20 Jahre Steam: Der Dampf, der die Spielewelt veränderte​

Am 12. September 2003 wird Steam zusammen mit "Counter-Strike 1.6" veröffentlicht. Die einst ungeliebte DRM-Fessel ist heute der wichtigste Shop für PC-Spiele.​

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 335 Kommentare lesen
Vilnius,,Lithuania,-,2022,July,6:,Steam,App,On,Pc

(Bild: Rokas Tenys/Shutterstock.com)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • René Meyer
Inhaltsverzeichnis

Wer auf der Gamescom durch die Indie-Bereiche stromert, hat am Ende einen ganzen Stapel kleiner Kärtchen in der Hand – mit einem QR-Code und der Aufforderung "Wishlist now". Wofür die Wunschliste ist, muss man nicht erklären. Sie ist für Steam.

Mehr als 50.000 Spiele werden auf der Plattform angeboten. Jeden Tag kommen 30 neue dazu. Man spricht von rund 130 Millionen aktiven Spielern. Die meisten frönen "Counter-Strike" und "Dota 2". Dieser Tage halten "Baldur's Gate 3" und "Starfield" gut mit; doch der Langzeit-Sieger mit insgesamt 3,2 Millionen Spielern ist "PUBG: Battlegrounds".

Ob groß oder klein, gut oder schlecht – Steam hat sie alle. Die Kinderkrankheiten sind lange vorbei. Den Kopierschutz, der auch den Wiederverkauf verhindert, nimmt man hin. Man benötigt dafür keine Datenträger mehr, um Spiele zu installieren, was auch den Wechsel des PCs erleichtert. Und neuerdings lassen sich sogar Spielstände via Cloud auf verschiedenen Rechnern synchronisieren.

Hinter Steam ("Dampf") steckt das vergleichsweise kleine Unternehmen Valve ("Ventil"). Und hinter Valve steckt Gabe Newell. Er arbeitet 13 Jahre bei Microsoft unter anderem an Windows, bis ihm Ende 1995 klar wird, dass seine Zukunft woanders liegt: "Doom" von id Software mit seinen zwölf Mitarbeitern ist auf mehr PCs installiert als Windows von Microsoft, das zu jener Zeit 14.000 Mitarbeiter beschäftigt. Er verlässt die Firma, die ihn zum Millionär gemacht hat, und gründet eine Firma, die ihn zum Milliardär machen wird: Valve. Am 12. August 1996; am Tag seiner Hochzeit.

Newell ist ein riesiger Fan von "Doom", vermisst aber die erzählerische Komponente. Er rekrutiert Entwickler aus der Modding-Szene, den 3D-Modellierer von "Duke Nukem 3D", lizenziert die "Quake"-Engine und holt sich den Schriftsteller Marc Laidlaw. Am Ende findet man nach allerlei Irrwegen schließlich 1998 zu "Half-Life". Mit dem Helden Gordon Freeman, seinem ikonischen Brecheisen und dem minutenlangen Intro in Form einer Zugfahrt. Es verkauft sich allein als CD-Version mehr als neun Millionen Mal. Noch erfolgreicher wird ein Multiplayer-Mod: "Counter-Strike". Dessen Entwickler kauft sich Valve samt der Software.

Ab Mitte der Neunzigerjahre ebnet das Internet den Weg, weltweit mit- und gegeneinander zu spielen. Den Service, sich nicht nur mit dem PC eines Freundes zu verbinden, sondern sich mit Unbekannten zu messen, bieten neue Dienste wie DWANGO, Mplayer und GameSpy an. Valve setzt auf WON seines damaligen Publishers Sierra. Was jedoch fehlt, ist eine Plattform, die außerdem Spiele online verkauft und auf den Rechnern der Nutzer automatisch aktualisiert. Valve findet niemanden, der sie umsetzen will, und entwickelt ein eigenes System.

Am 22. März 2002 erscheint eine Beta-Version von Steam; am 12. September 2003 wird es ernst: Die neueste Version von "Counter-Strike", die berühmte Version 1.6, bekommt man nur mit einem Steam-Account. Dabei ist Steam am Anfang ein Fiasko. Voller Fehler und wenig stabil. Man nimmt es in Kauf, weil "Counter-Strike" so beliebt ist. Und gratis.

Die nächste Bewährungsprobe ist "Half-Life 2", das auf der Basis einer eigenen Engine (Source) und mit reichlicher Verspätung Ende 2004 erscheint: Als erstes Vollpreis-Spiel verlangt es eine Online-Aktivierung via Steam. Das sorgt für reichlich Unmut. Nicht jeder Spieler hat einen Internet-Zugang, zuweilen bleibt es nicht bei der einmaligen Überprüfung, und vor allem: Das Spiel lässt sich nicht mehr weiterverkaufen. Das bringt deutsche Verbraucherschützer auf den Plan. Sierra, mittlerweile in Vivendi aufgegangen, muss auf der Verpackung genauer auf die Aktivierung hinweisen. Valve bietet keine Möglichkeit, das Spiel auf ein anderes Konto zu übertragen. Und heute ist keine Rede mehr davon.

"Half-Life 2" wird heute als eines der besten Spiele aller Zeiten angesehen. Doch zum Release gab es Kontroversen um die Steam-Anbindung.

(Bild: Valve)

Die Spieler machen es mit, notgedrungen, weil "Half-Life 2" so unbeschreiblich gut ist. Noch heute, zwei Jahrzehnte später, ist es im Metacritic-Ranking auf Platz 2 der besten PC-Spiele aller Zeiten. Nach "Disco Elysium" und vor "Grand Theft Auto V". Und Steam wird besser. Nach und nach bringt Valve alle seine Spiele auf die Plattform. 2005 bietet Steam das erste Spiel eines anderen Entwicklers an: das schräge "Rag Doll Kung Fu". Zwei Jahre später sind es schon 150 Spiele. Immer mehr große Publisher setzen auf die Plattform, zumal der Steam-Key zugleich ein Kopierschutz ist. Heute kommt fast niemand mehr an Steam vorbei. Selbst Electronic Arts nicht, die sich zwischenzeitlich auf ihre eigene Plattform Origin zurückziehen. Selbst Blizzard nicht, deren "Overwatch 2" seit einigen Wochen auf Steam erhältlich ist.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier ein externes YouTube-Video (Google Ireland Limited) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Google Ireland Limited) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Valve entwickelt nicht nur die Plattform stetig weiter, sondern sucht immer wieder nach Wegen, Steam-Spiele auf Plattformen abseits des PCs anzubieten. Es gibt Clients für MacOS und Linux; es gibt SteamOS auf der Basis von Linux für eigene Hardware wie den Steam Controller und den Mini-PC Steam Machine (beide gefloppt). Und es gibt das neue Steam Deck, ein Handheld in der Anmutung der Switch-Konsole. Nicht zu vergessen: das VR-Headset Vive.