Die World Wide Web Foundation macht dicht
Nach 15 Jahren Einsatz für ein Netz, das sicherer und zugänglicher ist, wickelt Berners-Lee die Web Foundation ab. Er macht weiter gegen Datenausbeutung mobil.
15 Jahre lang arbeitete der Erfinder des World Wide Webs Tim Berners-Lee mit der von ihm gegründeten World Wide Web Foundation an einem Internet, das "sicher, vertrauenswürdig und leistungsfähig für alle ist". Nun hat die Institution Ende September ihre virtuellen Pforten geschlossen, wie das Team auf seiner Webseite erklärt.
Berners-Lee und seine Mitstreiterin Rosemary Leith sehen ihre Mission als teilweise erfĂĽllt. Sie betonen in einem Brief, dass ein neuer Kampf gefĂĽhrt werden mĂĽsse: gegen die "Kommerzialisierung der Nutzerdaten und Machtkonzentration" von Social-Media-Plattformen.
Als die Stiftung 2009 gegründet wurde, hatten nur knapp über 20 Prozent der Weltbevölkerung Zugang zum Internet, erläutern Sir Tim und Leith ihren Beschluss. Damals hätten sich auch nur wenige Organisationen um die Verbreitung gekümmert.
1,5 Jahrzehnte später seien fast 70 Prozent der Weltbevölkerung online. Mittlerweile würden sich viele zivilgesellschaftliche Organisationen um die Nutzerrechte kümmern. Die beiden Gründer danken ihren Unterstützern, die es ihnen ermöglichten, "große Fortschritte zu erzielen".
Hauptproblem soziale Netzwerke
Mittlerweile hätten sich die Probleme des Internets geändert, schreibt das Duo. Es sei daher an der Zeit, dass andere Interessengruppen die Sache von hier aus übernehmen. Das Hauptproblem sei das Geschäftsmodell der sozialen Netzwerke.
"Wir haben uns gemeinsam mit dem Vorstand der Web Foundation gefragt, wo wir in Zukunft den größten Einfluss haben können", referieren die Verfasser des Schreibens. "Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass Tims Leidenschaft, den Einzelnen die Macht und Kontrolle über Daten zurückzugeben und aktiv leistungsstarke kollaborative Systeme aufzubauen, künftig höchste Priorität haben muss." Berners-Lee wolle daher seine Bemühungen darauf konzentrieren, "seine Vision für das Solid-Protokoll und andere dezentrale Systeme zu unterstützen".
Der Informatiker und Physiker wirbt seit ein paar Jahren dafür, Datensilos zu öffnen. Er setzt dafür auf das dezentrale Webprojekt Solid. Nutzer sollen mit seiner Open-Source-Initiative in jedem Fall selbst bestimmen, wo ihre persönlichen Informationen gespeichert werden.
Neuer Gesellschaftsvertrag fĂĽrs Internet
Im Idealfall handelt es sich dabei um einen eigenen "Solid-Datenpod", über den der Inhaber die volle Kontrolle hat. Für die Umsetzung hat der 69-Jährige das Start-up Inrupt gegründet. Entwickeln will das Unternehmen etwa eine globale "Single Sign-On"-Funktion, mit der sich jeder von überall aus bei Webdiensten anmelden kann.
Über die Web Foundation trieb Berners-Lee vor allem seine Idee von 2018 voran, einen neuen Gesellschaftsvertrag fürs Web zu schaffen. Die "Magna Charta" sollte dem Briten zufolge helfen, Missstände wie Hass, staatliches Hacken und Cybercrime durch den Aufbau starker Online-Gemeinschaften zu bekämpfen. Sie richtete sich auch gegen Geschäftsmodelle, die helfen, Desinformation zu verbreiten.
Bundesregierung steht hinter dem Pakt
Die Bundesregierung stellte sich im November 2018 hinter diesen Pakt. Die fertige Version stand im Mittelpunkt des Auftakts des Internet Governance Forum (IGF) der Uno in Berlin 2019. Es gelte, das Web als Macht des Guten wieder auf die Spur bringen, hob Berners-Lee dort hervor. Prinzipien daraus flossen in die Erklärung zur Zukunft des Internets ein, die die USA und die EU 2022 gemeinsam mit Partnern veröffentlichten.
Berners-Lee gilt parallel auch weiter als wichtige Kraft beim World Wide Web Consortium (W3C), das er 1994 grĂĽndete. Schwerpunkt dieser Organisation ist die Arbeit an Standards fĂĽr ein offenes Web. Offiziell fĂĽhrt das W3C den Entwickler der Hypertext Markup Language (HTML) mittlerweile als "emeritierten Direktor".
Vor zwei Jahren stellte Berners-Lee klar, dass er die dezentrale Datenbanktechnik Blockchain nicht als die praktikabelste Lösung für den Aufbau der nächsten Generation des Internets hält. "Ignorieren Sie den Web3-Kram", riet er dem Publikum damals auf dem Web Summit in Lissabon.
(nen)