Blick in die Tiefe
Mitten drin statt nur dabei: Nach dem erstaunlichen Erfolg von neueren 3D-Kinoproduktionen ließ eine Umsetzung für den Heimanwender nicht lange auf sich warten. Auf der photokina in Köln konkurrierten gleich mehrere Ansätze, die dritte Dimension auf Fotografien und Videoclips zu bannen.
- Rebecca Stolze
Wohin man auf der vergangenen IFA auch schaute, erblickte man klobig bebrillte Menschentrauben vor Flach-TVs und Großprojektionen. Auch auf der photokina wurde das Thema von namhaften Herstellern aufgegriffen und aus seinem Nischendasein geholt – eine plausible Entscheidung, bedenkt man die geringe Anzahl an kommerziellen Inhalten mit Zusatz-Dimension. Herausgekommen sind unterschiedliche Ansätze, den Mehrwert an Information auf die Speicherkarte zu bannen. Nur am Rande können wir auf die Panasonic-Vorsatzlinse für die Micro-FourThirds-Modelle eingehen (siehe Kasten), das Objektiv war noch nicht lieferbar.
Zwei Wege, ein Ziel
Mit der FinePix Real 3D W3 geht Fuji zum zweiten Mal den klassischen stereoskopischen Weg – zwei Objektive mit zwei dahinter liegenden CCD-Sensoren in einem Gehäuse. Die Optiken sind in einem Abstand von 75 mm verbaut, was etwas mehr als der durchschnittliche Augenabstand eines Menschen (rund 65 mm) ist. Die Kamera nimmt genau wie Homo sapiens Bilder aus zwei unterschiedlichen Perspektiven auf. Die Rechenaufgabe, diese zu einem Bild mit dreidimensionalem Eindruck zu vereinen, übernimmt das Gehirn, wenn man sie in geeigneter Weise den Augen präsentiert – etwa am 3D-Display der Kamera. Neben Einzelaufnahmen zeichnet das mit 12 Zentimetern recht breite Gerät auch 3D-Videos mit einer Auflösung von bis zu 1280 x 720 Pixeln auf. Natürlich beherrscht die Kamera weiterhin 2D-Aufnahmen: Ein einfacher Modus-Wechsel über das Menü, und die 3D W3 linst nur noch einäugig.
Sony geht mit den spiegellosen NEXen einen anderen Weg und nutzt das schon länger eingeführte Schwenkpanorama zur Generierung von dreidimensionalen Bildern. Ein Firmware-Update macht auch Geräte der ersten Stunde 3D-fähig, da die relevanten Informationen längst vorhanden sind: Beim Schwenken nimmt die Kamera ja zwangsläufig unterschiedliche Perspektiven desselben Motivs auf. Allerdings gibt es hier bereits für die Kamera einiges zu tun, denn die Einzelbilder des Panorama-Schwenks müssen korrekt aneinandergefügt und stereoskopisch aufbereitet werden.
Aufnahme!
Das Fotografieren mit Fujis Real 3D W3 gestaltet sich äußerst einfach – 3D-Modus einstellen, Auslöser drücken, fertig. Schon beim Fokussieren warnt die Kamera, wenn ihr ein Objekt zu nah vor den Linsen ist, was bei weniger als 60 Zentimetern der Fall ist. Sie springt dann mit dem Autofokusfeld auf ein dahinter liegendes Motivteil. Das ist anfangs irritierend, letztlich aber hilfreich: Allzu nahe Objekte fallen bei der
späteren 3D-Betrachtung unangenehm auf. Personen kommen ab einem Abstand von rund zwei Metern richtig zur Geltung. Für gezielte Nahaufnahmen dagegen hat die Fuji eigens einen 3D-Makromodus, bei dem das Motiv auf rund 40 Zentimeter an die Objektive rankommen darf. Mit dieser Einstellung schweben die Objekte dem Betrachter auch entgegen. Zusätzlich kann bei der Fotobetrachtung auf dem Kamera-display über einen kleinen Hebel nachträglich die Parallaxe verstellt werden um den 3D-Eindruck zu verstärken oder abzuschwächen.
