3D: Gekommen, um zu bleiben?

Ein Funkausstellungs-Besuch, ohne zumindest einmal durch eine 3D-Brille geguckt zu haben? Dieses Jahr ist das so gut wie unmöglich. Dennoch ist die 3D-Zukunft noch nicht besiegelt, denn dafür gibt es noch zu viele Probleme.

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Von
  • Jan-Keno Janssen

3D-Brillen als Fashion-Accesoire: So hätte es die Industrie gerne. Die Realität sieht ein bisschen anders aus.

Ein Funkausstellungs-Besuch, ohne zumindest einmal durch eine 3D-Brille geguckt zu haben? Dieses Jahr ist das so gut wie unmöglich. Alle – und zwar wirklich alle – Fernsehhersteller zeigen auf ihren Ständen mindestens ein Gerät, auf dem räumliche Bilder präsentiert werden. Bei den japanischen Platzhirschen Sony und Panasonic hängt vor fast allen TV-Geräten eine 3D-Brille – Produkte, die nichts mit dem Trendthema zu tun haben, muss man mit der Lupe suchen. Diese Konsequenz vermittelt den Kunden natürlich: 3D muss man haben, 3D ist fertig, 3D ist ausgereift.

Zumindest eines muss man der Industrie zugutehalten: Sie hat aus früheren Fehlern wie dem Blu-ray-HD-DVD-Formatkrieg gelernt. Woher die räumlichen Bilder kommen, wie sie übertragen werden – das alles ist frühzeitig festgelegt worden: Es sind bereits etliche Player auf dem Markt, die 3D-Blu-ray-Discs abspielen können – sogar die weit verbreitete Playstation 3 bekommt ein kostenloses Update, um die 3D-Scheiben wiederzugeben. Im HDMI-Version 1.4a sind neben einem Übertragungsformat ohne Auflösungsverlust (Frame-Packing) auch zwei auflösungsreduzierte, aber dafür abwärtskompatible Formate festgelegt. Auch für unbedarfte Verbraucher ist das simple: Einfach einen 3D-Blu-ray-Player per HDMI an den Fernseher hängen, auf Play drücken und schon schaltet das TV-Gerät in den 3D-Modus.

Dennoch ist die 3D-Zukunft noch nicht besiegelt, denn dafür gibt es noch zu viele Probleme.

1. Die Brillen nerven

Brillenlose 3D-Varianten, wie dieses volumetrische Displays von Sony, sind noch nicht massentauglich.

Auch wenn die Industrie immer wieder behauptet, die Kunden hätten gar kein Problem mit 3D-Brillen – ohne wären die Erfolgssaussichten wesentlich besser. Das liegt nicht nur daran, dass es schlicht nervt, im Wohnzimmer (oder unterwegs) mit irgendwelchen Plastikgestellen herumzuhantieren, die meist sogar eine Batterie brauchen (und die dann natürlich grundsätzlich zum falschen Zeitpunkt den Geist aufgeben). Während die Industrie für den Brillenzwang grundsätzlich nichts kann – brillenlose Displays sind einfach noch nicht ausgereift – haben sie ein fatales Kundenärgernis selbst zu verantworten: Die Shutterbrillen der einzelnen Hersteller sind nicht kompatibel und obendrein viel zu teuer. Wer für viel Geld einen 3D-Fernseher angeschafft hat, will nicht alleine davor sitzen. Aber spontan alle Nachbarn zum 3D gucken einladen ist problematisch, denn jede zusätzliche Brille kostet rund 100 Euro – bei zehn Nachbarn wären das mal eben 1000 Euro. Wären die Brillen zumindest kompatibel, wäre die Hürde nicht mehr so groß. So aber muss man sich festlegen – das ist sicherlich im Sinne der Industrie, hemmt in der Praxis aber die Akzeptanz von 3D. Kleinere Hersteller wie Xpand und Monster wollen demnächst zwar Universalbrillen anbieten, aber auch diese bekommt man nicht unter 130 Euro.

