Konamis Free2Play-Spiel "eFootball", die vor allem auf Handys profitable Schmalspur-Variante von "Pro Evolution Soccer", fast drei Jahre nach Release immer noch keine richtigen Einzelspieler-Modi bietet. Und auch "UFL" konzentriert sich voll und ganz auf einen "Ultimate Team"-ähnlichen Mehrspieler-Modus. Oldschool-Fans älterer "FIFA" und "PES"-Spiele, die sich vorrangig realistisches Gameplay und einen tiefgängigen Einzelspieler-Karrieremodus wünschen, sollten sich also keine großen Hoffnungen machen. Der Singeplayer-Modus wird weder bei "UFL" noch bei "eFootball" jemals im Mittelpunkt stehen.

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Ohnehin existieren "UFL" und "eFootball" nur im Windschatten von "EA FC". Sie haben keine realistische Chance, das Vorbild zu verdrängen – es fehlen Lizenzen, Budget, Know-How, Umfang. Bleibt also noch eine Option: Ausgerechnet der verhasste Fußballweltverband FIFA könnte seinen Ex-Partner in Bedrängnis bringen. Düpiert von EAs abgelehnter Vertragsverlängerung sagte Verbandschef Gianni Infantino zuletzt trotzig, das neue "FIFA"-Spiel werde "EA FC" mit Sicherheit übertreffen. "Wir entwickeln neue Partner und ein neues Spiel, das natürlich, wie alles, was wir tun, das Beste sein wird", orakelte er.

Dass Infantino viel von der Spieleentwicklung versteht, darf bezweifelt werden. Nicht aber die finanzielle Power und das Prestige, die eine FIFA-Partnerschaft mit sich bringen würde. Mit wem die FIFA an einem neuen Fußballspiel arbeiten will, ist noch offen. Eigentlich gibt es aber nur einen realistischen Kandidaten, mit dem der Fußballweltverband ein konkurrenzfähiges Produkt auf die Beine stellen könnte: 2K Games. Ein Name, der bei Sportspiel-Kennern keine Euphorie auslöst – 2K ist berüchtigt für seine rücksichtslos profitorientierten Geschäftsmodelle, die es in Spielen wie "NBA 2K" noch mehr auf die Spitze treibt als EA in "EA FC".

Was 2K zweifellos kann, ist Gameplay: Sowohl "NBA 2k" als auch das kürzlich erschienene "TopSpin 2k25" spielen sich hervorragend, haben mehr Simulationsanspruch als FIFAs Sportspiele. Nicht umsonst hat 2K Games vor einigen Jahren das Basketball-Duell zwischen dem eigenen "NBA 2k" und EAs "NBA Live" klar für sich entschieden. EA musste sich nach "NBA Live 2019" aus dem Markt zurückziehen – mit "NBA 2k" konnte EA schlicht nicht mithalten.

Im Fußballbereich droht das umgekehrte Szenario, denn 2K hat noch nie ein Fußballspiel entwickelt. Die Technik und das Geld sind vorhanden, aber auch das Know-How? Die FIFA dürfte darauf pochen, dass das Fußballspiel spätestens bis zur Weltmeisterschaft 2026 fertig ist, ein solches Spiel stampft man aber nicht einfach so aus dem Boden. Moderne Blockbuster-Videospiele brauchen Jahre, um überhaupt vorzeigbar zu werden. Auch Sportspiele sind hochkomplex und schwierig zu entwickeln.

Und dann ist da noch das Problem mit den Lizenzen: Die FIFA bringt ein Lizenzpaket an Turnieren und Nationalmannschaften mit sich. Die Spieler selbst müssen aber genauso wie Club-Mannschaften separat lizenziert werden – und EA hält diese Lizenzen teilweise exklusiv. 2K wird es sich also gut überlegen, ob man sich in Zusammenarbeit mit der FIFA wirklich ins direkte Duell mit Electronic Arts wagt. Die Vorzeichen stehen alles andere als ideal.

Dennoch sollte die Aussicht auf ein Fußballspiel von 2K Simulationsfans Hoffnung bereiten: Wenn sich 2K für die Entwicklung entscheidet, dann wird der US-Publisher keine halben Sachen machen. 2Ks Geschäftsideen sind mindestens genauso dubios wie die von EA, im direkten Duell müsste man sich die schlimmsten Auswüchse aber möglicherweise verkneifen. Ernsthafte Konkurrenz kann dem Markt für Fußballspiele nur guttun – vielleicht würden gar wieder Ressourcen in die Weiterentwicklung des Gameplays und der Einzelspieler-Modi fließen.

Zurück auf den Boden der Tatsachen: Wer zum EM-Hype selbst auf dem PC oder der Konsole die Geschicke der Nationalmannschaft leiten will, muss sich "EA FC 24" kaufen. Auf Steam kostet das Spiel 70 Euro. Immerhin: Das Update zur EM 2024 ist kostenlos.

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(dahe)