Zu hohe Auflösung, zu wenig Diskretion

Moderne Digitalkameras produzieren mit immer höher auflösenden Sensoren immer detailreichere Bilder. Das bekommt allerdings nicht jedem Fotomotiv.

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Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Sascha Steinhoff

Das Auflösungsvermögen einer Kamera gilt allgemein als Qualitätsmerkmal. Selbst mittelmäßige Digitalknipsen haben inzwischen ein Level erreicht, von dem man mit analogen High-End-Kameras nur träumen kann. Ob das ein Fortschritt ist, das hängt allein vom Fotomotiv ab.

Bei Insektenmakros sind hochaufgelöste Fotos beispielsweise eine gute Sache. Wer eine im Original gerade einmal 25 mm lange Hornisse formatfüllend ablichtet, der kann sie in der Vergrößerung ohne Weiteres zum schreibtischgroßen Ungetüm aufblasen. Man entdeckt bei der Betrachtung des Fotos kleinste Details, die man bei normalen Betrachtungsabständen nie gesehen hätte. Wie das aus zahlreichen Elementen zusammengesetzte Facettenauge.

Ein Kommentar von Sascha Steinhoff

Sascha Steinhoff ist Redakteur bei c't Digitale Fotografie und schreibt seit 2008 regelmäßig über techniklastige Fotothemen. Privat ist er seit analogen Zeiten bekennender Nikon-Fanboy, beruflich ist er da flexibler. Als Softwarespezialist kümmert er sich insbesondere um die Themen Raw-Konvertierung, Bildbearbeitung und Bildarchivierung.


Beim menschlichen Fotomotiven ist es mit den hochaufgelösten Fotos hingegen schwierig: Wir haben weder schöne Facettenaugen, noch faltenfreie Chitinpanzer. Stattdessen haben wir dort Haare, wo nach dem gängigen Schönheitsideal keine sein sollten, wie beispielsweise Flaum am Ohr oder in anderen Gesichtspartien. Schon Neugeborene haben den sogenannten Babyflaum, worunter vor allem ihre Mütter leiden. Der Babyflaum verschwindet nach ein paar Tagen, dann sieht der Wonneproppen endlich „normal“ aus. Spätestens in der Pubertät kommt der Flaum dann aber wieder, der Mensch ist leider unvollkommen.

Zu analogen Zeiten war das bisschen Flausch kein Problem, so feine Härchen konnte das Filmkorn gar nicht abbilden. Es ist nicht zuletzt dem diskreten Filmkorn zu verdanken, dass Stars früher schon rein visuell in anderen Sphären schwebten. Auch Leinwandgöttinnen wie die junge Audrey Hepburn hatten Gesichtsflaum, aber der wurde eben nicht pixelgenau, feinst detailliert, unscharf maskiert und 1:1 zoombar für die Nachwelt im Bild festgehalten. Von diesen paradiesischen Verhältnissen können heutige Promis nur träumen. Jede bessere Digitalkamera arbeitet wie ein unbarmherziges Vergrößerungsglas und lenkt den Blick vor allem auf die Unzulänglichkeiten des Abgebildeten (Ohrflaum). Dass der Fotograf dem Porträtierten ebenso unweigerlich wie ungebührlich nahe auf den Pelz rückt ist technisch kaum vermeidbar.

Mein Tipp: Wer eine schöne DSLR oder Systemkamera hat, der sollte damit Tiere, Architektur oder meinetwegen auch Stilleben fotografieren. Damit kann man kaum etwas falsch machen. Aber bitte keine Menschenköpfe formatfüllend ablichten. Es sei denn, man will jemanden gezielt bloßstellen, was sich nur durch massive Photoshop-Reparaturen vermeiden ließe. Für vorteilhafte Porträts Out-of-Camera eignen sich Smartphones inzwischen viel besser. Sie können beides: Hohe Auflösungen bei gleichzeitig matschiger Detailwiedergabe. Das ist Fortschritt der dem Menschen nützt. (sts)