2. Viele TVs produzieren Geisterbilder

Besonders die ganz günstigen Fernseher produzieren nur auf den ersten Blick ein schönes 3D-Bild. Wer länger hinschaut, dem fallen schnell störende Geisterbilder auf. Die entstehen, wenn die Kanaltrennung nicht optimal funktioniert, das linke Auge also Bildteile sieht, die eigentlich fürs rechte Auge bestimmt sind und umgekehrt. Fatalerweise "rechnet" das Gehirn diese Geisterbilder oft weg, so dass man sie oft gar nicht bewusst wahrnimmt. Da es im Kopf hier aber auf Hochtouren rattert, führen leichte Übersprecher oft zu Kopfschmerzen und Unwohlsein. Nimmt das Ghosting überhand, bricht der 3D-Eindruck vollkommen zusammen. Besonders in schnellen Szenen oder Spielen, bei denen der Wahrnehmungsapparat ohnehin schon am Limit agiert, sind Geisterbilder fatal. Wer einmal die 3D-Variante von Wipeout an der PS3 mit Ghosting gespielt hat, weiß, was gemeint ist. Kurioserweise sind es die von der Industrie schon fast abgeschriebenen Plasma-Fernseher, die derzeit am wenigsten zu Ghosting neigen. Dafür produzieren sie aber ein deutlich dunkleres Bild als LCD-TVs – und das führt mit aufgesetzter Shutterbrille zu Problemen (siehe nächster Punkt).

3. Das Bild im 3D-Betrieb ist zu dunkel

Prinzipbedingt halbiert sich mit aufgesetzter Shutterbrille die Bildhelligkeit: Ein Brillenglas ist permanent dunkel geschaltet. In der Praxis wird das Bild aber noch wesentlich dunkler. Einmal schluckt auch das auf Durchlass geschaltete Glas etwas Licht, außerdem sieht man durch die Brillen jedes Bild nicht acht Millisekunden lang an (so viel Zeit bliebe bei 120 Hertz theoretisch), sondern wesentlich kürzer. Das ist notwendig, weil auch das Display einige Millisekunden braucht, um das Bild aufzubauen. Im c't-Meßlabor war die durch die Brille gemessene Bildhelligkeit zum Teil fünfmal geringer als ohne. Die düsteren Bilder stören im abgedunkelten Wohnzimmer wenig – wer jedoch tagsüber 3D schauen will und keine Vorhänge hat, dem fehlen die Lichtreserven.

4. Es gibt noch zu wenig Inhalte

Viele 3D-Filme wurden nicht stereoskopisch gedreht, sondern erst im Nachhinein konvertiert.