Nicht ganz so leicht sind die Aufnahmen mit den Sony- Kameras. Zum einen gestaltet sich die Motivauswahl um einiges schwieriger, da 3D-Aufnahmen nur über einen 180- Grad-Schwenk realisierbar sind. Ein einfaches Porträt bedarf daher einiger Überlegung und nachträglicher Arbeit am Rechner. Zum anderen weiß man vorher nie, wie genau der Schwenk durchgeführt wird und wie die Kamera später die Informationen zusammenrechnet. Auch braucht es geübte Hände oder ein Stativ, um die Kamera gleichmäßig in Tempo und Ausrichtung zu führen. Erschwerend kommt hinzu, dass der Fotograf das Panorama zunächst nur ohne Tiefeninformation ansehen kann, weil die Kamera kein 3D-Display hat. Wenn mit den Sonys eine Person Hauptmotiv des 3D-Fotos werden soll, erwies sich ein Abstand von 2,5 Metern als sinnvoll. Der 14 Megapixel große Sensor lässt genug Spielraum, um nachträglich einen kleinen Ausschnitt aus dem Panorama zu wählen.
Staunen oder zweifeln?
Da ist die Fuji klar im Vorteil, weil ihr Monitor durch eine auflaminierte Lentikularfolie (ähnlich dem Prinzip bei „Wackelfoto“-Postkarten) stereoskopische Bilder ganz ohne 3D-Brille wiedergeben kann. Für jedes Auge steht dabei die halbe Monitor-Auflösung (immerhin 400 x 480 Pixel) zur Verfügung: Nebeneinanderliegende Bildpunkte werden durch die Folie abwechselnd zum linken und rechten Auge gelenkt. Das gelingt der Real 3D W3 auch um einiges besser als dem Vorgängermodell. Die NEX-3 und NEX-5 können ihre Fotos nur zweidimensional auf dem Kameradisplay darstellen. Ob der 3D-Effekt gelungen ist, erkennt man deshalb erst nach Anschließen an ein 3D-fähiges Wiedergabegerät. Die einfachste und schnellste Möglichkeit, sich die Fotos dreidimensional anzusehen, ist per 3D-tauglichem Fernseher oder Monitor (egal ob in Polarisations- oder Shuttertechnik). Dank HDMI 1.4 und einem optional erhältlichen Kabel übergeben die Kameras die Fotos zudem an stereoskopische 3D-TVs – was in unserem Testaufbau erfreulich reibungslos vonstatten ging.
Software-Zauber
Sowohl Fuji als auch Sony geben das sogenannte MPO-Format (Multi-Picture-Object) aus, was lediglich eine Containerbezeichnung ist; andere Kameras bringen beispielsweise Serienbilder darin unter. In einer MPODatei stecken hier jeweils zwei Bilder im klassischen JPEG-Format und die Information, was damit zu tun ist. Mittlerweile können viele Bildbearbeitungsprogramme mit diesen Dateien umgehen und zeigen auf herkömmlichen 2D-Monitoren einfach das erste JPEG an. Der kostenlose Bildbetrachter Irfan- View zum Beispiel öffnet ohne Murren ein MPO-Bild – allerdings nur zweidimensional. Zusätzlich zum MPO speichern die Kameras ein normales JPEG ab, im Falle der Fuji immer die Aufnahme der linken Sensor-Optik. Fuji liefert zur Kamera die Software MyFinePix-Studio mit. Die kann eine MPO-Datei in zwei einzelne JPEGs splitten, diese wieder zusammensetzen, aber auch 3D-Videos schneiden. Auch mit der Software kann die Parallaxe nachträglich korrigiert werden. Schade, dass das Programm keine Anaglyphen- Darstellung für simple Farbfilter-Brillen beherrscht, was zumindest zur Beurteilung des 3D-Effektes am 2D-Schirm hilfreich wäre.
