Google: Komplette Kontrolle über Werbung hilft gegen Betrug

Googles Verhalten reduziert Wettbewerb in der Online-Werbekette. Das habe gute Gründe, meint der Datenkonzern vor Gericht.​

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Schriftzug "Google" an Glasfassade eines Bürogebäudes

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 5 Min.

Soweit Google Wettbewerb bei Online-Werbung verhindere, habe das gute Grunde, meinten zwei Google-Manager diese Woche vor dem US-Bundesbezirksgericht für das Östliche Virginia. Dort muss sich Google gegen eine Kartellrechtsklage der US-Regierung und mehrerer US-Bundesstaaten verteidigen. Die Kläger werfen Google vor, seit Jahren den Markt für Online-Werbung zu manipulieren, mögliche Mitbewerber gezielt aufzukaufen, und andere Maßnahmen zu setzen, um Wettbewerb in allen Teilen der Online-Werbekette zu verhindern. Googles Marktanteil liege über 90 Prozent, heißt es in der Anfang 2023 erhobenen Klage.

Google dominiert den Online-Werbemarkt mindestens dreifach: durch Google Ads bei Software für Werbetreibende, durch die Reklamebörse Google AdX, und aufseiten von Webseiten- und App-Betreibern durch den Adserver DFP (Doubleclick for Publishers). Google verteidigt das geschlossene System unter anderem mit einem Sicherheitsargument: Laufend würden Betrüger versuchen, Online-Werbung zu missbrauchen. Ein geschlossenes System, von Google auf allen Seiten des Marktes kontrolliert, erleichtere die Abwehr.

Das haben die Googler Per Bjorke und Alejandro Borgia diese Woche ausgesagt, wie The Verge berichtet. Bjorke ist leitender Produktmanager für Ad Traffic Quality, Borgia für Ad Safety. Laut ihren Aussagen würden täglich 15.000 bis 20.000 Betreiber von Webseiten oder Apps versuchen, sich bei Google zu registrieren. Das Problem: Manche Webseiten und Apps werden nur dazu kreiert, um mit Reklame bestückt zu werden, die dann von Bots aufgerufen wird.

In großem Maßstab aufgezogen, lassen sich damit Millionen verdienen – zum Schaden der Werbetreibenden, die für Reklame bezahlen, die niemand zu sehen bekommt. Gleichzeitig gibt es Zeitgenossen, die versuchen, Werbung für allerlei Varianten von Betrug, Malware, üble Nachrede oder andere illegale Irreführung zu schalten. Google sperrt laufend böswillige Anzeigen. Beide Seiten des Marktes zu kontrollieren helfe bei der Abwehr der Tunichtgute, versicherten beide Herren.

Auch den Datenschutz bemühen die Googler als Argument: Enduser können in Google-Diensten Einstellungen dazu vornehmen, ob und wie ihre Daten für Werbezwecke genutzt werden. Müsste Google mit anderen Werbebörsen zusammenarbeiten, könne es die Einhaltung der Datenschutz-Einstellungen nicht gewährleisten.

Als Beispiel für Werbetrug verwiesen die Zeugen auf das Botnetz 3ve, das bis 2018 täglich bis zu zwölf Milliarden Mal auf Werbung geklickt hat. Google habe die Werbetreibenden mit mehr als 30 Millionen Dollar entschädigt. Einen Gutteil davon konnte der Konzern von den Tätern zurückholen. 2018 wurden sechs Russen und zwei Kasachen in den USA wegen Werbebetrugs angeklagt (USA v. Aleksandr Zhukov et al, US-Bundesbezirksgericht für das Östliche New York, Az. 18-CR-633); ein Russe und beide Kasachen konnten in anderen Ländern verhaftet und an die USA ausgeliefert werden. Dort wurden sie verurteilt. Aleksandr Schukow, der auch das Botnetz Methbot betrieben hat, erhielt zehn Jahre Haft. Für Sergej Owsjannikow setzte es drei Jahre, für Jewgenij Timtschenko zwei Jahre und vier Monate. Auf Konten der Täter wurden Millionen Dollar sichergestellt, weitere Millionen sollen die Verurteilten ihr Leben lang abstottern. Die übrigen fünf Russen sind bislang nicht gefasst.

Derzeit hat das US-Bundesbezirksgericht für das Östliche Virginia zu klären, wie die verschiedene Arten von Online-Werbung als Märkte zu definieren sind, wie sich Google seinen erheblichen Marktanteil erarbeitet hat, mit welchen Mitteln es sie verteidigt, und ob Google die Dominanz in einem Markt dazu missbraucht hat, sich Vorteile in einem anderen Markt zu verschaffen. Das wäre illegal. Google stellt Fehlverhalten in Abrede. Bestimmte wirtschaftliche Gründe können wettbewerbsrechtliches Verhalten rechtfertigen.

Das Verfahren heißt USA et al v Google und ist am US-Bundesbezirksgericht für das Östliche Virginia unter dem Az. 1:23-cv-00108 anhängig. Es ist nicht zu verwechseln mit einem Kartellrechtsprozess gleichen Namens, der am US-Bundesbezirksgericht für den Hauptstadtbezirk District of Columbia unter dem Az. 1:20-cv-03010 anhängig ist. Dieses Gericht hat bereits festgestellt, dass Googles Suchmaschinen-Geschäfte illegal sind, aber noch nicht entschieden, welche Abhilfemaßnahmen es auferlegt.

Um Vorwürfe des Missbrauchs (s)eines Werbemonopols samt Insiderhandel mit Online-Werbeflächen sowie Bildung einer Art Kartell mit Facebook geht es in einem weiteren Prozess, der seit Ende 2020 am US-Bundesbezirksgericht für das Östliche Texas läuft. Die ursprünglichen Kläger sind die Regierungen Texas’ und neun weitere US-Staaten, die Google zahlloser vorsätzlicher Verstöße gegen Wettbewerbs- und Verbrauchschutzrecht zeihen. Das Verfahren soll nächsten März in die Gerichtssaalphase eintreten. Inzwischen haben sich weitere Regierungen der Klage (Texas et al v Google, Az. 1:21-cv-06841) angeschlossen.

(ds)