RoboCup ist ein Leuchtturmprojekt

Sven Behnke, Professor für Informatik an der Universität Bonn und Leiter des mehrfachen Weltmeisterteams NimbRo, blickt im Gespräch mit heise online auf mehr als zehn Jahre Teilnahme am RoboCup zurück.

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Von
  • Hans-Arthur Marsiske
  • Volker Zota

Sven Behnke, Professor für Informatik an der Universität Bonn und Leiter des mehrfachen Weltmeisterteams NimbRo, blickt auf mehr als zehn Jahre Teilnahme am RoboCup zurück.

Sven Behnke vom Team NimbRo mit einem Nao-Roboter.

(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

heise online: Herr Behnke, wie sind Sie eigentlich zur Robotik gekommen? Gab es da ein besonderes Schlüsselerlebnis?

Behnke: Ja, das war die Teilnahme an einem interdisziplinären Kolleg in Günne am Münnesee, ungefähr Mitte der neunziger Jahre. Die Arbeitsgruppe von Thomas Christaller hatte Fischer-Technik-Roboter mitgebracht, die wir programmieren konnten. Dass die Roboter dann tatsächlich das machten, was ich mir ausgedacht hatte, war eine sehr prägende Erfahrung.

heise online: Vom RoboCup müssen Sie dann schon recht bald nach dem Kolleg erfahren haben.

Behnke: Das Interesse am RoboCup wurde 1998 geweckt, als ich Doktorand an der Freien Universität Berlin bei Raúl Rojas war. Im Jahr davor hatte das Team der Humboldt-Universität den Weltmeistertitel in der Simulationsliga gewonnen. Wir schauten uns das im Seminar an und fingen dann ohne große Vorkenntnisse an, Small-Size-Roboter zu entwickeln. Damit waren wir bei der RoboCup-WM 1999 in Stockholm auf Anhieb recht erfolgreich und belegten den zweiten Platz.

heise online: Inzwischen nehmen Sie seit über zehn Jahren am RoboCup teil, haben mehrere Titel in verschiedenen Ligen gewonnen und haben einen Lehrstuhl an der Universität Bonn, wo Sie das Institut für Informatik leiten. Verdanken Sie dem RoboCup Ihre wissenschaftliche Karriere?

Behnke: Meine Dissertation, die ich Ende 2002 an der FU Berlin verteidigt habe, hat gar nichts mit RoboCup zu tun. Meine Arbeiten zu lernenden Systemen, insbesonderen Sehsystemen, sind sicher auch ein wesentlicher Beitrag gewesen. Aber RoboCup findet bei den Medien natürlich mehr Aufmerksamkeit als eine Lernmaschine.

heise online: Welche Bedeutung haben Wettbewerbe wie der RoboCup für die Robotik und Künstliche Intelligenz?

Behnke: Es ist ein großer Unterschied, ob man ein System im Labor testet und dazu einen Aufsatz schreibt, den vielleicht jemand liest, oder ob man sich trifft und Systeme unter für alle gleichen Bedingungen vergleicht. Auch der vorherbestimmte Zeitpunkt für diesen Test ist wichtig. Die Entwicklung ist dann auf diese spezielle Deadline ausgerichtet. Das setzt bei den beteiligten Mitarbeitern Energien frei, die man sonst wahrscheinlich gar nicht mobilisieren könnte.

heise online: Sie haben auch schon an anderen Wettbewerben teilgenommen, etwa an der Urban Challenge für autonome Fahrzeuge in Kalifornien 2007. Wie ordnen Sie den RoboCup im Vergleich mit solchen Wettbewerben ein?

Behnke: Die Urban Challenge war von der US-Militärforschungsbehörde DARPA mit viel Geld organisiert worden und war aus meiner Sicht ein einmaliges Ereignis. Ein Aufwand in dieser Größenordnung wäre vom RoboCup überhaupt nicht zu stemmen. Zudem sind bei dem Wettbewerb die Entscheidungen von oben nach unten getroffen worden, während beim RoboCup stärker dezentral entschieden wird und die Teams bei der Gestaltung des Wettbewerbs mehr Mitsprache haben.

heise online: Sie sind beim RoboCup im Lauf der Jahre durch mehrere Ligen gewandert, von der Small Size zur Humanoid League, dann RoboCup@home und jetzt auch in die Liga der Nao-Roboter. Was lernt man bei so einem Lauf quer durch die RoboCup-Wettbewerbe, was nimmt man von einer Liga in die nächste mit?

Behnke: Man kann schon die generelle Herangehensweise übertragen und häufig auch bestimmte Softwaremodule. So findet sich das, was früher die Small-Size-Roboter gesteuert hat, im Kern auch immer noch in den humanoiden Fußballrobotern. Nur ist das, was früher ein einzelner Small-Size-Roboter war, heute ein Körperteil, etwa ein Arm oder Bein. Was früher ein Team von Robotern gesteuert hat, steuert heute ein Team von Körperteilen.

heise online: Haben Sie beim RoboCup etwas gelernt, was sie woanders nicht hätten lernen können?

