Scharfe Kritik an der Brüsseler Softwarepatentlinie

Europaparlamentarier gehen auf Konfrontationskurs zum Plan des Ministerrats und der EU-Kommission, schon die Publikation von patentiertem Code zu untersagen.

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Von
  • Torge Löding

Europaparlamentarier ärgern sich über die Softwarepatentlinie des EU-Rats und der -Kommission. Ihr Ärger entzündet sich vor allem an der Tatsache, dass die beiden Brüsseler "Regierungsgremien" sich über das Votum der Volksvertreter in Fragen der Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen völlig hinwegsetzen. Die Kommission und der Rat "nutzen jede Möglichkeit im gegenwärtigen Gemeinschaftsrecht, um die Demokratie zu umgehen", klagt Bent Hindrup Andersen, dänischer Abgeordneter und Mitglied in der Fraktion für das Europa der Demokratien und der Unterschiede (EDD). "Unkontrollierbare Bürokraten" würden sich so als Herren der Legislative aufspielen. Ähnliche Bedenken hat Piia-Noora Kauppi von der finnischen European People's Party: "Der Rat will anscheinend den Willen der gewählten europäischen Gesetzgeber missachten".

Wie sich bereits abzeichnete, hat das Coreper-Gremium, der ständigen Vertreter der Mitgliedsländer, beim Rat am Mittwoch die umstrittene Fassung der Softwarepatent-Richtlinie aus den Reihen der Mitgliedsstaaten gutgeheißen. Deutschland, Belgien und Dänemark konnten sich im Rahmen der Sitzung nicht mit ihren Einwänden durchsetzen. Die Weichen für die Entscheidung des Ministerrats am 17. Mai sind damit gestellt: Nur in seltenen Fällen entscheiden sich die Vertreter der Regierungen in ihrer Schlussabstimmung noch anders als vom mächtigen Coreper-Ausschuss vorgesehen. Momentan gilt die überarbeitete Softwarepatent-Richtlinie, die fast alle Änderungen des Parlaments zurückweist, als "A-Punkt" auf der Agenda des Ratstreffens in anderthalb Wochen. Das heißt, dass nicht mehr darüber diskutiert werden soll. Diesen Status verdankt das Gesetzeswerk dem bereits vorab gegebenen Placet der Kommission.

Neben der Kritik am Verfahren bringt die belgische sozialistische Abgeordnete Anne Van Lancker auch massive inhaltliche Einwände vor. Sie empört vor allem die Aufnahme der so genannten "Programmansprüche" in das Ratspapier: Das Ministerialgremium "macht nicht nur aus der Nutzung patentierter Algorithmen und Geschäftsmethoden in Computerprogrammen eine Rechtsverletzung", kritisiert sie, "sondern will auch ihre Veröffentlichung verbieten." Dies sei aber wenig überraschend, wenn man bedenke, dass der Ratsvorschlag "hinter geschlossenen Türen von den Verwaltern der Patentbüros geschrieben wurde".

Johanna Boogerd-Quaak, niederländisches Mitglied der Europäischen liberalen demokratischen Reformpartei, kann sich nicht des Eindrucks erwehren, dass die irische Ratspräsidentschaft nicht nur den neuen Server des Gremiums auf Microsoft umgestellt, sondern sich auch generell "den Interessen amerikanischer Unternehmen unterworfen hat". Diese seien die wahren Profiteure der revidierten Richtlinie, während innovationsfreudige kleine und mittlere Unternehmen in Europa darunter leiden würden. Das Parlament müsse auch nach seiner Neuwahl Mitte Juni bei der zweiten und dritten Lesung der Richtlinie "seine Zähne zeigen". Gegen die orwellsche "Patent-Newspeak" aus Brüssel macht sich ferner die grüne dänische Europa-Abgeordnete Pernille Frahm stark.

Der Förderverein für eine freie informationelle Infrastruktur (FFII), in dem sich die Softwarepatentgegner sammeln, möchte nun dem Rat mit einem erneuten Call for Action und einer Aktionswoche Steine in den Weg legen. (Stefan Krempl)/

Chat zu diesem Thema Am 28. Mai lädt heise online von 15 bis 16 Uhr zum Online-Chat zu diesem Thema ein. Die Teilnehmer sind voraussichtlich Brigitte Zypries, Bundesministerin der Justiz und Christian Persson, Chefredakteur c't und heise online. (tol)