Bauer Power

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Nein, doch nicht. Beim ersten Versuch mit Philipp auf dem Beifahrersitz grub sich der C4 im Defender-geplätteten Kehrenschnee fest. Außerdem stank es nach glühenden Bremsbelägen. Ich schaltete das ESP aus, das eine Differenzialsperre durch Bremsenverkochen simulieren will. Gut: Dieser Knopf schaltet beim Cactus auch die Traktionskontrolle ab. Mein Plan war, die Kacktusse jetzt mit Schwung auf das kleine Plateau der Kehre hochzuschaufeln und dann mit einmal zurücksetzen ums Eck zu fahren. Das klappte. Es motivierte außerdem Philipp, den Defender da mit einer ähnlichen Taktik hochzuwuppen. Genug Masse hatte er ja ...

Ich fuhr weiter und wollte mir keinen Schwung mehr nehmen lassen, denn das kostet nur Kupplung mit dieser langen Übersetzung. Wie ein Raddampfer grub sich die Front mit ihren beketteten Rädern durch den Schnee und in den engen Kehren zog der C4 die Front bei eingelenkten Rädern um, als sei das Heck nur eine Drehachse. Geradeaus dann zog der Frontantrieb den Arsch wie einen Schlitten hinterher. Auf diese Weise musste ich weder rangieren noch kuppeln und irgendwann stand ich oben auf dem Hang und schaute auf die Ziehharmonika hinunter. Kein Defender in Sicht. Auf dem Funkgerät nur Stille. Eine halbe Tafel Kinderschokolade später erklang dann doch das Brummen eines Diesels, das Schnaufen eines Turbos. Der Defender kam. Wie hatte er das geschafft, so ohne Differenzialsperren? "Gas. Viel Gas."

"Strong is not enough"

Auf der folgenden flacheren Passage raddampferte der C4 zwischen den Felsen, die den gleißenden Schnee durchbrechen. Es war herrlich. Ich hatte das Gefühl, es schon geschafft zu haben. Aber hier oben ging ein starker Wind, der den Schnee verwehte. Er lag damit stellenweise etwas tiefer, und das hieß für die Schneeketten Schwerstarbeit, denn sie mussten den Widerstand des gelegentlich im Schnee schleifenden Bauches überwinden. Ein plötzliches Schlagen im rechten Radkasten ließ mich stoppen. Der erste Verdacht stellte sich als richtig heraus: Ein Teil der Schneekette ist abgerissen, wahrscheinlich von einem Stein abgeschert, den die Kette sich unter dem Schnee geangelt hat. Was tun?

Gut, das ist eine rhetorische Frage. Ich reparierte die Schneekette notdürftig und wir drehten um – 5 Kilometer vor dem Gipfel. Natürlich hätten wir weiterfahren können und vielleicht hätten wir es trotz des Kettenrisses auch geschafft bis auf den Parkplatz. Der Schnee war niedrig genug und die Spuren verrieten, dass wir nicht die Einzigen waren, die noch hinauf fuhren. Aber jeder Alpinist wird mir zustimmen, dass so ein Risiko dumm gewesen wäre. Man muss es nicht verzwingen. "Strong is not enough" las ich auf der Schneekettenpackung beim Einpacken weiter unten. It would have been enough for me.

"Bist du enttäuscht?", fragte Philipp. Nein. Wir hatten einen wunderbaren Fahrtag, den wir abrundeten mit einer Fahrt über den Pass des Mont Cenis, wo damals Hannibal die Elefanten über die Alpen trieb. Der Cactus hat sich über alle Fahrbereiche als große Überraschung des Jahres herausgestellt. Es machte sogar Spaß, ihn die Serpentinen am Mont Cenis entlang zu dirigieren. Kritikpunkte habe ich nur drei: könnte übersichtlicher sein, Übersetzung als Handschalter zu lang (automatisiertes Sechsgang-Getriebe beim Diesel ausprobieren) und manchmal ruckt es leicht beim Lastwechseln. Ansonsten möchte ich jedem eine Fahrt in diesem Auto ans Herz legen, der Citroën abgeschrieben hat. Er vereinigt alle Tugenden eines Citroën-Reiseautos mit allen eines französischen Bauernautos. Ganz großes Kino. (cgl)