Regierung: Netzausbau ist großteils im überragenden öffentlichen Interesse​

Die Bundesregierung hat sich auf einen Gesetzentwurf zur Beschleunigung des Netzausbaus geeinigt. Die Branche moniert den Umgang mit Glasfaser.

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Baustelle eines Neubaugebiets in Barsinghausen bei Hannover, im Vordergrund ein kleiner Bagger und eine Rolle Glasfaserkabel.

(Bild: juerginho/Shutterstock.com)

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Das Bundeskabinett hat am Mittwoch den Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Beschleunigung des Ausbaus von Telekommunikationsnetzen auf den Weg gebracht. Damit will die Regierung dafür sorgen, dass mit mehr Tempo Breitband-Leitungen gelegt und Funklöcher schneller geschlossen werden. Dazu sollen Verfahren entbürokratisiert, Genehmigungen leichter erteilt sowie benötigte Daten effizienter genutzt werden. Der Entwurf muss noch durch Bundesrat und Bundestag.

Den Referentenentwurf für das "TK-Netzausbau-Beschleunigungs-Gesetz" (TK-Nabeg) legte das federführende Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) bereits im August vor. Doch es konnte sich mit dem Umweltministerium monatelang nicht einigen, ob der Ausbau – insbesondere mithilfe von Mobilfunkmasten – als "im überragenden öffentlichen Interesse" definiert werden soll. In diesem Fall müssten Natur- und Denkmalschutz gegebenenfalls zurückstehen. Mehrere Wirtschaftsverbände forderten im Juni ein Machtwort von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), um den Digitalstandort Deutschland endlich voranzubringen.

Herausgekommen ist ein Mittelweg: Paragraf 1 Telekommunikationsgesetz (TKG) soll laut dem Regierungsansatz künftig so erweitert werden: "Die Verlegung und Änderung von Telekommunikationslinien zum Ausbau von öffentlichen Telekommunikationsnetzen liegen bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 im überragenden öffentlichen Interesse." Doch dann wird es kompliziert: Diese Klausel soll "im Rahmen der naturschutzrechtlichen Prüfung" nämlich nur angewendet werden, "wenn die Verlegung oder Änderung zur Versorgung eines Gebietes durch einen Mobilfunknetzbetreiber erfolgt, in dem dieser keinen durchgehenden, unterbrechungsfreien Zugang zu Sprach- und breitbandigen Datendiensten des öffentlichen Mobilfunks ermöglicht".

Das BMDV will die Übereinkunft so verstanden wissen: "Die Definition des Telekommunikationsnetzausbaus im überragenden öffentlichen Interesse gilt für alle Ausbauvorhaben in sämtlichen Genehmigungsverfahren und stärkt damit den Netzausbau dort, wo er bislang in Abwägungen mit anderen gleichrangigen Belangen unterlegen war." Lediglich im naturschutzrechtlichen Verfahren gebe es eine Einschränkung: Dort liege "nur die Errichtung von Mobilfunkmasten für eine unterbrechungsfreie Versorgung mit breitbandigen Telekommunikationsdiensten im überragenden öffentlichen Interesse".

In der Gesetzesbegründung heißt es, die vorgesehene TKG-Passage unterstreiche die Bedeutung des Ausbaus "gerade auch im Interesse einer beschleunigten Planung und Genehmigung der Infrastruktur, die notwendig ist, um die Ziele der Gigabitstrategie der Bundesregierung zu erreichen". Damit strebt die Regierung Glasfaser und 5G für alle bis 2030 an. Die eingebaute Befristung orientiere sich daran, erläutert die Regierung weiter. Die Ausnahme vom überragenden öffentlichen Interesse im Fall von naturschutzrechtlich geschützten Belangen wiederum trage "der hohen Bedeutung der dort betroffenen Schutzgüter Rechnung". Das BMDV soll die Wirkungen der Klausel nach Ablauf von drei Jahren evaluieren, die Länder sollen dafür die erforderlichen Daten erheben.

"Wir senden damit das wichtige Signal an die Wirtschaft, dass wir die Digitalisierung entschlossen vorantreiben", betonte Digitalminister Volker Wissing (FDP). Branchenverbände reagierten dagegen enttäuscht. In der Praxis werde der Glasfaserausbau von der Absprache nicht profitieren, moniert etwa der Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko). Denn im Rahmen naturschutzrechtlicher Prüfungen solle das "überragende öffentliche Interesse" nur für den Mobilfunkausbau gelten. Damit mache die Regierung deutlich, "dass der Glasfaserausbau für sie offensichtlich keine Priorität mehr hat".

Auch der VATM, in dem sich Wettbewerber der Telekom zusammengeschlossen haben, beklagt einen "halbgaren Kompromiss". Der erwartete Befreiungsschlag für den Glasfaser- und Mobilfunkausbau bleibe aus. Zumindest im Mobilfunksektor sei aber mit mehr Tempo und Planungssicherheit zu rechnen.

Der Anwendungsbereich der skizzierten Klausel sei zu eng gefasst, kritisiert der Bundesverband Glasfaseranschluss (Buglas). Das überragende Interesse müsse zugleich "uneingeschränkt für Glasfasernetze gelten, nicht nur, aber auch als beste Anbindung für Mobilfunkmasten".

Die Bundesregierung will zudem das Gigabitgrundbuch als einheitliches Informationsportal im TKG verankern. Informationsumfang, -erhebung und -bereitstellung sollen klar strukturiert und übersichtlich geregelt werden. Fristen für die Zustimmung zu Ausbauprojekte will die Regierung verkürzen. Die Bundesnetzagentur erhält dem Plan nach eine Ermächtigung, Eisenbahnunternehmen für eine unterbrechungsfreie Mobilfunkversorgung in Gleisnähe zu verpflichten. Liefern Provider nicht die zugesicherte Bandbreite, sollen Kunden das vertraglich vereinbarte Entgelt mindestens in Höhe von 10 Prozent mindern können. Das geht über die bisherige Vorgabe hinaus

(dahe)