Rechtsprofessor plädiert für grundlegende Modernisierung des Datenschutzrechts

Es sei überfällig, das Datenschutzrecht "durchzufegen und wieder Strukturen hineinzubringen", meinte der Informationsrechtler Thomas Hoeren. Auf dem Datenschutzkongress in Berlin.

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Der Münsteraner Informationsrechtler Thomas Hoeren plädiert für eine grundlegende Modernisierung des Datenschutzrechts. Es sei mittlerweile ein "großes schwarzes Loch, das nur noch Energie frisst", monierte der Rechtsprofessor auf dem 11. Datenschutzkongress am heutigen Dienstag in Berlin. Schon bei den Grundbegriffen herrsche Ratlosigkeit. So müsse man etwa fragen, ob der Begriff der "Einwilligung" in die Datenverarbeitung noch angemessen sei. Die damit verknüpften derzeitigen Regelungen zum Direktmarketing seien "obsolet".

Bei der geplanten Neufassung des Arbeitnehmerdatenschutzes seien bereits Begriffe wie der einer "erweiterten Privatsphäre" ins Feld geführt worden, so der Jurist. Ihm sei zudem zu Ohren gekommen, dass inzwischen selbst Reinigungskräfte elfseitige Verträge zur externen Datenverarbeitung unterzeichnen müssten. Es sei überfällig, das Datenschutzrecht "durchzufegen und wieder Strukturen hineinzubringen".

"Ich kann dem Gedanken, hier durchzuputzen, viel abgewinnen", sagte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Als eines der "großen Projekte der Bundesregierung" bezeichnete die FDP-Politikerin die geplante Gründung einer "Stiftung Datenschutz". Sie könne etwa den Gedanken eines Gütesiegels und eines Datenschutzsiegels wieder mit einbinden, zu dem in der vergangenen Legislaturperiode keine Einigung mehr erzielt werden konnte.

Die Ministerin könne sich vorstellen, dass die Regierung nur Grundstrukturen für die Einrichtung vorgebe und diese gemeinsam mit der Wirtschaft weiterentwickle. Generell versuche die Regierung, nicht mit vielen Ausnahmen und Verweisungen das Datenschutzrecht weiter zu verkomplizieren. So wolle man für Arbeitnehmer etwa "nicht viele verschachtelte", dafür aber lieber "klarere Regelungen" aufstellen.

Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hält eine Debatte darüber erforderlich, wie der Umgang mit Daten prinzipiell aussehen müsste. Dabei sollten Grundsätze wie Transparenz, die Verantwortlichkeit etwa auch angesichts von Auftragsdatenverarbeitungen oder die Unabhängigkeit der Datenschutzaufsicht beachtet werden. Das Recht allein könne aber nur bestimmte Felder der Zulässigkeit definieren, nicht den Umgang mit personenbezogenen Informationen in der digitalen Gesellschaft ganz abbilden. Der technische Datenschutz nach dem Ansatz "Privacy by Design" werde wichtiger werden, beispielsweise bei "intelligenten Stromzählern". Neue allgemeine Anforderungen an technische Systeme und Sicherungsziele sollten auf einzelne Bereiche wie RFID-Chips anwendbar sein.

Jens Seipenbusch, Vorsitzender des Bundesvorstandes der Piratenpartei Deutschland, schlug vor, bei Gesetzesentwürfen neben Bürokratiekosten künftig auch "Datenschutzkosten" zu berücksichtigen. Unternehmen und die Politik seien am besten "mit Geld" zu steuern. Dieter Kempf von der Branchenvereinigung Bitkom sieht als eine Ursache der Bürokratiekosten der Wirtschaft eine "mäandernde Gesetzgebung". Durch den elektronischen Einkommensnachweis (ELENA) seien beispielsweise "enorme Aufwendungen" entstanden. Die Entwickler der ELENA-Software hätten schon früh gewarnt, dass das Projekt zu kompliziert sei und die Infrastruktur nicht rechtzeitig fertig werde. Stattdessen hätten die Informationen über Beschäftigte bei den Arbeitgebern gespeichert werden können. Erst jetzt nach der Implementierung habe die Politik die Bedenken aufgegriffen, sodass auf die Wirtschaft vermutlich erneut hohe Umrüstungskosten zukämen. (anw)