Prozessorgeflüster

Weit weg vom Intel-Tagungsort musste man sich nicht bewegen, um zu AMD zu gelangen. Im Hotel an der nächsten Straßenecke war Intels Konkurrenz aufmarschiert, um ebendort ihr Gegenstück zum Thema CPU mit integrierter Grafik zu präsentieren.

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Gewiss, die fairste Geste ist es nicht, die zur Intel-Entwicklerkonferenz IDF angereisten Journalisten parasitär „abzusaugen“ – aber immerhin hat das ja auch schon Tradition. Der vorgeführte AMD-Chip namens Zacate war vielen europäischen Journalisten auch schon bekannt, hatte ihn AMD doch bereits auf der IFA in Berlin demonstriert – Fotos vom Prototyp-System waren dort allerdings nicht erlaubt.

Die etwas leistungsfähigere Variante des Ontario-Chips mit zwei Bobcat-Kernen und GPU soll mit 18 Watt auskommen. Wie bei Intel auch musste ein Core-i5-Notebook mit GeForce-310M-Grafik als Gegenstück herhalten – nur benannte es AMD passender als Einstiegsgrafik und ordnete es nicht der Mittelklasse zu. Die Framerate der Prototyp-Plattform war bei „City of Heroes“ etwa doppelt so hoch wie die des Notebooks, was grob die gleiche Grafikleistung wie die des Intel Sandy Bridge andeutet. Aber anders als bei Intel liefert Zacate volle DirectX-11-Unterstützung.

Grob die doppelte Grafikleistung wie ein Core-i5-Notebook mit Nvidia GeForce 310M schafft dieser noch recht voluminöse AMD-Zacate-Prototyp mit im Prozessor integrierter Grafik.

Während Zacate mehr für den Mainstream-Notebook-Markt gedacht ist, soll der kleinere Bruder Ontario den Netbook-Bereich adressieren, dort wo Intel bei den Atoms noch keinerlei ähnlich leistungsfähige Grafik in Aussicht hat. Intel schielt mit den Atoms zunächst ohnehin stärker auf den Embedded-Markt, wo Grafikperformance eher weniger gefragt ist. Hierfür ist insbesondere die neue Atom-Familie E600 mit integriertem PCIe gedacht. Doch auch AMD will mit Ontario auf diesem Gebiet mitmischen, und zwar mit dem eOntario. Interne AMD-PowerPoint-Folien mit den geplanten Modellen und der „Planned Feature List“ sind vor Kurzem ganz zufällig im Internet aufgetaucht: mit einem oder zwei Bobcat-Kernen, mit und ohne GPU. Das leistungsfähigste Modell eOntario T56N mit zwei Bobcat-Kernen und DirectX-11-GPU verbraucht bis zu 18 Watt TDP und damit mehr als doppelt so viel wie der Atom N550 (8,5 Watt) mit seiner äußerst schlappen Grafik und vermutlich wohl nur der halben Rechenleistung. Zwar will AMD vom eOntario auch eine 9-Watt-Version T40N liefern, aber die muss mit 1 GHz auskommen und mit langsamerem Low-Voltage-Speicher. So schrumpft bei Waffen- beziehungsweise Wattgleichheit der Leistungsvorsprung zum Atom N550 wohl deutlich. Der kleinste Vertreter der eOntario-Familie, der T24L mit einem Bobcat-Kern ohne GPU, läuft mit 800 MHz und beschränkt sich auf 5 Watt. Muster der ersten Chips sollen im vierten Quartal ausgeliefert werden, volle Produktion (bei TSMC im 40-nm-Bulk-Process) ist fürs erste Quartal 2011 geplant.

Damit wären die Embedded-Chips mal gleichauf mit den „normalen“ Kollegen. Normalerweise mahlen im Embedded-Segment die Mühlen deutlich langsamer, als von den Desktop-PCs und Notebooks gewohnt. So hatte beispielsweise Qualcomm schon 2008 Dual-Core-Versionen der Systems-on-Chip (SoCs) namens Snapdragon angekündigt – freilich ohne zu erwähnen, dass noch drei Jahre vergehen werden, bis Endkunden damit bestückte Geräte kaufen können. So ungefähr ab Mitte 2011 soll es so weit sein. Bis dahin werden freilich schon eine Reihe von Snapdragon-Konkurrenten in freier Wildbahn leben, der Nvidia Tegra 250 etwa ist schon zu haben.

