Dacia Sandero: Erste Ausfahrt

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Hvar (Kroatien), 23. Juni 2008 – Sparfüchse aufgepasst: Ab sofort ist Dacias neuer Fünftürer namens Sandero auch in Deutschland erhältlich. Wir hatten Gelegenheit, den nicht gar nicht einmal unflott gestylten Rumänen auf die Probe zu stellen.

Zwischen den Stühlen

Genau wie die Stufenhecklimousine Logan und ihr Kombi-Ableger Logan MCV zielt auch der Sandero auf kühle Kalkulierer, die auf den Glanz einer Traditionsmarke verzichten können. Glaubt man Renault. geht das Kalkül der Dacia-Mutter durchaus auf: Rund 60 Prozent der Logan-Käufer seien Menschen, die sich zuvor noch nie einen Neuwagen zugelegt hätten. Eine ganz ähnliche Zielgruppe soll auch der Sandero ins Visier nehmen. Der kompakte Fünftürer will eine junge Klientel mit begrenztem Budget ansprechen. Hierfür platzieren die Rumänen die Schrägheck-Limousine ziemlich genau zwischen VW Polo und Golf.

Abgehärteter Bursche

Mit einer Außenlänge von knapp über vier Meter wirkt der Dacia schon beim ersten Blickkontakt richtig erwachsen. Weit ausgestellte Radhäuser, die von einer nach unten gewölbten Sicke verbunden werden, sollen der Seitenansicht Dynamik verleihen. An der Front sitzen zackig gezeichnete Scheinwerfer, und ein großer Lufteinlass mit Wabengitter soll Dynamik suggerieren. Rein optisch wirkt der Auftritt des Sandero allerdings eher staksig als sportlich: Sein serienmäßiges Schlechtwegefahrwerk sorgt nämlich für eine großzügige Bodenfreiheit von 15,5 Zentimeter. Zusammen mit dem Unterfahrschutz für Motor und Getriebe macht es den Rumänen allerdings auch zum idealen Auto für Länder mit rauen Straßenverhältnissen. Wer die milden Offroad-Ambitionen optisch unterstreichen will, kann übrigens das Styling-Kit "SUV Look" ordern. Die angedeuteten Unterfahrschutzleisten für Front, Heck und die Seiten bietet Dacia ab 450 Euro an.

Dacia Sandero: Erste Ausfahrt

Kein Billigheimer

Von außen ist also alles im mehr oder weniger grünen Bereich, aber wie sieht ein 7500-Euro-Auto von innen aus? Die Antwort lautet: Gar nicht mal schlecht – jedenfalls dann, wenn man wie wir die Top-Ausstattung "Lauréate" fährt. Die ist derzeit nur mit dem 1,6-Liter-Ottomotor lieferbar und kostet genau 10.000 Euro. Von Tristesse ist in unserem Testwagen nicht viel zu spüren: Das Armaturenbrett wirkt gut verarbeitet und fasst sich angenehm an. Das Lenkrad mit Dacia-Logo stammt aus dem Renault-Konzernregal und liegt gut in der Hand. Auch Schaltknüppel, Bedienhebel und Knöpfe wirken solide und wertig. Zwischen weiß hinterlegtem Tacho und Drehzahlmesser sitzt gar ein Bordcomputer und in der Mittelkonsole sorgt ein Blaupunkt-CD-Radio für gute Laune (Aufpreis: 460 Euro). Zusätzliche Highlights sind Plastikapplikationen im Pseudo-Alu-Look, die Mittelkonsole, Lüftungsdüsen und Türgriffe zieren. Allerdings: In der Einsteigerversion verzichtet das Sandero-Cockpit auf zahlreiche optische Gimmicks und gibt sich deutlich freudloser.

Platz für alle

Auch bei der Sitzprobe fällt das Urteil durchaus positiv aus. Das vordere Gestühl ist angenehm straff gepolstert, bietet allerdings nur sehr wenig Seitenhalt. Beim Platzangebot hingegen gibt's keinen Grund zur Klage: Sowohl Front- als auch Heckpassagiere sind kommod untergebracht. Menschen über 1,80 Meter können bequem hintereinander sitzen, und die großzügige Kopffreiheit sorgt vorne wie hinten für ein gutes Raumgefühl. Ebenfalls geräumig geht es im Gepäckabteil zu: Mit 320 Liter schluckt der Sandero fast genauso viel wie ein aktueller Golf. Wenn die asymetrisch teilbare Rückenlehne fällt, passen bis zu 1200 Liter in den Kofferraum.

