Der Preis

In die Aufregung um den Fortgang der jüngsten Ölpest mischt sich immer wieder Fatalismus: Das wird in Zukunft noch öfter passieren, heißt es in diversen Artikeln. Ich teile diesen Pessimismus keineswegs.

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In die Aufregung um den Fortgang der jüngsten Ölpest mischt sich immer wieder Fatalismus: Das wird in Zukunft noch öfter passieren, heißt es in diversen Artikeln. Das ist unvermeidlich, weil die großen Ölgesellschaften immer öfter auf Vorkommen in der Tiefsee ausweichen müssen. Der Golf von Mexiko wird als das neue Saudi Arabien bezeichnet - aus verschiedensten wirtschaftlichen und vor allem politischen Gründen wird sich die Förderung in den nächsten Jahren hier konzentrieren. Da ist es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis die nächste Quelle ihre tödliche Fracht ins Meer ablässt.

Ich teile diesen Pessimismus keineswegs. Sicher, erst vor kurzem hat mir ein Experte der Internationalen Energieagentur im Interview bestätigt, dass die Welt-Energieversorgung in den kommenden 10 bis 20 Jahren auch weiterhin von fossilen Energieträgern dominiert wird. Vor einigen Jahren, als ich an einer Story über die Zukunft fossiler Energieträger gearbeitet habe ("Bis zum letzten Tropfen") habe ich aber gelernt, dass man sich bei der Betrachtung der Energie-Zukunft nicht allein auf das Öl konzentrieren darf - man muss alle Kohlenwasserstoffe berücksichtigen, denn der eine fossile Energieträger kann den anderen ersetzen.

Das kostet zwar Energie und damit Geld, ist aber technisch durchaus machbar. Gas beispielsweise galt wegen seiner Kopplung an den Ölpreis, an die Ölförderung im Allgemeinen und die eng begrenzte Menge an Anbietern sehr lange nur als Alternative zweiter Klasse zu Öl und Kohle. Seit einigen Jahren tauchen aber vermehrt Kapazitäten von Flüssiggas auf dem europäischen Markt auf, die in den USA nicht verkauft werden können. Die drücken hier zum einen die Preise. Zum anderen eröffnen sie die Möglichkeit, mit neuen Lieferanten Verträge zu schließen, und sich nicht mehr so stark von den russischen Gaslieferanten abhängig zu machen. Auf der anderen Seite wird der Ölpreis von der Kohleverflüssigung in die Zange genommen: Vor einiger Zeit hatte der US-Kollege Peter Fairley berichtet, dass insbesondere die Chinesen dabei sind, große Kapazitäten aufzubauen, deren Kraftstoff bei einem Ölpreis von 40-50 Dollar pro Barrel konkurrenzfähig sein könnte.

Damit ergibt sich eine paradoxe Situation: Auf der einen Seite macht ein hoher Ölpreis Erneuerbare Energien interessant. Auf der anderen Seite sorgt er dafür, dass vermehrt in der Tiefsee gebohrt wird und Kohle und Gas als Öl-Ersatz nachrücken - was die Position fossiler Energieträger sozusagen nachhaltig zementiert.

Um die Sache vollends kompliziert zu machen, darf man bei all diesen Betrachtungen natürlich nicht den aktuellen Ölpreis betrachten, sondern muss die langfristige Preisentwicklung über die nächsten zehn Jahre berücksichtigen. So lange dauert es nämlich mindestens, bis ein neues Öl- oder Gasfeld tatsächlich erschlossen wird, wenn irgendwelche Konzerne heute beschließen, dort zu bohren. Das „Oil and Gas Journal“ meldet, dass der Preis für das Fass Rohöl sich innerhalb der kommenden zwei Jahre irgendwo zwischen 70 und 90 Dollar bewegen wird. Die spannende Frage ist: Was passiert dann? (wst)