Meilenstein oder Geldverbrennungsmaschine?

In Tokio testet Better Place erstmals sein Batteriewechselsystem für eAutos im Freilandversuch. Die erste Zielgruppe: Taxifahrer.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Martin Kölling

Shai Agassi, der Chef von Better Place, jubelte, als am Montag ein eTaxi erstmals an der weltweit ersten Batteriewechselstation für Elektrofahrzeuge in Tokio kurz in die Höhe und dann wieder in die Knie ging. In 59,1 Sekunden hätten wir gerade den ersten Batteriewechsel im Freiland erlebt, meinte Agassi (Fotos hier). Einen "monumentalen Meilenstein" will er darin gesehen haben, den Anfang einer neuen Epoche in der Mobilität, in der Autos kein Öl mehr verbrennen.

Das mag ja sein, doch die große Frage ist, ob Agassis Projekt bei dem Sprung in die emissionsarme Mobilität mithilft oder statt Öl jede Menge Geld verbrennt. Skeptiker gibt es nämlich genug: Das Konzept sei eigentlich schon tot, bevor der Betrieb wirklich begonnen habe, ätzte jüngst kein geringerer als Jürgen Hubbert, ein ehemaliges Vorstandsmitglied von Daimler, auf einem Autokongress von "Auto, Motor und Sport". Denn Better Place müsse für seine Wechselstationen viele teure Batterien vorrätig halten.

Der große Haufen an politischer Prominenz und Reportern in Tokio mag Agassi Mut gemacht haben. Mehrere Ministerien waren stark vertreten, Analysten und Reporter in Massen zur Pressekonferenz geströmt. Doch gleichzeitig wurde klar, dass der ehemalige Vorstand des Softwarekonzerns SAP eine gewagte Wette auf die Zukunft fährt. Vor dem Start des auf 90 Tage beschränkten eTaxi-Projekts in Tokio, bei dem das System vor dem eigentlichen Systemtest in Israel Ende des Jahres für die Weltöffentlichkeit zur Schau gestellt wird, hat das Unternehmen nicht einen Cent im operativen Geschäft eingenommen. "Wir bauen die Infrastruktur zuerst und verdienen Geld später", erklärte der Ölschiffer, Vorstandsvorsitzende und Hauptinvestor von Better Place, Idan Ofer, das Geschäftsmodell. Und das wird auch noch eine Zeit so bleiben, denn die ersten Projekte werden erst 2011 in Israel und Dänemark starten. Agassis Idee kann daher nur solange überleben, wie er immer wieder Investoren wie die Bank HSBC finden kann, die frisches Geld in die Firma schießen. Als Better Place im Januar sein Kapital um 350 Mio. Dollar erweitert hat, übernahm die Mega-Bank mit asiatischen Wurzeln zehn Prozent der Firma.

Kritiker mögen Agassi vielleicht vorwerfen, ein von der eAuto-Vision Geblendeter zu sein, ein Blender ist er jedoch nicht. Er hat seinen Kritikern nun bewiesen, dass die Technik funktioniert. Und er hat sich ein Geschäftsmodell ausgedacht, dessen Details am Montag ein bisschen klarer wurden: Better Place sieht sich als Service-Provider in Sachen eMobilität, der Lösungen von eZapfsäulen über Batteriewechsel bis hin zu Mobilitätsangeboten anbietet. Der Batteriewechsel ist dabei nur ein – wenn auch wichtiger – Teil. Die Grundidee ist, dass mit einem Wechsel des Akkus die zwei der bisher größten eAuto-Probleme beseitigt werden – die geringe Reichweite und die lange Ladezeit.

Ein kurzer Stop reicht und schon geht's mit vollen Akkus weiter. Nebenbei wird auch die Haltbarkeit der Batterie erhöht, da sie unter optimalen Bedingungen geladen und im Betrieb in Echtzeit fernüberwacht werden. So können Taxifahrer wie Mitarbeiter des Taxiunternehmens über iPhones und Computer den aktuellen Standort, den Ladezustand der Batterie, die Geschwindigkeit und andere Autodaten ablesen. (Nissan wird ein ähnliches System für sein erstes Elektroauto Leaf anbieten.)

