30 Jahre Mobilfunk in Österreich

Am 5. Mai 1974 wurde in Österreich mit dem B-Netz der öffentliche bewegliche Landfunkdienst eingeführt -- der Startschuss für eine wechselvolle Geschichte des analogen und digitalen Mobilfunks.

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Am 5. Mai 1974 wurde in Österreich mit dem B-Netz der öffentliche bewegliche Landfunkdienst eingeführt. Erstmals war Kraftfahrern mobile Kommunikation ohne "Fräulein vom Amt" möglich und nach sieben Jahren Betrieb hatten sich rund 1000 Personen dafür erwärmt. Im gleichen Jahr eröffnete die Post auch ein Paging-Netz.

1974 waren Mobilfunk-Telefone zwischen 80.000 und 130.000 Österreichische Schilling teuer und aufgrund ihres Gewichtes und Energieverbrauches nur für den Autoeinbau bestimmt. Die monatliche Grundgebühr im analogen FM-Netz, das in einem schmalen Band zwischen 150 und 160 MHz übertrug, lag bei 1800 Schilling. Österreich war in mehrere Rufbereiche geteilt, jedes mit einer eigenen Vorwahl. Um einen mobilen Teilnehmer zu erreichen, musste man wissen, in welchem Vorwahlbereich er sich aufhielt -- oder einfach ausprobieren.

Ende 1984 näherte sich das B-Netz mit 1770 Teilnehmern seinen Kapazitätsgrenzen -- es war Zeit für das seit 1980 vorbereitete zellulare C-Netz (450 MHz, NMT). Das C-Netz war zunächst auf 30.000 Nutzer und ab 1988 auf 50.000 ausgelegt. Da die Grundgebühren niedriger waren, Geräte "nur mehr" 50.000 Schilling kosteten und bereits in Koffern herumgeschleppt werden konnten (je nach Fabrikat bis 18 Kilogramm), waren schon im Juni 1985 rund 5000 Österreicher unter der Vorwahl 0663 zu erreichen.

Im Juli 1990 wurde in Wien der Testbetrieb des analogen D-Netzes gestartet (E-TACS, 900-MHz-Band, Vorwahl ebenfalls 0663), im November 1990 ging es in den Vollbetrieb. Die als Pocket-Telefone bezeichneten ortsungebundenen Fernsprechapparate waren bereits für einige Tausend Schilling zu haben. Im Oktober 1991 begann der interne Probebetrieb des GSM-Netzes der Post, zum kommerziellen Marktauftritt im Dezember 1993 versorgte das E-Netz (heute A1 genannt) mit 400 Basisstationen Wien samt Flughafen und konnte 10.000 Teilnehmer aufnehmen. 1994 sahen Schätzungen 550.000 bis 700.000 GSM-Interessenten bis 1999. Tatsächlich zog der digitale Mobilfunk 3,5 Millionen Kunden an. Ende März 1995 deaktivierte die Post nach fast 21 Jahren das B-Netz.

Während im Dezember 1995 die Zahl der A1-Nutzer sechsstellig wurde, gewann das Ö-Call-Konsortium (mit der deutschen DeTeMobil) die erste private Mobilfunk-Lizenz. "max.mobil -- ein Netz hebt ab" hieß es dann im Oktober 1996. Im September 1996 beziehungsweise im Januar 1997 machten zwei private Paging-Netze (Air-Page, Paging-One) auf, die Mobilkom antwortete mit einem Paging-Produkt ohne Grundgebühr. Doch selbst die bald darauf verfügbaren Uhren mit eingebautem Pager (Swatch The Beep), retteten den verspäteten Funkdienst nicht, da ihnen die inzwischen mit SMS-Empfang und -Versand ausgerüsteten GSM-Handys den Rang abliefen. Die privaten Paging-Anbieter gingen bald Pleite. Nur auf Wunsch der Blaulichtorganisationen lief der Pagerdienst der Mobilkom immerhin bis Ende 2002.