Im freien Handel sind zur Zeit genau drei 3D-Blu-rays erhältlich – dabei handelt es sich um einen fragwürdig auf 3D hochgerechneten 2D-Film ("Kampf der Titanen"), einen Animationsfilm ("Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen"), und um einen zwar handwerklich guten, aber inhaltlich nicht allzu spannenden 40-minütigen Dokumentarfilm ("Grand Canyon Adventure"). Drei weitere Filme sind nur im Paket mit 3D-Fernsehern oder -Zubehör erhältlich ("Monsters vs. Aliens" von Samsung, "Coraline" und "Ice Age 3" von Panasonic). Bei den Fernsehsendern regt sich erst langsam Interesse an 3D: Der Bezahlfernsehsender Sky hat einen "Eventkanal" angekündigt, der am 3. Oktober starten soll. Von Vollprogramm ist hier allerdings keine Rede: Nur hin und wieder – eben zu besonderen "Events – wird es räumliche Bilder zu sehen geben. Beim IPTV-Angebot der Telekom handelt es sich ebenfalls um keinen eigenen 3D-Kanal, sondern um einen Video-on-Demand-Service. Immerhin soll es auch einige kostenlose Inhalte geben, der Großteil ist offenbar aber kostenpflichtig. Sowohl Sky als auch Telekom nutzen bei der Übertragung nicht die volle HD-Auflösung, sondern quetschen die 3D-Bilder nebeneinander in einen 1080i-Stream. Auch wer am 3D-Fernseher spielen will, hat keine große Auswahl: Bislang sind es nur wenige Konsolenspiele für Playstation 3 und Xbox 360, die räumliche Bilder produzieren. Wer dagegen einen PC anschließt, kann mit einem – bislang nicht erhältlichen – Treiber von Nvidia so gut wie alle Direct-3D-Spiele räumlich darstellen. Notwendig ist allerdings eine schnelle Nvidia-Grafikkarte. Der Treiber namens "3DTV Play" soll in den USA 40 US-Dollar kosten, Europreis und Erscheinungsdatum sind noch nicht bekannt. Jeder TV-Hersteller baut in seine 3D-TVs zudem eine "Fake-3D"-Funktion, mit der beliebige 2D-Inhalte in 3D "hochgerechnet" werden. Das funktioniert manchmal annehmbar, oft ist die Darstellung aber schlicht falsch. Mehr als eine Spielerei ist die Funktion daher nicht – auch wenn der nette Verkäufer im Elektrodiscounter noch so vehement betont, dass man berechnetes gar nicht von echtem 3D unterscheiden kann.

5. Hersteller achten nicht auf Details

Das vermutlich größte Angebot an 3D-Videos findet sich inzwischen auf YouTube. Ohne viel Tamtam hat das Videoportal vor fast genau einem Jahr eine 3D-Funktion bereitgestellt: Die User können stereoskopische Videos in den Formaten Side-by-Side oder Top-Bottom hochladen, der Player rechnet sie in Echtzeit in diverse Ausgabeformate um. Nun haben auch alle uns bekannten 3D-Fernseher einen direkten YouTube-Zugang an Bord. Da wäre es ja nur logisch, wenn sie die 3D-Videos aus dem Netz auch räumlich anzeigen könnten – letztendlich kann das aber kein einziges Gerät. Auch peinlich: Jedes 3D-TV kann stereoskopische Videos im Side-by-Side oder Top-Bottom-Format räumlich darstellen, bei einigen klappt das aber nur mit einem externen Zuspieler, der interne Player, der Videos von USB-Stick wiedergibt, lässt sich nicht in den 3D-Modus versetzen.

Potenzial

Auch wenn die Hersteller gerne einen anderen Eindruck vermitteln möchten: Den Durchbruch hat die 3D-Technik im Wohnzimmer längst noch nicht geschafft.Zwar ist das Interesse bei der Kundschaft da – das hat beispielsweise der sensationelle Erfolg der technisch sauber gemachten Weltraum-3D-Schmonzette "Avatar" gezeigt –, aber nur weil irgendwo "3D" draufsteht, wird es nicht automatisch zum Kassenschlager. Immer mehr Kinobesucher lösen zum Teil lieber (günstigere) Tickets für die 2D-Version eines Films, statt die oft sündhaft teure 3D-Vorstellung zu besuchen. Gerade schlecht nach 3D konvertierte Produktionen wie "Alice im Wunderland" oder "Kampf der Titanen" unterstützen diesen Trend.

Auch wenn es noch viel zu kritisieren gibt: In 3D steckt immens viel Potenzial. Viele Produktionsfirmen zeigen, wie beeindruckend professionell produziertes 3D-Material aussehen kann. Die TV-Hersteller werden die Kinderkrankheiten zudem schnell in den Griff bekommen. Deshalb heißt die Devise: Noch ein bisschen warten, denn vermutlich steckt die 3D-Technik bereits in ein, zwei Jahren in jedem Mittelklassefernseher; und das auch noch zu wesentlich günstigeren Preisen als heute. Nur die Brillen – die werden uns wohl noch ein paar Jahre länger auf der Nase drücken. (jk)