Bei Prozessoren und SoCs für leichtgewichtige Note- und Netbooks, Tablets und High-End-Smartphones ist ein regelrechtes Performance-Wettrennen ausgebrochen, obwohl just die Rechenleistung bei vielen dieser Geräte nur ein untergeordnetes Kriterium ist – viel stärker fallen unausgegorene Bedienkonzepte, Mangel an fingerbedienbaren Anwendungen und schlecht ablesbare Displays ins Gewicht. Möglicherweise ist die Performance-Diskussion ja auch ein Ablenkungsmanöver. Fest scheint jedenfalls zu stehen, dass ein Intel Atom mit 1,6 GHz schneller ist als ein einzelner Cortex A8 mit 1 GHz, wie er etwa im iPad steckt. Der Nvidia Tegra 250 mit zwei Cortex A9 bei 1 GHz dürfte wiederum flotter sein als ein Einzelkern-Atom, aber der neue Atom-Doppelkern N550 zieht an zwei 1-GHz-ARMen vorbei. 2011 könnten dann Tablets mit zwei 2-GHz-ARM-Kernen erscheinen – und nun kommt ja auch noch AMDs eOntario mit einem oder zwei Bobcat-Kernen, die bei 1,6 GHz sicherlich alle eben Genannten in die Tasche stecken dürften, aber eben mit deutlich höherem Energiebedarf.

Bei den Atoms und Ontarios kommt zudem noch eine Chipsatz-Komponente hinzu, die unter Volllast bis zu 2 Watt schlucken dürfte; für den EG20T des Atom E600 nennt Intel 1,55 Watt. Mit rund 2 Watt, so verspricht wiederum die chinesische Firma Nusmart, kann dank ARM-Technik ein komplettes Dual-Core-SoC mit 1,6 GHz Taktfrequenz, integriertem Smartphone-Grafikchip sowie sämtlichen nötigen Schnittstellen auskommen. Schade bloß, dass bisher anscheinend kein Hersteller ein ARM-Netbook plant, auf dem man das Betriebssystem sowie die Kapazität von Festplatte und Hauptspeicher selbst bestimmen darf.

Im kommenden Jahr dürften aber immerhin zahlreiche Tablets mit Dual-Core-ARMs erscheinen, der von Samsung angekündigte Orion könnte dabei stark einem möglichen Apple A5 (oder A8?) ähneln, wenn Apple weiterhin bei Samsung fertigen lässt.

Was bei IBM-Servern schon lange üblich ist, erprobt Intel jetzt mit der Pentium-Familie: Mehr Rechenleistung auf Abruf – und gegen Aufpreis. Als ersten Prozessor mit dieser Aufrüstungsfunktion verkauft Intel den Pentium G6951: Wie beim Pentium G6950 laufen seine beiden Kerne mit 2,8 GHz und unterstützen weder Hyper-Threading noch Turbo Boost. Doch anders als der G6950 lässt er sich per Software hochrüsten, sofern er auf einem der beiden Intel-Mainboards DH55TC oder DH55PJ läuft und der Rechnerbesitzer in Nordamerika wohnt, wo man den Upgrade-Code für 50 Dollar kaufen kann. Nach Installation einer speziellen Software und Eingabe des Codes verwandelt sich der Pentium G6951 dann auf wundersamer Weise in einen G6952, der 4 statt 3 MByte L2-Cache sowie Hyper-Threading bietet.

Ein wirkliches Schnäppchen ist das aber nicht, mit rund 137 US-Dollar kommt der aufgepeppte G6952 auf den Preis eines weit leistungsfähigeren Core i3-560. Vielleicht ist das Ganze ja auch eher als Herausforderung an die Hackerszene gedacht, um zu checken, ob das Prozedere knacksicher ist. (as)