Streaming und Satelliten: DirecTV zahlt $1 für Dish und Sling TV

20 Jahre nach einer gescheiterten Fusion sollen Dish und DirecTV jetzt doch zusammenkommen. Mit umgekehrten Vorzeichen.​

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Zwei alte Fernseher

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 6 Min.
Inhaltsverzeichnis

US-Konzerne nehmen einen neuen Anlauf auf eine große Hochzeit im Pay-TV-Geschäft: DirecTV soll von Mitbewerber Echostar dessen Betriebe Dish und Sling TV übernehmen. Kaufpreis ist ein symbolischer Dollar, dazu Übernahme von Milliardenschulden. Das klappt aber nur, wenn zuvor ein Schuldenschnitt gelingt. Gleichzeitig will AT&T seine Mehrheitsanteile an DirecTV abstoßen; und Echostar plant, neue Aktien und Anleihen auszugeben, um Milliarden für sein 5G-Netz aufzustellen.

Echostar-Aktien haben am Montag nach Bekanntgabe der Pläne fast ein Achtel ihres Kurswertes verloren. AT&T-Aktien verloren zunächst ebenfalls, konnten zum Handelsschluss aber sogar ein kleines Plus verbuchen. Die Transaktion ist komplex (zu den Details siehe unten) und soll erst im vierten Quartal 2025 abgeschlossen werden. Auch die Vorgeschichte hat viele Kapitel, den den Rahmen einer Newstickermeldung sprengen würden. Kurz gesagt, ist DirecTV aus einer Tochter General Motors (GM) namens Hughes Electronics hervorgegangen und betreibt Satelliten-TV und TV-Streaming.

Echostar geht auf einen kleinen, 1980 von Charles Ergen gegründeten Händler von Hardware zum Empfang von Satelliten-TV zurück. Daraus wurde ab 1995 ein Betreiber einer eigenen Flotte geostationärer Satelliten für Pay-TV unter dem Markennamen Dish. Außerdem entwickelt Echostar Settop-Boxen und bietet Internetzugang über seine Satelliten an.

2001 einigte sich Echostar mit Hughes Electronics, dieses Unternehmen zu kaufen (samt DirecTV). Allerdings verhinderte die US-Handelsaufsicht FCC die Übernahme wegen Wettbewerbsbedenken. Das kostete Echostar nicht nur 600 Millionen US-Dollar Abstandszahlung an Hughes Electronics, sondern löste auch zwei unstete Jahrzehnte sowohl für Echostar als auch DirecTV aus.

Echostar löste Dish aus dem Konzern und brachte es 2008 an die Börse, um es 2023 zurückzukaufen. Dazwischen übernahm Echostar andere Satellitenbetreiber: Hughes Communications (Erfinder der very small aperture terminals (VSAT) und für einige Zeit ebenfalls Teil von GM), Terrestar Networks sowie DBSD. 2020, als T-Mobile USA und Sprint fusionierten, mussten die Netzbetreiber aus wettbewerbsrechtlichen Gründen die Mobilfunkmarke Boost Mobile samt Kunden abgeben. Echostar griff zu; seither ist das Unternehmen als virtueller Mobilfunknetzbetreiber (MVNO) tätig und errichtet jetzt ein landesweites 5G-Mobilfunknetz auf Open-RAN-Basis.

DirecTV ist ebenfalls seit Mitte der 1990er-Jahren als Satelliten-TV-Anbieter tätig. Nach dem gescheiterten Verkauf an Echostar übernahm News Corp, die Kontrolle. 2015 kaufte AT&T DirecTV zu einem Wert von 48,5 Milliarden Dollar auf. Sechs Jahre später wurde DirecTV wieder eigenständig, blieb aber zu 70 Prozent im Eigentum von AT&T. Investor TPG (vormals Texas Pacific Group) kaufte 30 Prozent.

