25 Jahre "The Matrix": Der Film mit der roten Pille​

Seite 2: Karriereprägende Paraderollen

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Die Besetzung hing lange in der Schwebe. Insbesondere die Hauptrolle "Neo" bereitete Kopfschmerzen: Die Wachowskis wollten Johnny Depp, dann sagten nacheinander Brad Pitt und Leonardo DiCaprio erst zu und wieder ab; Will Smith wollte lieber "Wild Wild West" (1999) drehen. Rückblickend ist Keanu Reeves die perfekte Besetzung für den zweifelnden Thomas A. Anderson, der schrittweise über seine Grenzen hinauswächst und zum übermenschlichen Neo wird.

Laurence Fishburne ist mit seiner erhabenen Haltung und sonorer Stimme ebenfalls die ideale Besetzung als weiser Mentor Morpheus. Hätte Will Smith für Neo zugesagt, wäre die Rolle womöglich von Val Kilmer gespielt worden oder gar von Arnold Schwarzenegger.

The Matrix – Die Darsteller (19 Bilder)

Keanu Reeves stellte sich als der ideale Neo heraus: Gut aussehend, ausdrucksstark ...
(Bild: Warner Bros / Village Roadshow Pictures)

Die Rolle der Hackerin Trinity war unter anderem Janet Jackson, Salma Hayek und Sandra Bullock angeboten worden. Carrie-Anne Moss wurde nach "The Matrix" so stark mit der Rolle identifiziert, dass sie nicht mit Sonnenbrille auf die Straße gehen konnte, ohne erkannt zu werden.

Hugo Weaving entwickelte für seinen furchterregenden Agenten Smith eine möglichst neutrale Aussprache, die weder nach Maschine klingen sollte noch einer Nationalität zuzuordnen war. Als gebürtiger Australier war Weaving einer der wenigen Darsteller, die für die Dreharbeiten nicht umziehen musste.

Für die weiß gekleidete Switch, gespielt von Belinda McClory, war ursprünglich vorgesehen, dass sie innerhalb der Matrix eine Frau war, in der realen Welt hingegen ein Mann. Dies wurde vom Studio abgelehnt, von der Idee blieb nur der Name – und dass sie in der Matrix weiß gekleidet ist, während die anderen Schwarz tragen.

Vor den Dreharbeiten war hartes Training angesagt: Sechs Monate lang brachten Martial-Arts-Choreographen aus Hong Kong den Hauptdarstellern die komplexen Bewegungsabläufe bei. Bei Sprüngen und Saltos hingen die Stars an Stahlseilen ("Wire Fu") – im Hong-Kong-Kino schon lange gang und gäbe, für westliche Produktionen hingegen ein Novum.

Darüber hinaus bekamen die Darsteller diverse Bücher ausgehändigt, die ihnen die philosophischen Grundlagen des Films nahebringen sollten. Eines davon kommt sogar im Film vor: Neo entfremdet "Simulacres et Simulation" von Jean Baudrillard zur Aufbewahrung seiner Hacking-Programme. Der Philosoph griente später in Interviews, dass die Wachowskis seine Ideen falsch verstanden hätten.

Das zähe Stunt-Training der Darsteller zahlte sich zwar aus, blieb aber nicht ohne Folgen: Keanu Reeves musste sich operieren lassen, weil zwei Wirbel zusammengewachsen waren. Hugo Weaving verletzte sich am ersten Drehtag am Bein und musste sich einer Hüft-OP unterziehen. Carrie-Anne Moss verdrehte sich bei einer Probe der Lobby-Szene den Knöchel und fiel deshalb bei einigen Stunts aus.

The Matrix – Visual Effects und Stunts (8 Bilder)

Die erste Bullet-Time-Sequenz zeigt Trinity im Kranichflug.
(Bild: Warner Bros / Village Roadshow Pictures)

Aufgrund der Verletzungen ließ sich der ursprüngliche Drehplan nicht einhalten; so wurden alle Action-Szenen mit Reeves und Weaving ans Ende des Drehs verschoben. Verständlicherweise wurde das Studio angesichts der Verzögerungen etwas nervös.

Zur Beruhigung stellten die Wachowskis einen Grobschnitt der ersten zehn Minuten zusammen: die nächtliche Flucht von Trinity vor den Agenten der Matrix über die Häuserdächer, inklusive Stunt-Aufnahmen und der ersten Bullet-Time-Sequenz. Das Ergebnis hatte die gewünschte Wirkung: Warner Bros war beruhigt und fand sich schnell damit ab, dass die Drehzeit von 90 auf 118 Tage anstieg.

Derweil perfektionierte das Special-Effects-Studio "Manex Visual Effects" unter der Leitung von John Gaeta den berühmten Bullet-Time-Effekt. Die grundsätzliche Idee war nicht neu: In den 1980ern unternahm der britische Künstler Tim Macmillan erste Experimente mit parallel belichteten Filmstreifen, die er "Time-Slices" taufte.

