TSMC-Chipfabrik Dresden: Die Köpfe hinter ESMC

Der Chipauftragsfertiger TSMC baut zurzeit ESMC in Dresden auf. Der Präsident hatte beim Taiwan-EU Semiconductor Forum seinen ersten Auftritt.

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Reinraum eines TSMC Halbleiterwerks

Reinraum eines TSMC-Halbleiterwerks in Taiwan. Ab 2027 operiert der Chipauftragsfertiger solche auch in Deutschland.

(Bild: Taiwan Semiconductor Manufacturing Co., Ltd.)

Lesezeit: 4 Min.

Die Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) hat Dresden als Standort für ihr erstes europäisches Halbleiterwerk auserkoren – intern Fab 24 genannt. Zusammen mit den Herstellern Bosch, Infineon und NXP hat TSMC für den Bau und den Betrieb das Joint-Venture European Semiconductor Manufacturing Company (ESMC) gegründet. Rund 10 Milliarden Euro fließen in das Projekt, knapp die Hälfte soll vom Staat kommen.

Aktuell laufen die Vorbereitungen; bis zum Jahresende soll der erste Spatenstich erfolgen. Parallel stellt ESMC sein Führungsteam zusammen. Als Leiter des Halbleiterwerks fand sich bereits zum Januar 2024 Dr. Christian Koitzsch. Seine offizielle Jobbezeichnung bei ESMC lautet Präsident (President). Seinen Ph.D. hat er in Physik an der Schweizer Université de Neuchâtel gemacht. Vor seinem Wechsel zu ESMC leitete Koitzsch knapp drei Jahre lang Boschs Halbleiterwerk in Dresden.

Der Wechsel zu ESMC bietet sich an, immerhin ist Bosch mit einem Anteil von zehn Prozent an dem gemeinschaftlichen Unternehmen beteiligt. Außerdem entsteht die ESMC-Fab ganz in der Nähe der Bosch-Fab.

Dr. Christian Koitzsch auf dem Taiwan-EU Semiconductor Forum in Berlin.

(Bild: MIKA-fotografie | Berlin)

Mitte Juni 2024 fand das erste Taiwan-EU Semiconductor Forum statt, parallel zur ersten deutschen Taiwan Expo. Dort sprach Koitzsch zum ersten Mal öffentlich als ESMC-Präsident.

Die taiwanischen Behörden wollen nach der TSMC-Ansiedlung mit solchen Events offensichtlich die Beziehungen zu Deutschland pflegen. Unter anderem war James Huang vor Ort – Vorsitzender des Taiwan External Trade Development Council (TAITRA), das auch die IT-Messe Computex organisiert.

Alle Sprecherinnen und Sprecher des Taiwan-EU Semiconductor Forum. Mit dabei waren auch Leute von Infineon, Semi, Realtek, Mediatek, Silicon Saxony und ZVEI.

(Bild: MIKA-fotografie | Berlin)

In seiner Rede gab Koitzsch einen Einblick in die Pläne für das Dresdener Werk. Es entsteht auf einer Fläche von 200 m × 200 m. Zur Unterkellerung buddeln die Bauarbeiter zehn Meter in die Tiefe; das Werk überragt den Boden zudem um 30 Meter. Insgesamt entsteht eine Reinraumfläche von etwa 45.000 m².

Die Serienproduktion soll Ende 2027 beginnen. Sobald alle Lithografie-Systeme im Halbleiterwerk laufen, will ESMC 40.000 Wafer pro Monat belichten. ESMC legt das Hauptaugenmerk auf Chips für Autos, sogenannte Automotive-Halbleiter, mit Strukturbreiten von 28, 22, 16 und 12 Nanometern. Dazu gehören Mikrocontroller für Motorsteuerungen, Infotainment- und Fahrerassistenzsysteme sowie Radarsensoren. Chips dieser Art lässt beispielsweise Infineon schon bisher von TSMC fertigen.

Koitzsch betonte, dass auch diese Fertigungsstufen moderne Technik (Advanced Semiconductors) hervorbringen können, obwohl sie schon mehrere Jahre auf dem Markt sind – in Taiwan fertigt TSMC immerhin schon mit nomineller 3-nm-Technik.

In ESMCs Fokus stehen auch Chips mit neuartigen Speicherzellen vom Typ Resistive Random Access Memory (ReRAM) und Magnetoresistive Random Access Memory (MRAM). Anders als die Caches in Prozessoren sind ReRAM und MRAM nicht flüchtig. Sie speichern die Daten also auch, wenn das Auto ausgeschaltet ist, ohne dass separate Flash-Bausteine nötig wären. Bei Autoherstellern ist die Technik stark gefragt.

ESMC tritt damit in einigen Bereichen in Konkurrenz zur ebenfalls in Dresden produzierenden Fab von Globalfoundries.

Nach Fertigstellung des Halbleiterwerks sollen etwa 2000 Jobs bei ESMC entstehen, darunter zahlreiche Ingenieursstellen. Die Firma kooperiert bereits heute mit der TU Dresden, um geeignete Kandidaten zu finden und Studiengänge mit Halbleiterfokus anzubieten.

Erste Leute aus Deutschland bildet TSMC bereits in Taiwan aus. Das ist gängige Praxis beim Chipauftragsfertiger: In Taiwan bekommt jeder Gast einen erfahrenen Ingenieur als Mentor zugewiesen.

Die Ausbildung erfolgt über mehrere Monate in einem Trainingscenter im Halbleiterwerk in Taichung. Dort arbeiten die Ingenieure in der normalen Produktion, damit sie lernen, reale Probleme und Störungen bei der Chipfertigung zu lösen.

Umgekehrt kommen auch taiwanische TSMC-Ingenieure mit ihren Familien nach Deutschland, um die Einrichtung und den Produktionsstart zu begleiten. Die ersten Familien sind bereits angekommen; insgesamt sollen für die nächsten drei bis fünf Jahren Hunderte Menschen aus Taiwan nach Dresden kommen.

Geeignetes Personal zu finden, wird die nächsten Jahre Aufgabe des TSMC-Manns Gunnar Thomas. Er ist Justiziar (General Counsel) und leitet TSMCs Human Resources (HR) im Wirtschaftsraum Europa, Naher Osten und Afrika (EMEA). Thomas äußerte beim Taiwan-EU Semiconductor Forum die Hoffnung, Menschen aus ganz Deutschland und Europa anwerben zu können.

Gunnar Thomas auf dem Taiwan-EU Semiconductor Forum. Er bleibt zwar direkt bei TSMC angestellt, ist aber stark bei der Gründung von ESMC beteiligt.

(Bild: MIKA-fotografie | Berlin)

Laut ihm liefen die Vorbereitungen zur Gründung von ESMC schon seit drei Jahren. Damit wundern auch nicht die Gerüchte zu TSMCs Europa-Expansion, die erstmals Ende 2021 aufkamen.

(mma)