Behnke: Ganz entscheidend ist die Systemsicht. Hier entscheidet nicht die einzelne Kompenente über Erfolg oder Misserfolg, es sei denn es ist die schwächste. Man muss bei dem Gesamtsystem daher schauen, an welcher Stelle es zuerst bricht, und dieser Stelle besondere Aufmerksamkeit widmen. Dagegen hat es wenig Sinn, die beste Komponente noch ein wenig besser zu machen.

heise online: Bei früheren Turnieren habe ich Sie manchmal recht angespannt erlebt. Jetzt spüre ich immer noch Leidenschaft und Ehrgeiz, aber insgesamt scheinen Sie den Wettbewerb sehr viel entspannter anzugehen. Was hat sich da verändert?

Behnke: Das hat wohl auch damit zu tun, dass ich gute Mitarbeiter gefunden habe, die in den verschiedenen Ligen, in denen wir antreten, die konkrete Arbeit machen. Dadurch kann ich mich auf die organisatorischen Aufgaben konzentrieren. An der einen oder anderen Stelle mische ich mich noch bei Detailfragen ein, insgesamt versuche ich aber, nicht mehr alles selber zu machen.

heise online: Ist Ihnen das schwergefallen?

Behnke: Das ist durchaus nicht einfach, weil man ja immer denkt, dass man es selber besser kann. Aber letzten Endes kann ich mich ja nicht in mehrere Teile zerreißen.

heise online: An welche Momente beim RoboCup denken Sie am liebsten zurück?

Behnke: Das größte Highlight bisher war sicherlich der erste Sieg über das Team Osaka. Seit 2005 werden in der Humanoid League richtige Spiele ausgetragen und bis 2008 standen sich im Endspiel jedes Mal Team Osaka und unser Team gegenüber. Die ersten beiden Jahre mussten wir uns geschlagen geben, wobei es 2006 in Bremen schon sehr knapp war. Als wir dann 2007 zum ersten Mal gewannen, was das schon ein tolles Erfolgserlebnis.

heise online: Der RoboCup will bis zum Jahr 2050 mit humanoiden Robotern die Fußballweltmeisterschaft gewinnen. Welche Technologien müssten auf dem Weg zu diesem Ziel wann realisiert werden?

Behnke: Mein Eindruck ist, dass der RoboCup durch die Etablierung anders ausgerichteter Wettbewerbe wie RoboCup Rescue, RoboCup@home und zukünftig vielleicht auch RoboCup@work dieses Ziel etwas aus den Augen verloren hat. Es ist sicherlich gut, dass wir uns andere Anwendungsbereiche erschließen. Aber auf der anderen Seite verwässert es auch diese ursprüngliche Motivation. Ich bin mir nicht sicher, ob noch sehr viele Teilnehmer dieses Ziel verfolgen.

heise online: Sind Sie dafür, dieses Ziel wieder mehr in den Mittelpunkt zu rücken?

Behnke: Aus meiner Sicht ist die ursprüngliche RoboCup-Idee ein Leuchtturmprojekt, bei dem klar ist, dass noch erhebliche Forschungsarbeit notwendig ist. Es ist auch nicht primär durch Nützlichkeit motiviert, sondern durch die Herausforderung. Es gibt natürlich jedes Jahr Fortschritte und es ist beeindruckend, was bisher erreicht wurde. Man sieht es, wenn man sich Videos aus früheren Jahren anschaut und mit dem heutigen Stand vergleicht. Da gibt es dramatische Unterschiede bei der Stabilität der Roboter, der Geschwindigkeit oder der Zuverlässigkeit der Wahrnehmung. Zugleich sind aber selbst die Topteams noch sehr, sehr weit von dem entfernt, was wir Menschen leisten können.

heise online: Worauf wollen Sie persönlich sich zukünftig konzentrieren?

Behnke: Ich finde es sehr spannend, die erwähnten Lerntechniken mit den Robotern zusammenzubringen. Die Roboter sollen nicht nur von der Gestalt her menschenähnlich sein, sondern auch hinsichtlich der informationsverarbeitenden Prozesse, die im Gehirn ablaufen. Die Wahrnehmung, visuell und akustisch, ist eines der großen Probleme, die noch zu lösen sind.

heise online: Die Frage der Menschenähnlichkeit hat ja auch mit dem Verhältnis von Mensch und Roboter zu tun. Der Bereich, in dem dieses Verhältnis schon bald kritische Bedeutung bekommen könnte, ist die Altenpflege, die vermehrt durch Roboter unterstützt werden soll. Möchten Sie sich als alter Mann von einem Roboter pflegen lassen?

Behnke: Die entscheidende Frage ist dabei für mich: Wer hat die Kontrolle? Wenn ich die Kontrolle habe und mir ein Assistenzsystem bei den Dingen zur Hand geht, die ich nicht mehr selber erledigen kann, dann kann ich mir das gut vorstellen. Vielleicht wäre mir so ein System sogar lieber als die Unterstützung durch einen Angehörigen, dem ich dann verpflichtet oder sogar ausgeliefert wäre. Diese Selbstbestimmtheit ist ein sehr wichtiger Aspekt.

heise online: Wir danken Ihnen für das Gespräch. (vza)