Der größte Chip-Auftragsfertiger baut ein Werk in Dresden für 10 Milliarden Euro

Gemeinsam mit drei seiner europäischen Kunden – Infineon, Bosch und NXP – baut TSMC im Silicon Saxony bis 2027 eine neue Chipfabrik.

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(Bild: TSMC)

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Inhaltsverzeichnis

Die Spekulationen haben sich bewahrheitet: TSMC, der mit riesigem Abstand marktführende Auftragsfertiger von Halbleiterbauelementen, kommt nach Dresden. Die taiwanische Firma – die Abkürzung TSMC steht für Taiwan Semiconductor Manufacturing Company – baut im Gewerbegebiet Airportpark Dresden ab 2024 ein Werk namens ESMC (das "E" steht für European). Diese sogenannte Fab soll ab 2027 Chips mit Strukturbreiten von 28, 22, 16 und 12 Nanometern produzieren. TSMC betreibt die Fab, hält aber nur 70 Prozent Anteil. Mit je 10 Prozent beteiligen sich an ESMC die drei europäischen Chipfirmen Infineon, Bosch und NXP, von denen mindestens Infineon und NXP langjährige TSMC-Kunden sind. TSMC erzielte 2022 als reiner Auftragsfertiger (Foundry) mehr Umsatz als der stärkste Chiphersteller Samsung.

In die rund 10 Milliarden Euro teure ESMC-Fab fließen erhebliche Subventionen. Eine offizielle Angabe zu deren Höhe gibt es derzeit nicht, angeblich sind es 5 Milliarden Euro, also 50 Prozent. Das wäre eine höhere Förderquote als bei der 30-Milliarden-Ansiedelung von Intel in Magdeburg, die "nur" knapp 10 Milliarden bekommt.

Infineon hat eigene Halbleiterwerke, darunter welche für Leistungstransistoren, die auf "Dünnwafern" entstehen. Andere selbst entwickelte Chips lässt Infineon unter anderem von TSMC herstellen.

(Bild: Infineon)

Infineon, Bosch und NXP liefern viele Chips für Autos, sogenannte Automotive-Halbleiter. Dazu gehören etwa Mikrocontroller für Motorsteuerung, Infotainment und Fahrerassistenz sowie Radarsensoren. Auch die VW-Sparte Cariad kooperiert mit TSMC sowie STMicroelectronics (STMicro), einem weiteren großen europäischen Automotive-Chiphersteller. Die ESMC-Fab wird die europäische Lieferkette für solche Chips stärken. Der EU Chips Act war 2021 auch unter dem Eindruck des Chipmangels angeschoben worden, der europäische Autohersteller hart traf – mit Folgen wie Kurzarbeit und Umsatzeinbußen. ESMC wird jedoch auch alle möglichen anderen ICs produzieren, etwa für vernetzbare Controller – im Jargon IoT-Chips genannt, beispielsweise für Smart Home und E-Health.

Die größten Chiphersteller 2022

Firma Umsatz (Mrd. US-$) Marktanteil
Samsung 65,6 10,9 %
Intel 58,3 9,7 %
SK Hynix 36,3 6,0 %
Qualcomm 34,7 5,8 %
Micron 27,6 4,6 %
sonstige 379,2 63,0 %
Gesamt 601,7 100 %
Quelle: Gartner, Januar 2023

Der erwähnte französisch-italienische Chipkonzern STMicro arbeitet eigentlich enger mit dem ebenfalls in Dresden (und in den USA und Asien) ansässigen Auftragsfertiger Globalfoundries (GF) zusammen als mit TSMC. STMicro und GF hatten bereits im Juli angekündigt, gemeinsam bis 2026 eine neue Fab am STMicro-Standort Crolles bei Grenoble zu bauen. Sie wollen 7,5 Milliarden Euro investieren, von denen die französische Regierung 2,9 Milliarden Euro subventioniert. Dabei geht es um Strukturen von 22 bis 18 Nanometern, für die GF aber andere Verfahren als TSMC verwendet, etwa Fully Depleted SOI (FDX) auf Silicon-on-Insulator-(SOI-)Wafern.

