Nachteile gegenüber Big Tech: EU-Netzbetreiber fordern Regulierungsferien​

Lange machten die großen EU-Telcos Druck auf die Politik, eine Big-Tech-Kostenbeteiligung einzuführen. Jetzt rufen sie nach "gleichen Wettbewerbsbedingungen".​

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Ein Schnurtelefon von der Seite, ein Arm im weißem Hemd hält den Hörer hoch.

(Bild: Gajus/Shutterstock.com)

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Im Lobbykampf mit Big-Tech-Konzernen haben die großen EU-Netzbetreiber die Pferde gewechselt. Jahrelang verlangten sie eine Infrastrukturabgabe in Form einer Datenmaut für große Plattformbetreiber wie Amazon, Apple, Google, Meta, Microsoft und Netflix, um den Netzausbau mitzufinanzieren. Die EU-Kommission und die Mitgliedsstaaten griffen die Idee zwar wiederholt auf, doch wirklich durchdringen konnten die Telcos mit ihrem Ruf unter dem Motto "Fair Share" bislang nicht. Sie fordern daher nun "gleiche Wettbewerbsbedingungen" und die Zusage für einen "schlankeren und einfacheren politischen Rahmen", also Regulierungsferien für sich und mehr Auflagen für die Konkurrenz der Inhalteanbieter aus den USA.

Der europäische Branchenverband ETNO, dem unter anderem die Deutsche Telekom, Orange, Telefónica und KPN angehören, fordert die künftige EU-Kommission auf, "rasch zu handeln" und für ein besseres Ökosystem rund um Netze die Telekommunikations- und Wettbewerbspolitik grundlegend anzupassen. Das betont der ETNO in einer am Mittwoch veröffentlichten Stellungnahme zum Weißbuch der EU-Kommission zum Aufbau der digitalen Infrastruktur Europas von morgen.

"Internetbasierte Messaging- und Sprachdienste ersetzen traditionelle Telekommunikationsdienste", erläutert der ETNO. Videostreaming konkurriere mit linearem Fernsehen und IPTV-Angeboten von Netzbetreibern. Diese würden auf dem Konnektivitätsmarkt zudem etwa von großen Cloud-Anbietern (Hyperscalern) oder kommunalen Versorgern wie Stadtwerken herausgefordert. "Heute fließen beachtliche 70 Prozent des weltweiten Internetverkehrs durch die proprietären Backbone-Netzwerke großer Inhalts- und Anwendungsanbieter", hebt der Verband hervor. 2021 seien es weniger als 10 Prozent gewesen.

"In der gesamten EU sollte ein ausgewogenes und harmonisiertes Verbraucherschutzniveau gelten", bringt der Verband ein Beispiel. Over-the-Top-Dienste (OTT), die auf dem Internet aufsetzen, seien kurz davor, herkömmliche mobile Sprach- und Textdienste wie SMS vollständig zu ersetzen. Die Regulierung solcher Angebote sollte daher "einem horizontalen, EU-weit harmonisierten Verbraucherschutz unterliegen". Der ETNO unterstützt zudem die Absicht der Kommission, etwa Cloud-Dienstleister in das Regulierungsumfeld einzubeziehen. Die E-Privacy-Richtlinie mit spezifischen Vorgaben für den Datenschutz bei der elektronischen Kommunikation sollte aufgehoben, der Vorschlag für eine weitergehende Verordnung zurückgezogen werden, heißt es weiter. Diese Vorschriften seien "in Bezug auf das Datenmanagement äußerst restriktiv" und stellten so einen Wettbewerbsnachteil für die Betroffenen dar. Ferner würden Instrumente zur Betrugsbekämpfung eingeschränkt.

"Spezifische Anforderungen an Vertragslaufzeit und Kündigung, Einschränkungen bei gebündelten Angeboten und Verpflichtungen zur Übertragung von Notrufen stellen nach wie vor regulatorische Diskrepanzen zwischen uns und den Kommunikationsdiensten" von Big Tech dar, erläuterte ein ETNO-Vertreter gegenüber dem Portal Euractiv. Die EU-Telekommunikationsbetreiber seien in den vergangenen Jahren gewachsen, weil die Verbraucher mehr Online-Inhalte und -Dienste der großen US-Plattformbetreiber nutzten, hält die Computer and Communications Industry Association (CCIA) dagegen. Der Fair-Share-Ansatz taucht in dem ETNO-Papier nur noch am Rand auf: Demnach sollte ein Streitbeilegungsmechanismus eingeführt werden, damit Big-Tech-Konzerne "wertvolle IP-Datentransportdienste, die von Netzbetreibern bereitgestellt werden, angemessen vergüten".

(mki)