Erfahrungswerte: Leica M9 – eine Liebesgeschichte

Unter der Reihe "Erfahrungswerte" finden Sie ganz persönliche Ansichten von Foto-Profis zu aktuellen Kameras – mit dem Schwerpunkt auf die praktische Anwendung, weniger auf Messwerte und Testergebnisse. Diesmal an der Reihe: Die Leica M9.

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Lesezeit: 22 Min.
Von
  • Stefan Wintermeyer
Inhaltsverzeichnis

Wieder mit rotem Punkt: Leica M9

Ich bin zwar Canon-Anhänger, gebe aber zu, dass das viel mit Zufall zu tun hat. Canon hatte mich irgendwann einmal mit einem Einsteiger-Kit angefixt. Damals dachte ich noch, man braucht hauptsächlich Zeit, ein wenig Talent und interessantes Licht für gute Fotos. Heute weiß ich, dass auch ein lichtstarkes Objektiv (EF 50mm/1,2) und ein Vollformatsensor (5D Mark II) nicht schaden. Nach vielen Experimenten bin ich beim besagten 50-mm Objektiv hängengeblieben und mache damit gefühlte 90% aller Fotos. Das 1:1,2er ist dabei ein Luxus, weil ich das Bokeh des mehr runden Blendenverschlusses dem der eher eckigeren 1:1,4er-Variante vorziehe. Zum Thema Luxus: Die Canon 5D Mark II kostet mit dem 1:1,2er rund 3250 Euro, mit dem 1:1,4er ein gutes Stück unter 3000 Euro, also immer noch kein echtes Schnäppchen.

Es gibt einfach Produkte, die eine latente Sehnsucht freisetzen. In Filmen sieht man immer wieder mal einen KĂĽnstler oder einen Reisereporter mit einer Leica M. Je nach kĂĽnstlerischem Anspruch ist das dann eine M3 (alt mit chemischem Film) oder eine MP (neu mit chemischem Film) oder irgendetwas dazwischen (Der Filmausstatter hatte keine Ahnung). Bei mir hat die jahrelange, versteckte Anpreisung dieser fĂĽr meine Generation exotische Messsucherkamera (Range-Finder-Kamera) FrĂĽchte getragen. Ich wurde immer neugieriger auf das M-Modell von Leica.

Aber erst einmal ein paar Basics zur Grundidee einer Messsucherkamera: Bei einer Spiegelreflexkamera sitzt zwischen Objektiv und Sensor ein Spiegel, der beim Auslösen hörbar weggeklappt wird. Dieser Spiegel liefert das vom Objektiv eingefangene Originalbild in den Sucher. So kann man genau sehen, was später vom Sensor aufgezeichnet wird. Bei einer Messsucherkamera bekommt man nicht das Bild aus dem Objektiv angezeigt, sondern ein parallel von einem separaten Linsen- und Spiegelsystem eingefangenes Bild. Über eine Mechanik wird diese Paralleloptik mit dem Objektiv verzahnt und kann dadurch den aktuellen Fokus des Objektives anzeigen.

Augenfokus statt Autofokus: Ăśber ein zweites Sucherfenster wird ein Mischbild eingespiegelt, das bei Scharfstellung mit dem Sucherbild konvergiert.

Jetzt werden Sie sich fragen: "Wie funktioniert denn da der Autofokus?" Die Antwort ist einfach: Gar nicht. Die Fokussierung erfolgt manuell am Objektiv. Man sieht im Sucher zwei überlagerte Bilder, und wenn diese konvergieren, dann ist das Objektiv auf dieses Motivteil scharfgestellt. Es bedarf keiner großen Fantasie, um nachzuvollziehen, warum seit den 70er Jahren die Spiegelreflexkameras (SLR) immer populärer wurden. Eine SLR ist viel einfacher in der Bedienung – aber auch lauter und größer.

Das einzige, was bei der M9 Geräusch erzeugt, ist der hier verbaute Metall-Lamellen-Schlitzverschluss. Durch den geringeren Abstand des Objektives zum Sensor können im Durchmesser kleinere und einfacher zu korrigierende Linsen verbaut werden. Trotzdem ist Leica der einzige verbliebene Hersteller von Messsucherkameras. Das Autofokus-Argument war für den Consumer-Markt einfach zu wichtig.

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