Modellpflege bei der BMW R 1200 GS

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BMWs heilige Kuh wurde für 2017 vorsichtig überarbeitet. Die R 1200 GS führt seit Jahren mit riesigem Vorsprung die Bestsellerlisten in vielen Ländern an und so gehen die Münchner immer sehr behutsam beim Thema Renovierung vor. Man will auf gar keinen Fall das Konzept verwässern und Fans verprellen. Obwohl, für Puristen wurde ihr Boxer vor zwei Jahren sogar im Wortsinn „verwässert”, als er flüssigkeitsgekühlte Zylinder erhielt.

Für 2017 musste die GS für die Euro4-Norm aufgerüstet werden und die Entwicklungsabeilung passte dem Boxermotor bereits im Sommer einen geänderten Katalysator und einen neuen Datenstand für das Motormanagement an. Dass dabei kein PS oder Newtonmeter verloren ging, war BMW sehr wichtig – der Boxer leistet immer noch 125 PS und erreicht eine Kraft von 125 Nm.

Krachfrei schalten

Zur EICMA in Mailand präsentierte BMW überraschend ein Facelift der R 1200 GS. Die seitlichen Tankverkleidungen wurden geglättet und die Kühlerverkleidungen laufen nicht mehr spitz nach vorne aus. Wer genau hinsieht, entdeckt auch leichte Designretuschen am „Entenschnabel“, dem Spritzschutz unterhalb des Scheinwerfers, außerdem ist der Heckrahmen nun schwarz lackiert. Tiefgreifendere Änderungen verbergen sich im Inneren. Auf der Getriebeausgangswelle sitzt ab sofort ein Ruckdämpfer, wie der, der bereits seit dem vorigen Jahrgang auf der schwereren R 1200 GS Adventure Lastwechselreaktionen besänftigt. Überarbeitete Getriebewellen und Schaltwalzenbetätigungen sollen dem seit Jahren bemängelten Krachen beim Schalten ein Ende bereiten. Für die Euro4 wurden zudem eine Kontrollleuchte für die Onboard-Diagnose sowie seitliche Reflektoren Vorschrift.

Der Hingucker auf dem BMW-Stand in Mailand war zweifellos die Version R 1200 GS Rallye. An dem Sondermodell mit dem wie vor zwanzig Jahren an der R 80 GS Basic blau lackierten Hauptrahmen ist die Sitzbank nicht mehr zweigeteilt, sondern durchgängig und erleichtert dem Enduristen die Gewichtsverlagerung nach hinten. Außerdem ist der Sitzbezug seitlich weiß abgesetzt. Für einen sicheren Stand des Fahrers erhielt sie die breiteren, gezahnten Fußrasten der Adventure und Rahmenschützer aus Plastik gegen hässliche Kratzer.

Natürlich verfügt die Rallye über Drahtspeichenräder anstatt der sonst üblichen Gussfelgen, optional können schon ab Werk grobstollige Enduroreifen geordert werden. Leider konnte sich BMW nicht durchringen, der Rallye ein 21-Zoll-Vorderrad zu spendieren, wie es beispielsweise Honda bei der Africa Twin getan hat, sondern belässt es bei 19 Zoll. Das hätte die Geländetauglichkeit der GS noch etwas erhöht.

Sportfahrwerk serienmäßig

Am meisten dürfte die Rallye aber vom Sportfahrwerk profitieren, das es bislang schon gegen Aufpreis gab und bei ihr nun serienmäßig verbaut ist. Es enthält ein neues Telelever-Gelenk, härter abgestimmten Federn und Dämpfern vorne und hinten, außerdem zwanzig Millimeter mehr Federweg, entsprechend 210 Millimeter vorne und 220 Millimeter hinten. Es erhöht also nicht nur die Schluckfähigkeit des Fahrwerks, sondern macht die R 1200 GS Rallye, laut Aussage eines Testfahrers, auch handlicher. Die Bodenfreiheit und die Sitzhöhe steigen entsprechend ebenfalls um zwei Zentimeter. Das Sportfahrwerk macht jedoch das optionale semiaktive Fahrwerk „Dynamic ESA Next Generation“ zwingend notwendig. Durch die von der Sensorbox übermittelten Informationen erfolgte bei dem bisherigen „Dynamic ESA“ die Dämpfungsanpassung – sogar in Schräglage – an den jeweiligen Fahrzustand elektronisch im Millisekunden-Bereich. Die neue ESA-Generation stellt jetzt zusätzlich die Federbasis auf die Gegebenheiten ein, so wird beispielsweise ein durch höheres Fahrergewicht bewirktes Einsacken der Federung automatisch durch mehr Vorspannung ausgeglichen.