1985 ließ sich die Metal-Band "Accept" für das Musikvideo "Midnight Mover" von 13 Kameras gleichzeitig filmen, mit einem schwindelerregenden Ergebnis. 1995 morphte Michel Gondry für das Rolling-Stones-Cover von "Like A Rolling Stone" in kurzem Zeitabstand nebeneinander aufgenommene Einzelbilder ineinander und erzielte damit fließendere Übergänge.

Auch langsam fliegende Kugeln gab es bereits vor der Matrix: Schon 1981 blockiert der Held des südafrikanischen Martial-Arts-Films "Kill and Kill Again" von 1981 eine Kugel in extremer Zeitlupe. 1998 weicht in der Comic-Verfilmung "Blade" ein Vampir einer Luftwirbel nach sich ziehenden Kugel aus.

John Gaeta wollte die Ansätze von Tim Macmillan und Michel Gondry zu etwas Neuem kombinieren. In einem Greenscreen-Studio baute er anhand von Computersimulationen einen Kreis von bis zu 120 aufsteigend positionierten Spiegelreflexkameras auf. Diese Standbild-Kameras verwendeten einheitlich geeichte Objektive; am Anfang und Ende des Kreises waren Filmkameras zur Kontrolle montiert.

Der Auslösezeitpunkt der versetzten Kameras wurde in Millisekundenabständen gestaffelt, sodass jede einen minimal verschobenen Zeitpunkt der Action erfasste. Wohlgemerkt: Alle Kameras waren analog und mussten per Hand nach den Vorgaben der Simulation positioniert, gedreht und ausgelöst werden. Um den fließenden Zeitlupeneffekt zu verstärken, bewegten sich die Schauspieler etwas schneller als normal.

Als nächstes scannte Manex Visual Effects die Aufnahmen ein, interpolierte per Morphing zusätzliche Frames und setzte das Ergebnis in einen computergenerierten Hintergrund, der aus Fotos vom Drehort zusammengesetzt wurde. Wer genau hinsieht, bemerkt bei der berühmten Bullet-Time-Sequenz auf dem Hochhausdach, wie die von Neo weggeworfenen Pistolen kurz vom Boden verschwinden, um plötzlich wieder aufzutauchen.

Seitdem wurde "Bullet Time" unzählige Male imitiert und parodiert, nicht nur in Filmen wie "3 Engel für Charlie" (2000) und "Scary Movie" (2000), sondern auch in Fernsehserien wie "Hustle - Unehrlich währt am längsten" (2004-2012), Computerspielen wie "Max Payne" (2001) und sogar Grafik-Benchmarks. Inzwischen ist die Technik zum Klischee verkommen

Ebenfalls prägend war die Farbgebung. "The Matrix" arbeitete sehr konsequent mit unterschiedlichen Tönungen für die virtuelle und die reale Welt. Die Matrix ist grün wie der Code, aus dem sie besteht; die Farbe des Codes ist wiederum eine Anspielung an frühe Computer-Monitore. Die reale Welt ist hingegen in kalten Blautönen gehalten, was den Verlust des Sonnenlichts unterstreicht. Darüber hinaus trainieren Neo und Morpheus zwischendurch in einem virtuellen Dojo, in dem Brauntöne dominieren – weil es nicht in der Matrix liegt.

Schon die Set- und Kostüm-Designer hatten auf diese farblichen Betonungen geachtet. Behind-the-Scenes-Material beweist, dass die Anzüge der von der Matrix generierten Agenten dunkelgrün sind und auch die Hochhaus-Lobby in grünlichen Tönen gestrichen wurde. Rot wurde so weit wie möglich vermieden, um es in zwei entscheidenden Szenen besonders hervorheben zu können. (Lesen Sie diesen Text noch oder schmachten Sie der Frau in dem roten Kleid nach?)

Als "The Matrix" in die Kinos kam, waren die Grün- und Blautöne deutlich weniger markant als in den Versionen, die seitdem auf DVD, Blu-ray und Streaming-Diensten zu sehen waren. Als "The Matrix" entstand, war die digitale Farbmanipulation (Digital Color Grading) noch nicht so weit; die Färbungen wurden photochemisch erzeugt. Dadurch waren die Grün/Blau-Unterschiede im Kino dezenter, um mit jeder digitalen Veröffentlichung stärker betont zu werden. Das änderte sich 2018 mit der Ultra HD Blu-ray, für die das Negativ neu abgetastet wurde. Diese Neuabtastung kam auch der aktuellen Blu-ray-Auflage zugute. Einige Streaming-Dienste zeigen allerdings noch das ältere Master.

Auf YouTube sind diverse Vergleiche zwischen den Farben der Matrix-Veröffentlichungen zu finden. Selbst die besseren davon sind mit einer Prise Skepsis zu betrachten: Die Konvertierung der HDR-Version in den SDR-Farbraum geht nie ohne Farbverschiebungen vonstatten.