Die größten Chip-Auftragsfertiger 2022

Firma Umsatz (Mrd. US-$) Marktanteil Q4/2022
TSMC 75,9 55,5 %
Samsung¹ 21,9 16,0 %
UMC (Taiwan) 9,1 6,8 %
Globalfoundries 8,1 5,9 %
SMIC (China) 7,2 5,3 %
sonstige¹ 14,4 10,5 %
Gesamt 136,6 100 %
¹Umsatz geschätzt; Quellen: Firmenangaben und IDC

Etwas schwer zu verstehen ist auf den ersten Blick, dass Bosch, Infineon, NXP und STMicro allesamt jeweils nicht nur eigene Chip-Fabs betreiben, sondern auch neue aufbauen und gleichzeitig mit Foundries kooperieren. Der Hintergrund ist, dass die genannten Hersteller unterschiedliche Chips entwickeln und verkaufen, die verschiedene Fertigungsverfahren benötigen. Infineon betreibt (und baut) in Dresden etwa eigene Fabs für Leistungshalbleiter, die als elektronische Schaltelemente in E-Autos, Solar-Wechselrichtern, Akkuladern und Netzteilen stecken. Für solche "Power"-Halbleiter sind völlig andere Verfahren und Anlagen nötig als für CMOS-Logikchips, zu denen etwa Mikrocontroller sowie Prozessoren für PCs, (KI-)Server oder Smartphones gehören. Bosch, Infineon, NXP und STMicro bauen außerdem neue Fabs für verlustarme und hochbelastbare Schalttransistoren aus Siliziumkarbid (SiC), die etwa Tesla in seine Umrichter für elektrische Automotoren lötet. Auch die US-Firma Wolfspeed zieht im saarländischen Ensdorf eine neue SiC-Fab hoch.

Kommentar: Erfolgsgeschichte Silicon Saxony

Christof Windeck

Jede hoch subventionierte Ansiedlung einer neuen Chip-Fab in Deutschland provoziert Kritik. Dafür ist es allerdings zu spät, weil der endlich beschlossene EU Chips Act genau dieses Ziel verfolgt, um die Abhängigkeit Europas von ausländischen Zulieferern zu mindern. Das Jammern über die Risiken von Chipsubventionen passt auch nicht zu den ins Sommerloch 2023 gebrüllten Forderungen nach Milliardeninvestitionen gegen die angeblich drohende Deindustrialisierung Deutschlands.

Die Wirtschaft durchläuft derzeit Umwälzungsprozesse, die für betroffene Mitarbeiter und Regionen schmerzhaft sind. Aus Furcht vor Veränderung wird dabei zu viel Geld in Besitzstandswahrung gepumpt statt in dringend nötige Innovationen wie Digitalisierung, umweltschonenden Verkehr sowie eben auch Halbleiter. Laut Umweltbundesamt buttert Deutschland jährlich über 60 Milliarden Euro in Klimaschädlinge wie Auto- und Flugverkehr, etwa per Dienstwagenprivileg, Pendlerpauschale, Steuerbegünstigungen für Diesel, Kerosin und internationale Flugtickets.

Chiphersteller sind nicht per se gut für Umwelt und Gemeinwesen. Sie interessiert vor allem der eigene Profit. Und in der Chipbranche lauern große Risiken, wie die Probleme des jahrzehntelangen Branchenprimus Intel zeigen. Auch in der rund 25-jährigen Erfolgsgeschichte des Silicon Saxony gab es Rückschläge: Globalfoundries ging mehrfach in Kurzarbeit, die ehemalige Infineon-Sparte Qimonda scheiterte krachend.

