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Fahrbericht BMW M140i

Der BMW M140i ist die letzte Inkarnation des Kompakten mit Standardantrieb und Sechszylinder. Bevor in zwei Jahren Flottenverbrauch und vermeintliche Kundenwünsche dem fahrdynamischen Konzept des 1er endgültig den Garaus machen, wird es noch einmal Zeit für eine Ausfahrt

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Fahrbericht BMW M140i 22 Bilder
Lesezeit: 16 Min.
Von
  • Daniel Schraeder
Inhaltsverzeichnis

Der BMW M140i ist die letzte Inkarnation des Kompakten mit Standardantrieb und Sechszylinder aus München. Bevor in zwei Jahren Flottenverbrauch und vermeintliche Kundenwünsche dem fahrdynamischen Konzept des 1er endgültig den Garaus machen, wird es noch einmal Zeit für eine Ausfahrt. Und eine Entscheidung.

Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude. Nur selten schienen die Tage bis zur Abholung eines Testwagens so langsam zu vergehen wie im Fall des M140i. Aber warum ist das so? Eigentlich ist es ja „nur” ein Kompaktwagen. Das kleinste Modell der Bayern, der Einstieg unter den M-Modellen und eigentlich noch nicht mal ein richtiger M, sondern nur ein M-Performance.

Understatement par excellence

Das ist aber auch gleich seine große Stärke – zumindest für diejenigen, die Unauffälligkeit schätzen. Der 1er sieht nach nichts aus. Gut, die hohe Leerlaufdrehzahl von weit über 1000/min in den ersten Sekunden direkt nach dem Kaltstart verrät ihn ein wenig. Das Röhren klingt ein bisschen mehr nach Boxengasse als an Kompaktwagen-Vernunft. Aber ansonsten muss man schon wirklich ein Kenner sein, um zu merken, dass an diesem 1er etwas besonders ist.

Auf der Autobahn bemerkt man das bisweilen. Liebend gerne fahren dicke AMG-SUVs, die problemlos das doppelte bis dreifache des Kraft-1ers kosten, bei blockierter Überholspur auf wenige Millimeter auf. Im Rückspiegel ist dann nur noch der Benz-Stern direkt hinter der Heckscheibe sichtbar, wahlweise auch die Ringe eines Audi RS Q7.

Ist die Straße frei, beginnt die Sternstunde, aber nicht die des AMG: Kickdown, das Getriebe schaltet zurück, der Turbo baut Druck auf, der Sechszylinder dreht hoch, 5000, 6000, 7000 Umdrehungen pro Minute, die Nackenhaare streben nach oben, nächster Gang, alles wieder von vorne. Und der Benz-Stern? Ist nicht mehr zu sehen, zumindest, solange die Autobahn frei bleibt.

Wer den 1er ohne Modellschriftzug auf der Heckklappe bestellt, unterstreicht den unauffälligen Auftritt. Die silbernen Spiegelkappen? Der Doppelauspuff? Ja, so verrät er sich, aber nur Kennern fällt das auf. Bei einer Fotosession auf der kurvigen Bergstraße Passo di Foscagno hatte ein bergauf radelnder Mountainbiker kaum noch genug Luft, um seinen Lenker gerade zu halten. Doch für einen hochgestreckten Daumen und ein zischendes „Cool, that’s a M140i” reichte es.

Fahrdynamik? Eins Plus!

Während sich der von uns im vergangenen Jahr getestete A45 AMG von Mercedes schon im Stand mit sportmotor-typisch unruhigem Leerlauf, harten Sitzen und dröhnendem Auspuff wie ein anabolikagedopter, etwas prolliger Fitnessstudio-Kraftprotz gibt, kann man im M140i auch seine Oma zum Kaffeekränzchen ausfahren. Und wenn man der Versuchung widersteht, das Gaspedal tiefer als ein paar Millimeter zu treten, wird sie nicht einmal bemerken, in was für einer Rakete sie gerade sitzt.

Wer es darauf anlegt, kann ihr aber auch mit Quer- und Längskräften die Dritten aus dem Mund holen. Der M140i gibt dem Fahrer jederzeit das Gefühl, mit Wagen und Straße zu verschmelzen. Die Lenkung ist präzise, auf der Passstraße hat man das Gefühl, es fehlen nur noch Kimme und Korn zum Zielen.

Das Fahrwerk ist allerdings bretthart. Wer seinen Bandscheiben etwas Gutes tun will, bestellt das adaptive Fahrwerk, das im Comfort-Modus nur noch hart ist – aber zumindest die Plomben bleiben in den Zähnen. Das harte Fahrwerk ist es auch, das dem ansonsten so überraschend alltagstauglichen 1er ein bisschen von seiner Langstreckentauglichkeit nimmt. Aber ganz im Ernst? Who cares. Bei der nächsten engen Kurve ist die Kritik vergessen; wenn man wieder zielt und abdrückt – mit dem rechten Fuß.

Darf’s noch ein bisschen mehr sein? Wer sich traut, schaltet das bei BMW DSC genannte Fahrstabilitätsprogramm ab. Ab dann wird mit dem Gaspedal gelenkt – und zwar mindestens so präzise wie mit dem Lenkrad. Selbst „versehentliche” Drifts gelingen aufgrund der perfekten Gewichtsverteilung von 50:50 zwischen Vorder- und Hinterachse wie im Bilderbuch; man hat permanent das gute Gefühl, die volle Kontrolle zu haben – selbst dann, wenn die Mücken gerade auf der Seiten- statt der Windschutzscheibe aufschlagen.

Wer möchte, kann aus dem Stand noch die Launch-Control genannte Durchstarthilfe nutzen, um in kürzester Zeit von 0 auf 100 zu schießen. Je nach Straßenzustand zieht der 1er dann bis etwa 70 km/h schwarze Streifen auf den Asphalt oder beschleunigt durch ohne Schlupf. Aber: Das Feature braucht man auf der Straße nicht. Es führt zu erhöhtem Verschleiß, und gefühlt ist der Unterschied zu ganz normalem Durchbeschleunigen – sofern es das bei diesem Auto überhaupt gibt – kaum zu merken.

Der 1er bietet – noch – die Wahl

Im Gegensatz zu den Kunden des Mercedes-AMG A45, der mit seinem grundsätzlichen Frontantrieb bei so viel Leistung nur sinnvoll als Allradler zu fahren ist und deshalb auch nur als 4WD-Modell verkauft wird, hat man beim BMW dank Standardantrieb – noch – die Wahl. Soll es der Standard-Antrieb an der Hinterachse sein oder dürfen, sollen, müssen alle vier Räder angetrieben werden? Die Frage ist sinnvoll und kann eigentlich nur nach einer Probefahrt entschieden werden. Am Ende können und dürfen dann die persönlichen Vorlieben den Ausschlag geben – ein klarer Vorteil gegenüber Daimlers Hot Hatch.

Bei BMW heißt der Allrad-Antrieb „X-Drive“. Den gibt’s nur mit Automatik-Getriebe, der 1er kostet dann 47.400 Euro. Das ist 1900 Euro teurer als der heckgetriebene 1er mit Automatik, und stolze 4150 Euro mehr als die handgeschaltete Variante.