Jetzt haben sich AT&T und TPG darauf geeinigt, dass TPG auch die restlichen 70 Prozent übernimmt. Das soll AT&T nächstes Jahr 2 Milliarden Dollar Kaufpreis bringen. Hinzu kommen Ausschüttungen von 5,1 Milliarden Dollar bis 2025 und noch eine halbe Milliarde 2029. Macht in Summe 7,6 Milliarden Dollar.

Das ist angesichts des einstigen Kaufpreises mager und zeigt, dass sich Pay-TV in einer tiefen Krise befindet. Streaming-Anbieter haben klassischen Satelliten- und Kabelpaketen mit deutlich niedrigeren Preisen und oft Reklamefreiheit das Wasser abgegraben. Inzwischen wendet sich das Rad: Die Streaming-Anbieter drehen wiederholt an der Preisschraube und verkaufen gleichzeitig Werbung.

Die Krise ist auch an Echostar nicht vorübergegangen. Der Geschäftsbereich mit Dish (Satellitenfernsehen) und Sling TV (Streaming) hat hohe Schulden angehäuft, zudem ist das Zinsniveau in letzter Zeit nicht mehr so ungewöhnlich niedrig. Eine Pleite ist nicht mehr auszuschließen. Daher sollen die bestehenden Gläubiger einem Schuldenschnitt von mindestens 1,568 Milliarden Dollar zustimmen, was 85 Prozent bereits getan haben sollen.

Zur Refinanzierung einer im November fälligen Anleihe gewähren TPG und dessen zukünftige Tochter DirecTV ein Darlehen über 2,5 Milliarden Dollar. Zusätzlich übernehmen sie weitere Anleihen zu einem Gesamtnennwert von 9,75 Milliarden Dollar. Dabei müssen die Gläubiger aber hinnehmen, dass die Laufzeit um einige Jahre verlängert wird und die Nennwerte um bis zu 40 Prozent reduziert werden, im Ausgleich für einen höheren Zinsfuß. Wer es genau wissen möchte, möge die veröffentlichte Tabelle konsultieren.

In Summe kann sich Echostar Schulden in Höhe von 11,7 Milliarden Dollar entledigen und 6,7 Milliarden Dollar Refinanzierungslast bis 2026 vermeiden. Zudem verzichtet Dish auf alle Frequenznutzungsrechte gegenüber Echostar. Diese Maßnahmen versetzen Echostar in die Lage, frisches Geld für den Bau seines 5G-Netzes aufzunehmen.

Bestehende Echostar-Financiers samt Firmengründer Ergen zeichnen eine neue, bis 2030 laufende Anleihe über 5,1 Milliarden Dollar, davon 100 Millionen Dollar von Ergen. Die nun unbelasteten Frequenzrechte dienen dabei als Sicherheit. Zusätzlich kommen 400 Millionen Dollar aus dem Verkauf neuer Aktien an Ergen. Außerdem sind da eine niedrig und eine gar nicht verzinste Dish-Wandelanleihe, die nicht von DirecTV abgelöst wird. Deren Laufzeiten kann Echostar um vier respektive fünf Jahre bis 2030 verlängern.

Was für den großen Geldreigen noch fehlt, ist, dass wahrscheinlich kommende Aktionärsklagen scheitern, ausreichend Gläubiger zustimmen, und vor allem die US-Wettbewerbsbehörden diesmal keine Steine in den Weg legen. Die Chancen stehen besser als 2002, da sich die Situation bei Satelliten-TV deutlich verändert hat. Der Markt schrumpft.

Die Beteiligten versprechen vorbeugend attraktivere Angebote für Endkunden in Form kleinerer Programmpakete. DirecTV erwartet demnach, mit Dish und Sling TV als größeres Unternehmen bessere Bedingungen beim Erwerb von Senderechten für TV-Inhalte aushandeln zu können. Das bedeutete aber nicht unbedingt, dass es solche Vorteile auch an Endkunden weiterreichen müssen würde.

(ds)