Aber letztlich gibt es nur zwei Optionen: Weitermachen wie bisher und weiter jene Risiken in Kauf nehmen, die eine nach Asien ausgelagerte Chipfertigung für die hiesige Wirtschaft birgt. Oder Milliarden in die Ansiedelung von Chipfirmen stecken, von denen die eine oder andere vielleicht scheitert. Der zweite Weg bietet die größeren Chancen.

Vorläufer der für ESMC geplanten Produktionsverfahren sind bereits seit mehreren Jahren im Einsatz: 28 Nanometer (nm) seit etwa 2011, 22 nm seit 2012, 16 und 12 nm seit 2015. Die modernsten High-End-Prozessoren und KI-Beschleuniger fertigt TSMC hingegen mit 5-, 4- und bald auch 3-Nanometer-Technik. Das bedeutet aber nicht, dass 28-nm-Technik veraltet wäre. Vielmehr wurde sie weiterentwickelt und kommt weiterhin für neue, innovative Chips zum Einsatz. So ist etwa der Broadcom BCM2711 des Raspberry Pi 4 ein 28-nm-Chip und der STMicro STM32H7 auf den neuen Arduino Portentas hat sogar noch gröbere 40-nm-Strukturen.

Infineon und NXP verwenden gemeinsam mit TSMC entwickelte ReRAM- und MRAM-Speicherzellen für besonders leistungsstarke Mikrocontroller mit KI-Rechenwerken. So entstammt die jüngste Generation TC4 der Infineon-Aurix-Mikrocontroller der 28-nm-Fertigung von TSMC, ebenso wie neue Sicherheitschips der Infineon-Baureihe SLC26 für Bezahlkarten und andere Smartcards. NXP lässt ARM-SoCs der Serie i.MX je nach Generation sowohl bei TSMC fertigen als auch bei GF. Radar-Controller für Autos produziert TSMC für NXP mit 16-Nanometer-FinFETs. Die für ESMC in Dresden zunächst geplanten Fertigungsverfahren sind also keine alten Hüte, sondern eignen sich für aktuelle, konkurrenzfähige Halbleiterbauelemente.

Ohne Subventionen hätten sich weder Intel noch TSMC in Deutschland angesiedelt. Denn Länder wie Taiwan und Südkorea subventionieren ihre Chipfirmen ebenfalls, ganz zu schweigen von den gewaltigen Mitteln, die China in die Technik steckt. Doch auch die USA und Japan wollen ihre nationalen Halbleiterbranchen (wieder-)beleben. Es droht also ein Subventions-Wettrüsten – Ausgang offen.

Chipherstellung ist energieintensiv, weshalb es angesichts der Versorgungslage in Deutschland zunächst widersinnig scheint, hier eine Fab zu bauen. Doch die Chiphersteller planen ohnehin, möglichst schnell auf regenerativ erzeugten Strom zu wechseln, weil ihre Kunden das zunehmend verlangen. Und bei der Chipherstellung spielen Energiekosten eine kleinere Rolle als etwa bei der Produktion von Grundstoffen für die Chemie. Abgesehen davon hat Taiwan ähnliche Probleme mit der Stromversorgung wie Deutschland. Von Wasserknappheit ist Taiwan sogar stärker betroffen. Die Chiphersteller arbeiten daran, ihren Wasserverbrauch deutlich zu mindern, etwa durch Wiederaufbereitung.

Bleibt das Problem der knappen Fachkräfte – aber das haben ebenfalls praktisch alle Industrienationen. Für Sachsen hat der Branchenverband Silicon Saxony ein Strategiepapier erarbeitet, laut dem in den kommenden Jahren jeweils über 5000 Fachleute neu eingestellt werden müssen. Denn auch Infineon und Bosch erweitern ihre sächsischen Werke und Zulieferer wie Jenoptik bauen neue. Silicon Saxony kann jedenfalls stolz sein auf das Vertrauen, das TSMC und seine Investitionspartner in den Standort setzen.

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(ciw)