Zur Durchsetzung des Konzepts setzt Better Place dabei auf:

a) Autobauer, die sich bereit erklären, eAutos mit Wechselbatterie zu entwickeln (die Nissan-Renault-Allianz hat Agassi für Israel und Dänemark ingesamt 100.000 eAutos zugesagt, Chinas Autobauer Chery am Wochenende die Entwicklung eines eAutos mit Better-Place-Technik versprochen);

b) staatliche Akteure, die einen Teil der Infrastrukturkosten sowie die eAutos durch generöse Subventionen mitfinanzieren (so wird die Tokioter Teststation vom japanischen Staat finanziert) und gleichzeitig durch gesetzliche Regularien ein fruchtbares Beet für die neue Technik schaffen, zum Beispiel durch die Einrichtung von Zero-Emmission-Zonen in den Stadtzentren, die Taxiunternehmen zum Einsatz von eAutos zwingen;

c) private und staatliche Großkonzerne, die ihre Flotten auf eAutos umrüsten und damit Akku-Wechselstationen benötigen.

Zu Beginn konzentriert sich Better Place dabei auf Taxi-Flotten. Die offiziellen Argumente: Erstens macht die Sache mehr Sinn für Vielfahrer, die sich aus ökonomischen Gründen keine langen Batterieladezeiten erlauben können oder wollen. Zweitens hat man hier – ein guter argumentativer Köder, um die Regierungen zum Öffnen ihrer Staatssäckel zu begeistern – den größten umweltpolitischen Einfluss, pusten doch Tokios 60.000 Taxis mit einer durchschnittlichen Kilometerleistung von je rund 300 Kilometern täglich 20 Prozent der Kohlendioxidemission des Verkehrs in die Luft. Drittens muss Better Place nur wenige Akkutypen vorrätig halten, weil in jedem Land nur wenige Modelle als Taxis unterwegs sind. Viertens ist der Werbefaktor für eAutos groß, weil Taxis viele Passagieren haben. Und fünftens rechnet Agassi Investoren vor, dass sich das Abenteuer ab 50.000 Autos pro Markt und 200 Akkus pro Batteriewechselstation auszahlt.

Ich finde es gut, dass es mutige Visionäre gibt. Allerdings hege ich noch meine Zweifel, ob Better Place wirklich zum Welthit oder nur zum regionalen Nischenanbieter oder gar einem der vielen geplatzten Träume werden wird, die den langen Weg des technischen Fortschritts säumen. Lassen wir mal Hubberts Kritikpunkt Batteriekosten beiseite – Better Place muss die Batterien schließlich nicht selbst besitzen; und Tankstellenbetreiber haben sicherlich ein Interesse daran, ihre Zapfsäulen durch Batteriewechselstationen zu ergänzen und so auch im eAuto-Zeitalter eine Existenzberechtigung zu behalten.

Eines der Grundprobleme bleibt das Timing. Die neue Ära der eMobilität wird in vielen Märkten bereits anbrechen, bevor das Unternehmen eine Batteriewechsel-Infrastruktur aufbauen kann. Die ersten eAuto-Generationen vieler Hersteller werden daher mit fest eingebautem und speziell für den jeweiligen Typ gestalteten Akkus entwickelt werden. Selbst der erste Stromer von Nissan, einem der wichtigsten Unterstützer von Better Place, soll nach dem derzeitigen Informationsstand ohne wechselbare Batterie ausgeliefert werden. Und es ist fraglich, ob die Firmen ihr Designkonzept nachträglich ändern werden, zumal sich mit dem Fortschritt der Akkutechnik auch die Schnellladung von Batterien verbessern dürfte.

An der Durchsetzung des eAutos generell hege ich allerdings geringere Zweifel. Agassi hat einige hübsche Argumente parat: Das eAuto wird – oh Schreck, lass nach – zum konsumelektronischen Produkt wie Flach-TVs. Dafür führt er betriebswirtschaftliche und energiepolitische Gründe ins Feld: Je mehr eAutos produziert werden, desto geringer werden die Kosten, besonders für die Batterie, wohingegen mehr normale Autos höhere Benzinkosten bedeuten.

Gleichzeitig eröffnet der schnelle Batteriewechsel für Flottenbesitzer die Möglichkeit, kleinere und damit preiswertere Akkus einzusetzen. Und vor allem: China wird im Schaulaufen der verschiedenen Antriebskonzepte die Rolle des Oberrichters spielen. Es ist ja inzwischen kein Geheimnis mehr, dass Chinas Regierung in eAutos die Chance wittert, seiner junge Autoindustrie in der neuen Ära die industrielle Führungsrolle zu erkämpfen. Die eAuto-begeisterte Bank HSBC sagt daher voraus, dass Chinas Anteil am globalen eAuto-Markt bis 2020 angetrieben vom amtlichen Ambitionen von derzeit 2,7 Prozent auf 35 Prozent ansteigen wird. (bsc)