Für die 3D-Wiedergabe in Rot-Grün bemüht man das kostenfreie Tool „StereoPhoto Maker“. Das Programm ist mit allen gängigen 3D-Formaten vertraut und öffnet auch die von Sony und Fuji erstellten MPO-Dateien. Der Anwender kann auswählen, in welcher Technik die Fotos angezeigt werden sollen – zum Beispiel als Anaglyphen für verschiedene Farbfilter-Brillen, die man an jedem beliebigen Display nutzen kann. Das Programm extrahiert auch die von Sony erstellte linke und rechte Ansicht eines Schwenkpanoramas aus der MPO-Datei und führt die beiden nach einer Bearbeitung wieder in das MPO-Format zusammen. So kann man mit einem Bildbearbeitungsprogramm aus einem 3D-Panorama Bildteile – etwa eine Person – ausschneiden und als eigenes 3D-Foto speichern.
Ohne Tiefen
"2 in 1"-Linse
Panasonic verfolgt mit einer doppeläugigen Aufsatzlinse für die Micro-FourThirds-Kamera GH2 eine dritte Lösung. Das Objektiv Lumix G 12,5 mm f/12 hat zwei kleine separate Linsen, die das Motiv aus leicht unterschiedlichen Perspektiven aufnehmen. Um separate Bilder zu generieren, wird der Sensor halbiert und es werden jeweils 1920 x 1080 Pixel belichtet – dadurch entspricht die Kleinbild-Brennweite der Mini-Objektive der einer 65-mm-Optik. Wie die Sony-Kameras liefert die GH2 keine Direktansicht der erstellten 3D-Bilder. Die äußerst kleine Blendenöffnung von f/12 verlangt hervorragende Lichtverhältnisse, sorgt aber auch für eine große Schärfentiefe. Mittlerweile hat das Unternehmen auch die ältere DMC-G2 mit einem Firmware-Update 3D-tauglich gemacht.
Die zweidimensionale Aufnahmefähigkeit der Kameras lässt sich im Grunde nicht vergleichen. Die 3D W3 ist eindeutig für die dritte Dimension ausgelegt – 2D-Aufnahmen spielen nur am Rande eine Rolle. Dagegen sind die spiegellosen Systemkameras von Sony im Bereich der SLR-Fotografie anzusiedeln. Ihr Augenmerk liegt auf der klassischen Fotografie mit Wechseloptiken, 3D-Aufnahmen sind lediglich eine Beigabe. Es verwundert daher nicht, dass die NEXen mit ihren APS-C-großen Sensoren (23,4 mm x 15,6 mm) im klassischen 2D-Test besser abschneiden als die Fujikamera. Verstecken muss sich die Real 3D W3 deshalb aber nicht, wie die Messergebnisse zeigen.
Ende gut, alles gut?
Oft zeigen die selbst gemachten 3D-Fotos eine übertriebene oder unbrauchbare Tiefenwirkung. Das liegt nicht an der Technik, die bei beiden Kameras einwandfrei arbeitet, sondern an der Motivauswahl und dem Fotografen selbst. Um angenehme 3D-Bilder zu verwirklichen, muss man eine ganz neue Sichtweise entwickeln und viel ausprobieren. Weite Landschaften oder mit langen Brennweiten aufgenommene Motive wirken beispielsweise auf 3D-Fotos nur wenig räumlich, weil hier ein „breiterer“ Objektivabstand (wie beim Scherenfernrohr) nötig wäre. Bei der Fuji kann man das manuell erreichen, weil sie die zwei Aufnahmen eines Stereobildes auch zeitlich getrennt anfertigen kann: Verändert man die Kameraposition zwischen durch, lässt sich so die „Stereobasis“ ver größern – im Prinzip genau das Verfahren, das Sony zur Realisierung des 3D-Effektes bei den NEXen nutzt.