Flugtaxi als Alternative zum Krankenwagen oder Helikopter

ERC System hat der bayerischen Gesundheitsministerin einen Demonstrator für ein Patienten-Flugtaxi gezeigt. Es soll 2029 marktreif sein.

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Flugtaxi von ERC von vorn gesehen

(Bild: ERC System)

Lesezeit: 4 Min.

Der Flugtaxi-Entwickler ERC System aus Ottobrunn bei München hat am Mittwoch ein elektrisch angetriebenes Fluggerät vorgestellt, das eigens für Krankentransporte konzipiert wurde. Das eVTOL (electric Vertical Take-off and Landing Aircraft) eigne sich für den sekundären Transport von Patienten zwischen Kliniken und auch für die Erstversorgung von Verletzten, teilte ERC mit.

Das 2020 gegründete Unternehmen mit 80 Mitarbeitern stellte in Anwesenheit der bayerischen Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) zunächst einen Demonstrator namens "Romeo" vor, der noch nicht flugfähig ist. Ende 2024 soll voraussichtlich ein erster Prototyp abheben, 2029 das Fluggerät unter dem Namen "Charlie" markttauglich sein. In fernerer Zukunft sind für ERC auch autonom fliegende Organtransporte denkbar.

Für Deutschland, aber auch insgesamt in Europa sowie den USA sieht ERC ein großes Nachfragepotenzial. Jährlich müssten rund 82 Millionen akut Erkrankte und Verletzte in Europa und den USA unmittelbar und schnell medizinisch transportiert werden. Davon könnten jedoch nur rund 1,5 Millionen Patienten auf die schnellste Art und Weise transportiert werden, nämlich mit dem Helikopter, hat ERC nach eigenen Angaben herausgefunden.

Die bayerische Gesundheitsministerin schaut sich das Fluggerät von innen an.

(Bild: ERC Systems)

Diese Transportkapazitäten will das Unternehmen mit seinem eVTOL ergänzen. "Romeo" hat die gleichen Spezifikationen, die auch "Charlie" haben soll. Das eVTOL hat eine Heckklappe von 1,4 m × 1,4 m. Die Ladekapazität betrage 450 kg, die Reichweite rund 190 km. Das Kabinenvolumen von 5 m³ soll auch während des Flugs die notärztliche Patientenversorgung ermöglichen. 2023 hob der erste Demonstrator "Echo" bei einer Länge von 13 Metern und einem Gewicht von rund 2,7 t ab. Er hat laut ERC gut 100 Testtage und Flüge absolviert.

ERC-CEO David Löbl argumentiert für sein Fluggerät, angesichts zunehmender Entfernungen zwischen medizinischen Einrichtungen stünden Rettungsdienste zunehmend vor einem Dilemma: "Herkömmliche Rettungswagen sind oft zu langsam, schnelle Helikopterflüge allerdings mit hohen Kosten und Lärm verbunden." Die ERC-eVTOL könnten sich ergänzend anbieten. Sie seien dreimal schneller als Rettungswagen und dreimal kostengünstiger als ein Helikopter.

Bevor ERC mit seinem Krankenflugtaxi an den Markt geht, sollen es die Gesundheitsregion plus Unterallgäu-Memmingen und DRF Luftrettung praxisnah testen. Dafür gebe es bereits Absichtserklärungen, teilte ERC mit. Erste Testflüge soll es 2025 geben, hieß es zur Unterzeichnung der Absichtserklärungen im April dieses Jahres. Um die eVTOLs optimal medizinisch auszustatten, kooperiert ERC mit dem Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München. Der dortige Chef der Poliklinik für Unfallchirurgie, Prof. Dr. Peter Biberthaler betonte, dass Interhospitaltransporte erheblich zunähmen, da die medizinische Spezialisierung ebenfalls zulege.

ERC entwickelt nach eigenen Angaben von Anfang an Full-Scale- und Full-Mass-Demonstratoren für den speziellen Einsatzzweck. Entscheidend sei dabei der Vertical Lift, also dass das Fluggerät tatsächlich abheben und kontrolliert schweben kann. Sei das sichergestellt, sei die Übertragung in den horizontalen Flug vergleichsweise einfach. Diese Demonstratoren haben die gleiche Größe und die gleiche Masse wie das Endprodukt. Die Zertifizierung sei ebenso aufwändig wie für andere Fluggeräte und werde wohl fünf Jahre dauern, schildert ERC.

"Viele eVTOL-Startups beginnen häufig mit der Entwicklung kleiner Fluggeräte, um rasch erste Prototypen präsentieren zu können", erläuterte ERC weiter. Insbesondere bei Antriebs- und Batterietechnologien sowie der Flugregelung sei aber entscheidend, repräsentative Gewichte und Größen zu verwenden, da die physikalischen Herausforderungen und die Anforderungen an die Systeme überproportional mit der Größe wüchsen.

(anw)