Für den Geländeeinsatz dienen bei der Rallye die Fahrmodi „Enduro“ und „Enduro Pro“. Ersterer Modus bewirkt eine weichere Gasannahme, später eingreifende Traktionskontrolle, andere Bremsverteilung und angepasstes ABS-Regelverhalten. Der „Enduro Pro“-Modus wird per Codierstecker freigeschaltet und deaktiviert die ABS-Funktion an der Hinterradbremse ab und lässt noch mehr Schlupf am Hinterrad zu. Wer mit dem 244-Kilogramm-Brocken ins Gelände fährt, sollte aber viel Offroad-Erfahrung mitbringen, denn die Grenzen der Physik kann auch die beste Elektronik nicht außer Kraft setzen.

Der niedrigere Windschild sorgt für einen besseren Überblick auf die Bodenbeschaffenheit vor dem Vorderrad, wenn der Endurist auf den Rasten steht. Ein Paar Handschützer retten die Handhebel beim Sturz vor dem Abbrechen oder Verbiegen. Ansonsten zeichnet sich die Rallye durch Brembo-Bremssättel und einen großen GS-Schriftzug auf dem Tank aus. Die Lackierung des Tanks und des Entenschnabels nennt sich übrigens „Lupinblau metallic“, während der Hauptrahmen in „Cordobablau“ daher kommt.

Preis mäßig erhöht

Die R 1200 GS Rallye ist ab 15.740 Euro zu haben. Die Basis-Version kostet ab sofort 15.150 Euro, der Aufpreis für die Gelände-Version ist also eher mäßig ausgefallen. Die Rallye entsteht – abgesehen von der Lackierung – einfach durch Komponenten aus dem hauseigenen Zubehörprogramm. Wer aber eine normale R 1200 GS zu einer „Rallye“ umbauen möchte, wird deutlich tiefer in die Tasche greifen müssen. Allerdings ist selbst der Rallye-Besitzer wegen des Sportfahrwerks gezwungen, für das „Dynamic ESA Next Generation“ Aufpreis zu zahlen – und das dürfte nicht billig werden. Den genauen Preis des elektronischen Assistenzsystems hat BMW noch nicht offiziell bekannt gegeben, die Vorgänger-Generation lag aber schon bei 790 Euro. Darüber hinaus bietet BMW wie gewohnt eine ellenlange Liste an Zubehör an.

Sicher hätten viele Enduristen gerne eine Upside-down-Gabel anstatt des Telelevers am Vorderrad der Rallye gesehen. Zwar funktioniert der mittlerweile gar nicht mal mehr so unsensibel, wiegt aber deutlich schwerer als eine Upside-down-Gabel, wie sie längst an den Schwestermodellen R 1200 R und R 1200 RS verbaut wird. Selbst die HP2 Enduro von 2005 trug bereits eine Upside-down-Gabel und machte damit Offroad eine gute Figur.

Als zweites Sondermodell debutierte in Mailand die R 1200 GS Exclusive. Der Name ist Programm, soll sie sich doch durch reine Äußerlichkeiten von der Standard-Version unterscheiden, denn technisch sind die beiden absolut identisch. Die Exclusive wird auf dem Tank und dem Entenschnabel in „Iced Chocolate metallic“ lackiert, die Tankverkleidungen in „Monolith metallic matt“ und der Rahmen in „Achatgrau metallic matt“, was mal wieder die Frage aufwirft, wer sich solche Namen für Farben ausdenkt. Die Kühlerverkleidung ist aus Edelstahl gefertigt und die Bremssättel sind golden eloxiert. Fahrer und Sozius hocken auf einer üppiger gepolsterten Komfort-Sitzbank. Die R 1200 GS Exclusive gibt es für 15.480 Euro.