1997 ging es Schlag auf Schlag: Ab Mai durften A1-Kunden über EUnet mit 9,6 KBit/s mobil ins Internet und schon im Sommer wurde der einmillionste Mobiltelefonierer im Lande registriert. Ende August 1997 schied das C-Netz aus dem Rennen aus. Im gleichen Monat erhielt Connect Austria, heute One genannt, die dritte GSM-Lizenz des Landes. Ebenfalls 1997 sorgte max-mobil, inzwischen in T-Mobile umbenannt, für einen drastischen Preissturz: Netzinterne Gespräche kosteten Rund um die Uhr nur mehr einen Schilling. Am 26. Oktober 1998, dem österreichischen Nationalfeiertag, präsentierte One das erste 1800-MHz-Netz. Im Mai 1999 erging dann die vierte GSM-Lizenz an ein Konsortium mit Mannesmann, das unter dem Namen tele.ring ab 26. Mai 2000 auf Sendung ging.

Nach der anfangs zögerlichen und zuletzt rasanten Entwicklung schienen für die Mobilnetzbetreiber die Bäume fast in den Himmel zu wachsen. Doch der Eindruck trog, denn als tele.ring startete, war in Österreich schon mehr als die Hälfte der Bevölkerung mit einem Handy versorgt und A1 und max teilen sich mit je 97 Prozent Netzabdeckung den Weltrekord. Vor diesem Hintergrund hatte der Neustarter tele.ring kaum eine Chance, die Mannesmann-Mutter Vodafone übernahm nach der österreichischen UMTS-Lizenzversteigerung im November alle Anteile. Sechs UMTS-Lizenzen brachten österreichs Staat übrigens rund 832 Millionen Euro ein. Zur Jahresmitte 2001 wurde die hoch defizitäre tele.ring schließlich an Western Wireless International verkauft -- zu einem symbolischen Preis von 10 Euro. 2002 reichte Vodafone die UMTS-Lizenz für einen Euro nach. Ende Februar 2002 wurde das analoge D-Netz abgeschaltet.

Ein halbes Jahr später, am 25. September 2002, zelebrierte die Mobilkom den internen Start ihres UMTS-Netzes; der öffentliche Betrieb begann ab Mai 2003. Am 30. September 2002 startete tele.ring ein überraschendes Comeback. Mit einem Cent pro Minute für netzinterne Gespräche gewann das anfangs schwächelnde Unternehmen viele Kunden und schrieb erstmals schwarze Quartalszahlen. Die Konkurrenz reagierte äußerlich gelassen und prophezeite tele.ring die alsbaldige Pleite, musste sich aber ein Jahr später auf einen anhaltenden Preiskampf einlassen. Denn seither bietet der kleinste Netzbetreiber auch Mobilgespräche ins Festnetz für einen Cent an. 2003 kommt mit Tele2 der erste Enhanced Service Provider auf den Markt, und seit genau einem Jahr versucht die Hutchison-Whampoa-Tochter 3 als "erster rein mobiler Multimedia-Anbieter" Kunden zu gewinnen.

Im Dezember nahmen auch die WCDMA-Netze von T-Mobile, One und tele.ring den öffentlichen Betrieb auf. Doch in Österreich sprach man über den Preis und nicht über die UMTS-Technik. Während die Telefonica-moviles-Tochter 3G Mobile gar nicht erst an den Start ging und samt 3G-Lizenz und steuermindernden Schulden an den Marktführer Mobilkom verkauft wurde, zog 3 statt der angepeilten 90.000 zum Jahresende nur etwa 15.000 Kunden. Doch als kurz vor Ostern dieses Jahres der Preis für UMTS-Handys auf Null Euro sank, kam endlich Schwung ins 3G-Geschäft -- immerhin verzeichnet 3 heute nach genau einem Jahr UMTS-Betrieb 60.000 Kunden. Täglich, so heißt es, kämen bis zu 1000 neue hinzu. Das Ziel von knapp 500.000 Kunden Ende 2005 erscheint aber dennoch sehr ehrgeizig.

Interessant ist, dass 75 Prozent der Kunden laut 3-Chef Berthold Thoma zwischen 18 und 35 Jahre alt sind. Zwei Drittel der 3-Nutzer verwenden regelmäßig Multimedia-Dienste und die Hälfte Videotelefonie. Mit neun Mobilfunknetzen, fast 100-Prozentiger GSM-Netzabdeckung, rund 88 Prozent Marktdurchdringung und sehr niedrigen Preisen ist Österreich mit Ausnahme des UMTS-feindlichen Salzburg heute ein einzigartiges Mobilfunk-Eldorado. (Daniel AJ Sokolov) / (dz)