30 Kilometer laufen, sagt ChatGPT – Vorsicht, wenn die KI Trainingspläne macht!

Seite 2: Wechselhafte Qualität der Fitnesstipps von ChatGPT

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Goodwin hat die Grenzen von ChatGPT getestet, indem er Fragen stellte, auf die er die Antworten bereits kannte. Das hat auch Alex Cohen getan, ein anderer Fitnessfan, der für ein Start-up namens Carbon Health im Gesundheitsbereich arbeitet. Cohen bat ChatGPT zunächst, seinen täglichen Gesamtenergieverbrauch zu berechnen (die Gesamtzahl der Kalorien, die jemand an einem Tag verbrennt; ein nützliches Instrument, um abzuschätzen, wie viel man zu sich nehmen sollte, um Gewicht zu verlieren, zu halten oder zuzunehmen). Anschließend bat er das Programm um die Erstellung von Beispielen für Mahlzeiten und Trainingspläne.

Wie Goodwin, war auch Cohen von der Darstellung der Informationen beeindruckt. Ihm wurde jedoch schnell klar, dass das Programm weder einen Ernährungsberater noch einen Personal Trainer ersetzen kann. "Es passt die Trainingspläne nicht an meine spezielle Körperform, meinen Körperbau oder meine Erfahrung an", sagt Cohen. Und ChatGPT stellt den Nutzern keine zusätzlichen Fragen, die die Antworten verbessern könnten.

Trotz der schwankenden Qualität der Fitnesstipps von ChatGPT haben einige Nutzer die Ratschläge tatsächlich im Fitnessstudio befolgt. John Yu, ein TikToker aus den USA, filmte sich selbst dabei, wie er ein sechstägiges Ganzkörpertrainingsprogramm mithilfe von ChatGPT absolvierte. Er wies ChatGPT an, ihm jeden Tag einen Muster-Trainingsplan zu geben, der darauf zugeschnitten war, welchen Teil seines Körpers er trainieren wollte (Arme, Beine und so weiter), und führte dann das Training durch, das ChatGPT ihm vorgab.

Die Übungen, die das Programm vorschlug, waren für sich genommen völlig in Ordnung und einfach genug, um sie zu befolgen. Yu fand jedoch, dass es den Übungen an Abwechslung mangelte. "Streng nach dem zu trainieren, was ChatGPT mir vorgibt, fände ich langweilig", sagt er.

Lee Lem, ein Bodybuilding-Influencer aus Australien, sieht das ähnlich. Er bat ChatGPT, ein "optimales Beintrainingsprogramm" zu erstellen. Das Programm schlug die richtigen Übungen vor – Kniebeugen, Ausfallschritte, Kreuzheben –, aber die Pausen zwischen den Übungen waren viel zu kurz. "Das ist hart!" sagt Lem und lacht: "Es ist unrealistisch, zwischen zwei Sätzen nur 30 Sekunden Pause zu machen.

Das bringt das Kernproblem der ChatGPT-Vorschläge auf den Punkt: Sie berücksichtigen den menschlichen Körper nicht. Sowohl Lem als auch Yu haben festgestellt, dass sich wiederholende Bewegungen uns schnell langweilen oder müde machen. Menschliche Trainer wissen, wie sie ihre Vorschläge variieren können. ChatGPT muss man ausdrücklich darauf hinweisen.

Für einige ist der Reiz eines von der KI erstellten Trainings jedoch nach wie vor unwiderstehlich. Manche zahlen sogar dafür. Ahmed Mire, ein in London ansässiger Softwareentwickler, verkauft von ChatGPT erstellte Pläne für jeweils 15 Euro. Die Leute teilen ihm ihre Trainingsziele und -vorgaben mit, und er jagt sie durch ChatGPT. Er sagt, dass er seit dem Start seines Service im vergangenen Monat bereits Kunden gewonnen hat und bereits überlegt, Diätpläne zu erstellen. Dass ChatGPT kostenlos ist und man gar nicht für Antworten zahlen müsste? Geschenkt, sagt Mire: Seine Kundinnen und Kunden würden vor allem für den Komfort zahlen.

Alle, mit denen ich für diesen Text gesprochen habe, sahen die Trainingsvorschläge von ChatGPT als unterhaltsame Experimente und nicht als ernsthafte sportliche Anleitung. Sie alle hatten ein ausreichendes Verständnis von Fitness und davon, was für ihren Körper funktioniert und was nicht, um die Schwächen des Modells zu erkennen. Sie alle wussten, dass sie die Antworten skeptisch betrachten mussten.

Doch Menschen, die noch nicht so lange trainieren und weniger Erfahrung haben, könnten sie vielleicht eher für bare Münze nehmen, einschließlich der Gefahr, sich durch falsche Pläne oder Anleitungen dabei zu verletzen.

Das bedeutet nicht, dass KI-Modelle bei der Entwicklung von Fitnessplänen keine Rolle spielen können oder sollten. Aber es unterstreicht, dass man ihnen nicht unbedingt trauen kann. ChatGPT wird sich verbessern und könnte lernen, von sich aus Rückfragen zu stellen: So könnte es die Nutzenden fragen, ob es Übungen gibt, die sie hassen, oder ob sie sich über Verletzungen ärgern. Aber im Grunde kann es keine originellen Vorschläge machen, und es hat kein grundlegendes Verständnis der Konzepte, die es wiederkäut.

Da ChatGPT mit bestehenden Informationen aus dem Internet trainiert wurde, kann es sein, dass der Chatbot etwas vorschlägt, was manche Nutzerinnen und Nutzer nicht wussten, aber viele andere schon, erklärt Philippe De Wilde, Professor für künstliche Intelligenz an der Universität von Kent in England. Obwohl viele Antworten technisch korrekt seien, wird ein menschlicher Experte fast immer besser sein.

"Es ist ein Hilfsmittel, aber kein Evangelium", sagt Rebecca Robinson, Fachärztin für Sport und Bewegungsmedizin in Großbritannien. Wenn ChatGPT überhaupt nützlich sei, dann vor allem als unterhaltsame Methode, um ein Trainingsprogramm aufzupeppen, das schon etwas abgestanden ist, oder als zeitsparende Methode, um Übungen vorzuschlagen, an die man selbst vielleicht nicht gedacht hätte.

Die Fitness-Influencer Lem und Yu haben inzwischen wieder aufgegeben, mithilfe einer KI zu trainieren. Das gilt auch für mich. Ich habe mich inzwischen an Büchern und Magazinen von renommierten Laufexperten orientiert, um meinen eigenen Marathon-Trainingsplan zu erstellen. Nach den ersten vier Wochen komme ich gut damit zurecht. Ob die Schinderei sich gelohnt hat, werde ich spätestens am 23. April beim London-Marathon sehen.

(jle)