Ausreichend motorisiert

Ein Dreh am Zündschlüssel erweckt die derzeitige Topmotorisierung zum Leben. Unter der Haube unseres Sandero werkelt ein 1,6-Liter-Ottomotor, der 87 PS Leistung und ein maximales Drehmoment von 128 Nm bereitstellt. In der Basisversion gibt es nur ein 1,4-Liter-Aggregat mit 75 PS. Mit der größeren Maschine erledigt der Dacia den Sprint auf 100 km/h in 11,5 Sekunden und schwingt sich zu einer Höchstgeschwindigkeit von immerhin 174 Sachen auf. In der Praxis lässt es sich mit dem Vierzylinder gut leben, ein Temperamentbolzen ist der Sandero allerdings nicht. Wer flott unterwegs sein will, muss fleißig im gut zu schaltenden Fünfgang-Getriebe rühren und den Motor auf Drehzahl halten. Ein Überholkünstler ist der Dacia nicht, und vor Steigungen kann ihm schon mal ein wenig die Puste ausgehen. Von anderem Charakter werden wohl die beiden Dieselversionen mit 68 und 86 PS sein, die fürs Frühjahr 2009 angekündigt sind. Besonders bei der stärkeren Variante wird ein Drehmoment von 200 Nm bei 1900 U/min zumindest für souveräneren Durchzug aus niedrigen Drehzahlen sorgen.

Dacia Sandero: Erste Ausfahrt

ESP? Gibt's nicht!

Aufgrund der wenig sportlichen Leistung fällt es schwer, das Sandero-Fahrwerk in Kurven an seine Grenzen zu bringen. Wer den Rumänen dennoch scheucht, wird mit deutlichem, aber unproblematischen Untersteuern belohnt. Die gut abgestimmte, nicht zu leichtgängige Servolenkung liefert bei solchen Manövern genug Rückmeldung. Die Stopper mit serienmäßigem ABS und elektronischer Bremskraftverteilung kommen mit den 1100 Kilogramm des Rumänen gut klar – trotz der klassenüblichen Trommelbremsen an der Hinterhand. Damit endet die Liste der elektronischen Fahrdynamik-Helfer aber auch schon: ESP ist im Sandero generell nicht lieferbar. Renault begründet diesen Schritt mit den hohen Entwicklungskosten. Angeblich seien potenzielle Sandero-Kunden nicht gewillt, einen höheren Basispreis in Kauf zu nehmen, den die Entwicklung eines optionalen ESP mit sich brächte.

Gute Komfortwertung

Zwar haben wir den elektronischen Schleuderschutz bei unserer ersten Ausfahrt im kroatischen Ferienort Split nicht vermisst. Dass ein derart sicherheitsbewusster Hersteller wie Renault sich mit dem Kostenargument herausredet und ESP erst gar nicht anbietet, verwundert dennoch. Insgesamt ist das Fahrverhalten auf trockener Straße gutmütig und, aufgrund der langen Federwege, erstaunlich komfortabel. Der Aufbau wankt in der Kurve merklich mit, dafür jedoch verdaut der Unterbau auch gröbere Unebenheiten klaglos. Lediglich kurze, harte Stöße – etwa beim Überfahren von Bremsschwellen – dringen deutlich spürbar zu den Passagieren durch.

Wirklich günstig

Dacia bewirbt den Sandero mit einem Kampfpreis von 7500 Euro, unser Testwagen ist allerdings deutlich teurer. In der Top-Ausstattung und mit Top-Motor sind 10.000 Euro für den Rumänen fällig. Wer noch mehr Luxus will, kann Extras wie 15-Zoll-Leichtmetallfelgen (600 Euro) oder ein 4×15 Watt CD-Radio (460 Euro) mit MP3-Funktion (50 Euro) ordern. Aber selbst wer sich einen voll ausgestatteten Sandero vor die Tür stellt, kommt nicht über einen Preis von 12.450 Euro hinaus. Zum Vergleich: Der kleinere Chevrolet Aveo mit 84 PS kostet in der mittleren LS-Ausstattung bereits 12.090 Euro. Wer ihn mit einer Klimaanlage ordert, treibt den Preis auf 13.090 Euro. Ein vergleichbarer Sandero im Lauréate-Trimm plus Klimaanlage und CD-Radio (Paketpreis: 1250 Euro) rollt für deutlich günstigere 11.250 Euro vom Händlerhof.

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Kein Kostverächter

So bleibt eigentlich nur ein Kritikpunkt, was die Kosten angeht: der Spritverbrauch. 7,2 Liter schluckt der Sandero 1.6 laut Hersteller im kombinierten Testzyklus auf 100 Kilometer. Innerstädtisch genehmigt sich der Dacia bereits in der Papierform glatte zehn Liter. Da diese Werte in der Praxis erfahrungsgemäß nur schwer zu erreichen sind, müssen sich Fahrer Sandero auf eine Benzinverbrauch jenseits der 8 Liter pro 100 Kilometer einstellen. Angesichts steigender Spritpreise sind solche Werte in dieser Leistungsklasse schlicht zu hoch und haben wenig mit den Bedürfnissen der Menschen zu tun. Je stärker die Spritpreise steigen, desto mehr rückt bei der Frage, wie Mobilität bezahlbar bleiben soll, ein günstiger Verbrauch gegenüber einem günstigen Anschaffungspreis in den Vordergrund.